8374/J XXV. GP

Eingelangt am 24.02.2016
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Dr. Johannes Hübner und weiterer Abgeordneter an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres

 

betreffend: Wien als Drehscheibe der organisierten Geldwäsche

 

Seit Absetzung des – in der Aufdeckung der ukrainischen Korruptionsnetzwerke sehr aktiven – Geheimdienstchefs der ukrainischen Republik, Walentin Naliwaitschenko durch Präsident Petro Poroschenko kommen immer erschreckendere Details über das Ausmaß der Korruption und der Ausplünderung des ukrainischen Staates durch engste politische Mitarbeiter von Petro Poroschenko an die Öffentlichkeit. Diese weisen auf eine systematische Ausplünderung des eigenen Staates durch die ukrainische Staatsspitze und die Verschiebung der abgezweigten bzw. unterschlagenen Gelder in den ‚Westen‘ unter maßgeblicher Beteiligung österreichischer Briefkastenfirmen hin.

 

Über die Ereignisse wird inzwischen auch in westlichen Druck- und Online-Medien ausführlich berichtet. Beispielsweise geben wir in der Folge einen Artikel der Tageszeitung ‚Kurier‘, sowie einen Artikel der Internet-Zeitung ‚Heise Online‘, wieder:

Wilhelm Theuretsbacher schrieb am 16.12.2015 unter dem Titel „Justiz nimmt ukrainische Spitzenpolitiker ins Visier“ im Kurier:

„Die Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt (WKStA) ermittelt nun gegen ukrainische Oligarchen und mögliche Komplizen in Österreich. Es geht um Korruption und Geldwäsche im Zusammenhang mit Uran- und Titan-Geschäften zwischen Kasachstan, Ukraine und Russland, die über Wien organisiert werden sollen.

Hauptperson der Affäre ist der Oligarch und Vorsitzende des parlamentarischen Energieausschusses im Kiewer Parlament, Mykola Martynenko. Er gilt als Weggefährte des Präsidenten Petro Poroschenko und des Premierministers Arsenii Yatsenjuk.

Martynenko steht im Verdacht, über zwei Scheinfirmen in Wien Uran und Gas in die Ukraine zu liefern, und dabei gewaltige Gewinne einzustreifen. Außerdem soll er am selben Weg Titan für die Legierung von Waffenstahl aus der Ukraine nach Russland liefern. Das wäre verwerflich. Denn mit diesem Titan werden jene Waffen produziert, mit denen in der Ostukraine auf ukrainische Staatsbürger geschossen wird. Außerdem gilt ein EU-Handelsembargo gegen Russland.

Die Titan- und Uranlieferungen sollen über die Firma "Steuermann Investitions" in der Wiener Goldschmiedgasse fakturiert werden. Der Wiener Geschäftsführer, Wolfgang Eyberger, betont gegenüber dem KURIER, dass er Martynenko zwar kenne, dieser aber keinen Einfluss auf die Firma habe. Als Reaktion auf den folgenden KURIER-Artikel meldete sich aber der ukrainische Oligarch David Zhvania , der erklärte, dass er gemeinsam mit Martynenko die Firma gegründet habe, um Schleifmittel zu exportieren. Dass Martynenko jetzt auch mit Uran und Titan handle, habe er aus der Zeitung erfahren.

Auch österreichische Banken sollen involviert sein. Als erste Bank zog die Meinl-Bank am 4. Dezember mit einer Geldwäsche-Verdachtsmeldung gegen "Steuermann Investitions" die Notbremse. Darin wird festgehalten, dass für die Meinl-Bank nach eigenen Recherchen "der berechtigte Grund zur Annahme eines Verdachtes auf Geldwäsche" bestehe. Dazu liefert die Meinl-Bank ein Indiz für einen tatsächlich ukrainischen Hintergrund der Firma: Zur "Identität des wirtschaftlichen Eigentümers" ist eine gewisse Zhanna Grygorenko eingetragen. Die Dame wies sich mit einem ukrainischen Reisepass aus.

