8459/J XXV. GP

Eingelangt am 01.03.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Sigrid Maurer, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Arbeitserlaubnis für drittstaatsangehörige Hochschulabsolvent_innen

BEGRÜNDUNG

 

Der gesamtösterreichische Universitätsentwicklungsplan 2016-2021 beschreibt die „Erhöhung der Internationalisierung des österreichischen Hochschulsystems“ als Ziel. Aus den beschriebenen Teilzielen geht hervor, dass Internationalisierung ausschließlich als sog. „outgoing“-Mobilität verstanden wird: Einzig die Erhöhung der Zahl der Studierenden, die „aus Österreich“ mobil werden, ist in „System-Ziel 7“ erfasst (BMWFW: Der gesamtösterreichische Universitätsentwicklungsplan 2016-2021. Überblicksdarstellung; S. 8).

Darin spiegelt sich die Vorstellung von Internationalisierung als Einbahnstraße wider. Es zeugt nicht von Vertrauen in die Qualität der österreichischen Universitäten, wenn eine Verbesserung des österreichischen Hochschulsystems dadurch erhofft wird, dass möglichst viele Studierende das Land verlassen um im Ausland zu studieren. Dessen ungeachtet ist die Vorstellung monodirektionaler Internationalisierung überholt.

Das Konzept des „Brain Gain“ (dem ja immer auch ein „Brain Drain“ gegenübersteht) ist heute obsolet. Stattdessen wird „Brain Circulation“ angestrebt:

[…] Die räumliche Mobilität von Humankapital und deren Komplexität spiegeln sich im Konzept der „Brain Circulation“ wider. Durch „Brain Circulation“ entstehen permanente Neukombinationen von Wissen, aus denen Ideen und Innovation entstehen können. Eine höhere Diversität hinsichtlich Ethnie, Wertvorstellung, Arbeitsstil etc. wirkt sich dabei günstig auf die Entstehung und Weitergabe neuen Wissens aus, weshalb [Standorte] zunehmend einen Anstieg der Diversität anstreben. International mobile Studierende, WissenschaftlerInnen und SpitzenforscherInnen erhöhen die Diversität und bringen neues regional verfügbares Wissen mit. […]“

(Susanne Meyer, Helmut Gassler, Christian Reiner: „Wiener Karrieren“. Räumliche Mobilität, Diversität und Produktivität von Wiener WissenschaftlerInnen; Graz 2012, S. 5)

Österreich hat dafür an sich beste Voraussetzungen, denn die Zahl ausländischer Studierender – und ausländischer Absolvent_innen – ist im internationalen Vergleich hoch. Allerdings stellt Österreich Universitätsabsolvent_innen, die keinen österreichischen oder EU-Reisepass besitzen, nach wie vor große Hürden in den Weg, wenn sie nach Abschluss ihres Studiums bleiben und erwerbstätig sein wollen.

Migrationsexperte Heinz Fassmann bezeichnet ausländische Absolvent_innen als ideale ZuwanderInnen:

 

„Wir müssen die Realität anerkennen“

[…] „Ausländische Absolventen heimischer Universitäten wären für mich ideale Zuwanderer. Sie sind ausgezeichnet qualifiziert, haben das System Österreich schon im Laufe des Studiums kennengelernt und beherrschen auch die deutsche Sprache. Wir sollten uns bemühen, dass diese Personen in Österreich erwerbstätig werden. Da sind die derzeitigen Regelungen aber nicht gerade freundlich. Deutschland oder die Niederlande sind viel großzügiger. Vor allem das Sozialministerium muss umdenken. Das Primat der bevorzugten Inländerbeschäftigung funktioniert angesichts eines offenen Europa nicht mehr.“ […] (Interview im Trend vom 29. Juni 2015)

 

 

In Deutschland wurde erkannt, dass eine wissensbasierte Wirtschaft und Gesellschaft schlecht beraten ist, Menschen teuer auszubilden und als Hochqualifizierte fortzuschicken. Dort wurde es den Absolvent_innen aus Drittstaaten daher leichter gemacht, im Land zu bleiben: Die Frist, einen passenden Arbeitsplatz zu finden, wurde auf 18 Monate verlängert; Arbeitsmarktverträglichkeitsprüfungen wurden ebenso gestrichen wie das erforderliche Mindestgehalt. Hinter diesen und ähnlichen Maßnahmen steht das Ziel einer Willkommenskultur.

