8361/J XXV. GP

Eingelangt am 24.02.2016
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Dr. Andreas F. Karlsböck und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Gesundheit

betreffend parteipolitisch motivierte „Säuberungswelle“ im Wiener Krankenanstaltenverbund

 

Der befristete Dienstvertrag des am Otto Wagner Spital in Wien beschäftigten Lungenfacharztes Dr. Gernot Rainer wurde vom dafür zuständigen Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV), einer Unternehmung der Stadt Wien ohne eigene Rechtspersönlichkeit, nicht verlängert. Obwohl er bereits seit zehn Jahren im KAV als Facharzt tätig ist, ist Rainers Dienstvertrag noch immer befristet. Ein juristisches Schlupfloch ermöglicht es nämlich, Ärzte in Ausbildung – egal in welcher – in prekären Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen. Nachdem Rainer nun seine letzte Ausbildung absolviert hat, wollte er in ein dauerhaftes Dienstverhältnis überstellt werden. Dies wird ihm nunmehr verwehrt. So weit die Fakten.

 

Dass man dem Begründer der Ärztegewerkschaft Asklepios von Seiten der Gemeinde Wien vorwirft, er setze sich für die Interessen seiner Standesgenossen und der Bediensteten in den Wiener Gemeindespitälern ein, wirkt wie ein schlechter Scherz. Dreist ist vor allem, dass Barbara Hörnlein, die Gattin des SPÖ-Bürgermeisters, dem von seinem Vorgesetzten mit Bestnoten beurteilten Facharzt in der Mitarbeiterbeurteilung vorwirft, es fehle ihm die „Identifikation mit den Gesamtinteressen der Stadt Wien“. Dies ist beschämend und wirft ein bezeichnendes Licht auf die Zustände in der von einem roten Parteiadel dominierten Stadtverwaltung. Diesen Eindruck bestärkt auch Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, die Gattin des SPÖ-Klubobmanns im Nationalrat, wenn sie via Krankenanstaltenverbund die Interessen der Partei vor jene der Patienten stellt und durch Rainers De-facto-Rauswurf das Aufzeigen von Missständen verhindern will. Noch schlimmer ist, dass die ebenfalls rot geführte Gewerkschaft der Gemeindebediensteten einen Kollegen, auch wenn er nicht ihrer Fraktion angehört, so schmählich fallen lässt. Damit führt sie sich selbst ad absurdum. Wenn nämlich eine Interessenvertretung diejenigen, die Missstände aufzeigen dafür auch noch kritisiert, ja in ihrer beruflichen Existenz gefährdet, führt sie sich selbst ad absurdum.

 

Wir allen wissen, dass es parteipolitisch motivierte Postenbesetzungen bei der Gemeinde Wien und ihren nachgeordneten Einrichtungen schon immer gegeben hat. Diese wurden aber in den vergangenen Jahren zumindest diskret gehandhabt. Nun hat der Postenschacher eine neue Qualität erreicht: man nutzt ungeniert eine öffentliche Funktion, um im Sinne der eigenen Partei zu handeln. Wichtige Fragen drängen sich auf: Reicht es, Gattin des Wiener Bürgermeisters zu sein, um eine Führungsfunktion im Wiener Krankenanstaltenverbund zu bekleiden und ärztliche Direktorin des Wilhelminenspitals zu werden? Oder: Was berechtigt Sonja Wehsely, die Gemahlin des SPÖ-Klubobmanns im Parlament, sich als Gesundheitsstadträtin über fachliche Spitzenbeurteilungen hinwegzusetzen, um einen kritischen Geist einfach loszuwerden? Und dabei so zu verfahren, dass die Verantwortung für diese Entscheidungen bei anderen hängenbleibt?

 

Es muss auch die Frage erlaubt sein, ob es den oben genannten Entscheidungsträgerinnen an gebotener Empathie und Kompetenz mangelt? Der Wiener Bürgermeister scheint seine Damenriege nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Denn immer deutlicher erweist sich: Frau bzw. Ehefrau zu sein, ist zu wenig, solange nicht die Besten im Gesundheitssystem zum Zug kommen.

 

Auch die Grünen, die seit jeher für sich in Anspruch genommen haben, Skandale an vorderster Front aufzudecken und für Transparenz zu sorgen, schweigen zu diesem Skandal. Sohin haben sie endgültig ihre Unschuld verloren und erweisen sich als opportunistische Steigbügelhalter der Macht. Auch zwei Bundespräsidentschaftskandidaten, nämlich Alexander van der Bellen, der „parteiunabhängige“ Kandidat der Grünen, und Rudolf Hundstorfer von der SPÖ, sind durch das Verhalten ihrer eigenen Parteien disqualifiziert worden. Oder billigt Hundstorfer, seines Zeichens Ex-Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und Ex-Vorsitzender der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, gar die Vorgangsweise der Gewerkschaft gegenüber Gernot Rainer?

