8318/J XXV. GP

Eingelangt am 24.02.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Ruperta Lichtenecker, Freundinnen und Freunde an Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien

betreffend Unterstützung für kleine öffentliche Auftraggeber

BEGRÜNDUNG

 

Öffentliche Vergaben sind ein abstraktes Thema, das häufig fernab der BürgerInnen abgewickelt wird, obwohl zwischen 16[1] und 20%[2] des BIPs in Österreich durch öffentliche Auftrage erwirtschaftet werden. Die beauftragten Produkte reichen von der Autobahn über Sicherheitsdienstleistungen, Elektrizität bis hin zum Büromaterial. Die vergebenden Stellen sind oft näher als wir denken – neben Ministerien sind dies auch Regionalbahnen, Wasserleitungsverbände und Gemeinden oder deren Einrichtungen wie öffentliche Schwimmbäder.

Das Ansinnen der Vergabe an den besten (fair bezahlenden, umweltfreundlich agierenden, etc…) Bieter anstatt den billigsten Anbieters ist lobenswert. Allerdings ist es hierbei mit der nun erfolgten „kleinen“ Vergaberechtsnovelle und der noch folgenden umfassenden, „großen“ Vergaberechtsnovelle (die geplante Umsetzungsdeadline für die hier vorwiegend zu Grunde liegenden EU-Richtlinie 2014/24 bzw. 2014/25 (Sektorenauftraggeber) wäre der April 2016, was aber nach den von Ihrer Seite übermittelten Informationen im Verfassungsausschuss vom 3.12.15 bzw. im darauffolgenden Plenum vom 10.12.15 allerdings kaum haltbar sein wird) nicht alleine getan.

Um es auf den Punkt zu bringen: Das Vergaberecht ist mit seinem bereits heute ausgesprochen umfassenden Bundesvergabegesetz, den unterschiedlichen Publikationsverordnungen und den Möglichkeiten des Einspruchs gegen getroffene Vergabeentscheidungen bei Gericht ein ausuferndes Kompendium. Dieses ist zwar aus prozessualer und juristischer Sicht gelungen – Verständlichkeit sieht allerdings anders aus. Eine Problemstellung, die mitunter auch als „juristisches Minenfeld“ bezeichnet wird[3].

Genau an dieser Stelle zeigt sich aktuell eine Diskrepanz zwischen Gesetz und Wirklichkeit: Wenn eine kleine 500-Einwohner Gemeinde alle 5 Jahre einmal eine Ausschreibung im Oberschwellenbereich tätigt, wird sie kaum das Wissen um die korrekte Abwicklung des rund 400 Paragraphen langen Vergaberechts in petto haben. Auch das Aneignen dieses Wissens ist weder zeitlich noch ökonomisch (wozu eine Materie mühsam über mehrere Wochen erlernen, wenn man sie erst 5 Jahre später wieder braucht – und bis dahin ohnehin mehrere Novellen ins Lande gezogen sind) sinnvoll. Mit dem neuen Vergaberecht verhält es sich so, als ob man einem/r Lokführer/in ein Space Shuttle hinstellt und ihn/sie auffordert, selbiges ab morgen fehlerfrei zu verwenden. Diese ungünstige Kombination aus kleiner Gemeinde und komplexer Gesetzesmaterie ist ein flächendeckendes Problem: 2015 hatte der überwiegende Teil der österreichischen Gemeinden weniger als 2.000 Einwohner (1160 von 2100), 437 österreichische Gemeinden haben sogar weniger 1000 EinwohnerInnen[4].

Momentan übernehmen einzelne Interessensverbände in ihren jeweiligen Fachgebieten die Übersetzungsarbeit hinsichtlich der jeweiligen Ausschreibungen – in der Vergangenheit war hier der Gemeindebund bzw. der Gemeindeverband sehr aktiv. Dazu kommen technisch spezifischere Hilfestellungen wie z.B. der "Leitfaden für eine Musterausschreibung" vom Gemeindebund und dem Verband der Österreichischen Entsorgungsbetriebe (VÖEB)“[5].

So lobenswert und wertvoll diese Unterstützungsleistungen der Interessensverbände auch sind, so viele Gefahren können diese beinhalten: Was, wenn doch einmal ein Unternehmen hier Kriterien zu seinem Gunsten in einen Leitfaden formuliert? Was, wenn eine Gemeinde eine außergewöhnliche Ausschreibung vornehmen muss, die in keinem „klassischen“ Produktportfolio vorkommt?

Dazu kommt: Eine solche Ausschreibungsbegleitung für kleine Auftraggeber ist auch eine Frage des Geldes: Denn zwar kann bereits heute eine Beratung durch die BBG mitunter in Anspruch genommen werden – allerdings werden hierfür ebenfalls Beratungshonorare fällig.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Ist die zentrale oder von zentraler Stelle koordinierte Formulierung bundeseinheitlicher, unabhängiger, rechtlich haltbarer Kriterienkataloge je Fachgebiet vorgesehen?

 

2)    Wenn ja: Für welchen Zeitpunkt?

 

3)    Wenn ja: Durch welche Stelle?

 

4)    Ist eine institutionalisierte, rechtliche Unterstützung für kleine öffentliche Auftraggeber vorgesehen?

 

5)    Wenn ja: Für welche Gemeindegrößenklassen[6]?

 

6)    Wenn ja: Durch welche Institution?

 

7)    Wenn ja: In welcher Form werden die Kosten von welcher Institution übernommen? Sind solchermaßen entstehende „Beratungskosten“ von den Gemeinden bzw. anderen ausschreibenden Stellen selbst zu übernehmen?

 

8)    Ist die Einrichtung einer zentralen Vergabeplattform  mit einem virtuellen Support („Online-Beschaffungs-Assistent“) geplant?



[1] http://www.europarl.europa.eu/atyourservice/de/displayFtu.html?ftuId=FTU_3.2.2.html

[2] Kurzleitfaden zum neuen EU-Vergaberecht, Österreichischer Städtebund, 2014

[3] http://salzburg.orf.at/news/stories/2752169/

[4] Statistik Austria: Gemeindegrößenklassen mit Einwohnerzahl 2015

[5] APA am 13.1.16 „Bestbieterprinzip kommt – Leitfaden für Gemeinden bei Entsorgung“

[6] Statistik Österreich: Gemeindegrößenklassen mit Einwohnerzahl 2015