Am 9. Dezember lieferte die Meinl-Bank eine zweite Verdachtsmeldung an das Bundeskriminalamt nach. Dabei geht es um eine verdächtige Transaktion in der Höhe von 398.795 US-Dollar.

Oberstaatsanwalt Norbert Hauser von der WKStA bestätigt dem KURIER das Einlangen der Geldwäsche-Verdachtsmeldungen. Weiters erklärte er, dass die WKStA aufgrund von Medienberichten auch von Amts wegen tätig wurde, und nun gegen insgesamt drei Firmen ermittelt würde.

Die Wiener Staatsanwälte stehen vor höchst komplizierten Ermittlungen. Auf Unterstützung durch die ukrainische Justiz brauchen sie nicht zu hoffen.

Diese Erfahrung machten bereits ihre Kollegen von der Schweizer Bundesanwaltschaft. Auch sie ermitteln gegen Martynenko wegen mutmaßlicher Korruption, und beschlagnahmten 30 Millionen Euro auf einem Schweizer Bankkonto. Am 31. März sandten sie ein Rechtshilfeersuchen an die Generalprokuratur nach Kiew. Antwort haben sie bis heute keine erhalten. Die Generalstaatsanwaltschaft in Kiew wird von US-Diplomaten, die US-Vizepräsident Joe Biden bei seiner jüngsten Reise nach Kiew begleiteten, als "hochgradig korrupt" eingestuft. (….)“

Weiters veröffentlichte das Internet-Portal ‚Heise Online‘ einen seit 28.09.2015 abrufbaren Artikel von Ulrich Heyden, in dem unter anderem Folgendes zu lesen ist:

„Am 26. August begann eine für Poroschenko äußerst schmerzhafte Enthüllungswelle. Das ukrainische Internetportal "Vierte Macht", propagandistisch unterstützt von dem im Juni entlassenen ukrainischen Geheimdienstchef Walentin Naliwaitschenko, veröffentlichte brisante Überweisungsbelege. Nach diesen Dokumenten ist Ihor Kononenko, langjähriger Geschäftspartner des ukrainischen Präsidenten und stellvertretender Vorsitzender der Präsidentenpartei "Block Petro Poroschenko" (BBP) in zweifelhafte Geldüberweisungen an die Offshore-Firma Intraco Managment Ltd verwickelt.

Intraco hat seinen Sitz auf den britischen Virgin Islands. Am 9. September wurden die Enthüllungen des ukrainischen Internet-Portals von dem in London ansässigen Analyse-Zentrum bne IntelliNews ergänzt und weiter ausgeführt.

Wer ist nun Poroschenkos Geschäftspartner Ihor Kononenko? Der 50jährige Abgeordnete und Unternehmer ist seit Langem enger Vertrauter des ukrainischen Präsidenten. Die beiden kennen sich noch aus der Armeezeit. Zusammen leiteten sie die "Internationale Investitionsbank". Über die Finanzgesellschaft WIK kontrolliert Kononenko sieben Unternehmen aus den Branchen Bau, Hotel und Handel. Der stellvertretende BBP-Fraktionschef ist Mitglied des Energie-Komitees der Werchowna Rada. Außerdem ist er zuständig für die Beziehungen des ukrainischen zum österreichischen Parlament.

Nach den Enthüllungen des Portals "Vierte Macht" hat die Offshore-Firma Intraco in den Jahren 2012 bis 2015 große Beträge in ausländischer Währung gezahlt. Außerdem habe die Firma größere Summen erhalten. In Überweisungsformularen war der Name des BBP-Fraktionsführers Igor Kononenko angegeben. Von den Konten der Offshore-Firma seien auch Überweisungen an Daria Kononenko, der Tochter des Fraktionschefs, getätigt worden. Das ukrainische Internetportal Vierte Gewalt veröffentliche auch Überweisungsbelege.

Von den Intraco-Konten wurden auch die Wartung und die Halle für das Flugzeug bezahlt, mit dem der ukrainische Präsident Poroschenko reiste. Nach den Enthüllungen von "Vierte Macht" hat die Offshore-Firma Intraco größere Geldbeträge von bis zu einer halben Million Euro auch noch erhalten, als Poroschenko bereits Präsident der Ukraine war. Nach russischen Medienberichten war der Chef von Intraco, Geoffrey Magistrate, ein alter Geschäftsfreund von Poroschenko. Magistrate soll noch 2005 US-Staatsbürger gewesen sein, lebe aber jetzt auf Zypern, wo er die Offshore-Geschäfte von Poroschenko regelt.

