8369/J XXV. GP

Eingelangt am 24.02.2016
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

 

 

betreffend Objektivität der Staatsanwaltschaft und des Weisungsrates

 

Unter dem Titel „Freispruch für Westenthaler“ berichtete der ORF am 6.3.2015 (http://wien.orf.at/news/stories/2698165/) über einen Prozess gegen Ing. Peter Westenthaler, welcher am Landesgericht für Strafsachen Wien mit Freisprüchen in beiden Anklagepunkten und einer umfangreichen Begründung derselben durch den erfahrenen Vorsitzenden des Schöffensenats, Dr. Wolfgang Etl, beendet wurde. Diesem Bericht, aber auch anderen Artikeln (siehe bloß „Heute“ vom 7.3.2015 http://www.heute.at/news/wirtschaft/Westenthaler-fuehlt-sich-jahrelang-unschuldig-verfolgt;art23662,1132898) zufolge bezeichnete die Oberstaatsanwältin Dr. Barbara Schreiber die Zukunft Westenthalers „als düster.“

 

Am 12.2.2016 war der Wiener Zeitung zu entnehmen, dass die im oben genannten Verfahren von der Staatsanwaltschaft erhobene Nichtigkeitsbeschwerde von der Generalprokuratur unterstützt und die Aufhebung der Freisprüche empfohlen wurde.

 

Die Generalprokuratur vertritt die Interessen des Staates nicht als Anklagebehörde, sondern sie hat als Rechtswahrerin und somit als objektive Rechtsgutachterin für die richtige Anwendung des materiellen und formellen Rechts zu sorgen. Derzeit sind in dieser Behörde neben dem Leiter unter anderem drei Erste Generalanwälte tätig.

 

Leiter der Generalprokuratur ist seit 1.6.2014 Dr. Werner Pleischl, der davor nicht nur jahrelanger Mitarbeiter und Vorgesetzter von Dr. Barbara Schreiber war, sondern als Oberstaatsanwalt und Leiter der größten Anklagebehörde in Österreich auch die Verantwortung für die Ermittlungen sowie die Einbringung der Anklage gegen Ing. Peter Westenthaler trug.

 

Seit 1.1.2016 besteht bei der Generalprokuratur ein Weisungsrat, der unter anderem in Fällen mit außergewöhnlichem Interesse der Öffentlichkeit an einer Strafsache, insbesondere bei wiederholter und überregionaler medialer Berichterstattung zuständig ist und dessen Vorsitz der Generalprokurator einnimmt.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

 

Anfrage

 

  1. Entsprechen die zahlreichen übereinstimmenden Medienberichte, wonach die Oberstaatsanwältin Dr. Barbara Schreiber Ing. Peter Westenthaler eine „düstere Zukunft“ prophezeite, der Wahrheit?
    1. Wenn „JA“: Wie lässt sich eine Vorhersage über Zukünftiges und somit Ungewisses mit den Grundsätzen der Objektivität und Wahrheitsforschung (§ 3 StPO), welche gerade auch für die Staatsanwaltschaft gelten, in Einklang bringen?
  2. In welchem organisatorischen und dienstrechtlichen Verhältnis zueinander standen Dr. Barbara Schreiber und Dr. Werner Pleischl zum
    1. Zeitpunkt der Einleitung der Ermittlungen gegen Ing. Peter Westenthaler?
    2. Zeitpunkt der Einbringung der Anklageschrift gegen Ing. Peter Westenthaler
    3. Zeitpunkt des ersten Prozesstages?
  3. Werden, vor dem Hintergrund, dass ein Richter objektiv zu entscheiden hat, daher nicht sein eigenes Urteil „überprüfen“ darf und von der Ausübung seines Amtes an einem Rechtsmittelgericht ausgeschlossen ist, wenn er selbst im Verfahren als Richter der ersten Instanz tätig gewesen ist (§ 43 (3) StPO) und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Generalprokuratur ebenfalls objektiv zu agieren hat, die Interessen des Staates in der Rechtspflege vertreten (§ 22 StPO), wenn der Leiter der Generalprokurator eine Stellungnahme (bzw. ein Croquis) zu einem Verfahren abgibt, das zu einem Zeitpunkt eingeleitet wurde, zu welchem er Leiter der Oberstaatsanwaltschaft war und das somit von ihm selbst bzw. unter seiner Verantwortung eingeleitet wurde?
    1. Wenn „JA“: Woraus ergibt sich (vor allem hinsichtlich des § 47 (1) StPO) die Unbefangenheit bzw. die Objektivität der Generalprokuratur, insbesondere des Leiters der Generalprokuratur, in dieser Konstellation?
    2. Wenn „JA“: Wodurch wird in dieser Konstellation ausgeschlossen, dass der Leiter der Generalprokuratur nicht bloß das von ihm bzw. unter seiner Verantwortung eingeleitete (und mit Freispruch beendete) Verfahren in dem Sinn „reparieren“ möchte, dass es im Zuge einer Durchführung einer neuen Verhandlung doch zu einer Verurteilung kommt?
  4. Haben Sie im oben angeführten Fall über die Befangenheit des Leiters der Generalprokuratur entschieden (§ 47 (3) StPO iVm. § 2 (1) StAG)?
    1. Wenn „NEIN“: Warum nicht?
  5. Wo ist die Geschäftsordnung des Weisungsrates (§ 29b (7) StAG) einsehbar?
  6. Welchen Inhalt hat die Geschäftsordnung des Weisungsrates (§ 29b (7) StAG)?
  7. Haben Sie im eingangs erläuterten Fall den Weisungsrat (etwa gem. § 29c (1) Z 3 StAG) „eingeschalten“?
    1. Wenn „JA“: Welchen Inhalt hat die Äußerung des Weisungsrates?
    2. Wenn „NEIN“: Warum nicht?
  8. Ist vor dem Hintergrund, dass zumindest der Vorsitzende des Weisungsrates in „Doppelverwendung“ steht, nämlich auch Generalprokurator sein muss und somit in Ausübung des letztgenannten Amtes Weisungen des Behördenleiters, als auch des Bundesministers für Justiz unterliegt, von diesem Beirat überhaupt eine unabhängige Entscheidung (bzw. Beratung) zu erwarten?

9.    Haben Sie (zu irgendeinem Zeitpunkt) im eingangs beschriebenen Fall zumindest eine Weisung erteilt?

a.    Wenn „JA“: An wen wurde diese gerichtet und welchen Inhalt hatte sie?