 

Die Konsequenzen sind jedenfalls verheerend. Wir finden eine zweigeteilte Ärzteschaft vor: die einen resignieren und springen ab, die anderen üben die offene Revolte. Doch am demokratiepolitisch gefährlichsten ist, dass die von unseren Vorfahren in weiser Voraussicht etablierten Kontrollmechanismen nun einfach ausgehebelt werden. Wenn etwa die Gewerkschaft der Spitalsbediensteten, deren Vorsitzender der Fraktion der SPÖ angehört und gleichzeitig Gemeinderat ist, nicht mehr die Interessen ihrer Mitglieder, nämlich der Ärzte und Spitalsbediensteten, vertritt, sondern im Sinne des Arbeitgebers handelt, also in diesem Fall des KAV, dann hat sie keine Existenzberechtigung mehr. Dann ist sie korrumpiert und bestenfalls geeignet, ihre eigenen Günstlinge auf Steuerzahlers Kosten fürstlich zu versorgen.

 

Dr. Gernot Rainer hat ehrenvoll, mutig und richtig gehandelt, weil er ganz im Sinne der Patienten und Kollegen Missstände aufgezeigt und beim Namen genannt hat. Durch die Gründung seiner Ärztegewerkschaft Asklepios hat er eine bestens funktionierende Alternative zur mutmaßlich korrumpierten und parteipolitisch instrumentalisierten Gewerkschaft der Gemeindebediensteten ins Leben gerufen, die nur mehr als willfährige Vollstreckerin von Arbeitgeberinteressen fungiert. Damit hat sich der engagierte Arzt den Zorn der Mächtigen zugezogen, die nun alles versuchen, einen unliebsamen „Störenfried“ mundtot zu machen. Umso anerkennenswerter ist Dr. Rainers Initiative, die als Versuch zu sehen ist, alte Tugenden und Solidarität mit neuem Leben zu füllen

 

Doch nicht nur moralisch ist die Entscheidung des KAV – und damit des roten Politestablishments in Wien – verwerflich, sie ist auch rechtlich problematisch. Grundsätzlich erlischt ein Dienstverhältnis nach Ablauf des vereinbarten Dienstvertrages, allerdings unterliegt die Ablehnungsbegründung in ein unbefristetes Dienstverhältnis besonderen, im Gleichbehandlungsgesetz normierten Voraussetzungen. Vor allem ist jegliche, von der Arbeitsleistung getrennt zu sehende, Diskriminierung unzulässig. Das Gesetz sieht folgende Diskriminierungsgründe vor: die ethnische Zugehörigkeit, die Religion oder Weltanschauung, das Alter, die sexuelle Orientierung, eine Behinderung und/oder das Geschlecht. Bei Dr. Rainer ist, da er eine ausgezeichnete fachliche Bewertung erhalten hat, eine Diskriminierung aufgrund seiner politischen Weltanschauung oder sozialpolitischen Einstellung anzunehmen. Die Begründung des KAV, es fehle Dr. Rainer an der „Identifikation mit den Gesamtinteressen der Stadt Wien“ verstößt gegen § 16 Abs 2 des Wiener Gleichbehandlungsgesetzes, und es kann somit auf die Feststellung des unbefristeten Bestehens des Arbeitsverhältnisses geklagt werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Gesundheit folgende

 

 

Anfrage

 

 

1.        Welches Gremium entscheidet über Abschluss und Verlängerung von Dienstverträgen innerhalb des Wiener Krankenanstaltenverbundes?

2.        Wie oft tritt es zusammen und zu welchen Zwecken?

3.        Welche Personen sitzen in diesem Gremium?

4.        Welche Verdienste bzw. fachliche Expertise qualifiziert diese Personen zu ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit?

5.        Wurden diese Personen von politischen Parteien nominiert oder wurde von den Parteien Einfluss auf die Rekrutierung genommen?

6.        Wenn ja, welche Personen sind dies bzw. zu wessen Gunsten wurde interveniert?

7.        Existiert ein solches Gremium nur für den Bereich des Wiener Krankenanstaltenverbundes oder auch in ähnlicher Gestalt in anderen Bundesländern?

8.        Wenn ja, lassen sich die hier für den Wiener KAV formulierten Fragen ähnlich beantworten?