Die Enthüllungen Internet-Portals "Vierte Macht" wurden noch am gleichen Tag (26. August) von niemand Geringerem als dem Ende Juni von Präsident Poroschenko entlassenen Geheimdienst-Chef Walentin Naliwaitschenko unterstützt. Auf seiner Facebook-Seite bedankte sich Naliwaitschenko bei dem Autor der Enthüllungen, Denis Kasanski, für seine "unerschütterliche Position" im Kampf gegen die Korruption. Als Experte könne er sagen, das von Kasanski veröffentlichte Material beweise, "dass Igor Kononenko, einer der Führer von BBP (Block Petro Poroschenko, U.H.), regelmäßig große Summen ausländischer Währungen in Offshore-Zonen überweist".

Kononenko sei "einer der Gründer der Unternehmen Ukrprominvest sowie der Offshore-Firmen Intraco und Ernion Business. Über diese Firmen wird schmutziges Geld gewaschen", so der Ex-Geheimdienstchef. Alle Bürger der Ukrainer müssten verstehen, dass diese Offshore-Firmen die "schwarzen Kassen der politischen Korruption" seien. Für die Geldwäsche würden "österreichische und lettische Banken genutzt".

 

Angesichts dieser offenkundigen Verwicklung von Wiener Briefkastenfirmen – und damit der Republik Österreich – in die massive ukrainische Staatskorruption und angesichts des Umstandes, dass der ukrainische Staat Milliardenhilfen aus Quellen der Europäischen Union, sowie des Internationalen Währungsfonds bezieht (und nach den bestehenden Abkommen noch beziehen wird), erscheint ein Tätigwerden des österreichischen Außenministeriums geboten. Weitere Geldtransfers aus Quellen, die unter anderem mit österreichischen Steuergeldern „gespeist“ werden, erscheinen derzeit nicht vertretbar. Anzeichen für den Beginn eines Kampfes gegen die Korruption in der Ukraine bestehen nicht. Die Rücktritte der wenigen, nicht in Korruptionspraktiken verstrickten, Politiker (zuletzt auch eines Ministers) deuten auf eine sich laufend verschlechternde Lage hin.

 

In diesem Zusammenhang richten die nachstehend unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres folgende

 

Anfrage:

 

1.         Ist das österreichische Außenministerium – sei es auf diplomatischer, sei es auf ministerieller Ebene – bei den ukrainischen Behörden vorstellig geworden, um Aufklärung über das Ausmaß der Veruntreuung von staatlichen Geldern und die dagegen ergriffenen Maßnahmen zu erwirken?

 

2.         Wenn ja, was waren die Ergebnisse?

 

3.         Wenn nein, sind Ihnen diesbezügliche Schritte anderer österreichischer Ministerien bekannt?

 

4.         Haben Sie mit europäischen Partnerländern die Frage der Vertretbarkeit weiterer Finanzhilfen an die ukrainische Regierung durch Institutionen der Europäischen Union besprochen?

 

5.         Wenn ja, haben Sie sich für eine Überprüfung oder gar Aussetzung weiterer Zahlungen ausgesprochen und welche Reaktionen der Gesprächspartner hat es gegeben?

 

6.         Wenn nein, liegen Ihnen Informationen über derartige Kontaktaufnahmen durch andere Ministerien vor?

 

7.         Sind Sie – angesichts des Umstandes, dass der ukrainischen Regierung nahe stehende Kreise offenbar selbst Vormaterialien für Rüstungsgüter an die russische Föderation liefern und angesichts der offenkundigen Unwilligkeit der ukrainischen Staatsspitze, gegen die beispiellose Korruption vorzugehen – der Ansicht, dass auf europäischer Ebene auch Sanktionen gegen die Ukraine überlegt werden sollen?