Eine solche haben auch Sie sich zum Ziel gesetzt: „Daher müssen wir sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen und eine entsprechende Willkommenskultur leben.“ (Kurier vom 19. November 2014) Allerdings scheiterten Sie bislang – zuletzt im Herbst vergangenen Jahres:

 

Job-Erleichterung für Uni-Absolventen aus dem Ausland abgesagt

Eine im Rahmen der Asylnovelle geplante Änderung im Aufenthaltsgesetz, die es Studierenden aus Nicht-EU-Ländern erleichtert hätte, nach ihrem Abschluss in Österreich zu bleiben und hier zu arbeiten, wurde nun wieder abgesagt. Die Neuerung sollte drittstaatangehörigen Studienabsolventen ermöglichen, bis zum Abschluss ihres – vor Jobantritt durchzuführenden – Schlüsselkraftverfahrens im Land zu bleiben, auch wenn das Verfahren länger als die ihm eingeräumten sechs Monate dauert.

 

Die Änderungen wurden im Innenministerium auf Betreiben des Sozialministeriums aus der Novelle wieder herausgestrichen, bevor das Gesetz am Dienstag durch den Ministerrat ging. Man wolle keinen Vorgriff aus die angepeilte Weiterentwicklung der Rot-Weiß-Rot-Karte für ausländische Studierende, erfuhr der Standard aus dem Sozialministerium. Ein Berater spricht von fortgesetztem Braindrain aus Österreich. (Der Standard vom 24. April 2015)

Die Zuständigkeit für die Materie teilen Sie sich mit dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Die Wiener Zeitung berichtete am 1. Oktober 2014 in diesem Zusammenhang: „Man sei in diesem Punkt „offen und gesprächsbereit“ heißt es auch aus dem Büro des Wissenschaftsministers auf Anfrage der „Wiener Zeitung“. Dort spricht man von einer „Willkommenskultur“, betont jedoch, die Zuständigkeit liege im Sozialministerium.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie viele ausländische Studierende haben 2015 an einer österreichischen Hochschule studiert (sog. „Incomings“)?

a.    Wie viele davon kamen aus Deutschland und der Schweiz?

b.    Wie viele davon kamen aus

 

2)    Streben Sie eine Erhöhung dieser Zahl – ähnlich wie bei den sog. „Outgoings“, also denen, die „aus Österreich“ mobil werden – an?

 

3)    Wie viele Studierende österreichischer Hochschulen (sog. „Outgoings“) haben 2015 an einer Hochschule im Ausland studiert?

 

4)    Wie war das Verhältnis zwischen „Incomings“ und „Outgoings“ im Jahr 2015?

 

5)    Welches Verhältnis zwischen „Incomings“ und „Outgoings“ streben Sie an?

 

6)    Wie viele Studierende aus Drittstaaten haben 2014 ein Studium an einer österreichischen Hochschule abgeschlossen?

 

a.    Wie viele davon leben immer noch in Österreich?

 

b.    Wie viele partizipieren am österreichischen Arbeitsmarkt?

 

c.    Wie viele davon haben eine Rot-Weiß-Rot-Karte beantragt?

 

                                  i.    Wie viele davon haben eine Rot-Weiß-Rot-Karte erhalten?

                                ii.    Wie vielen davon wurde eine Rot-Weiß-Rot-Karte verweigert?

 

7)    Wie viele Absolvent_innen österreichischer Hoschulen aus Drittstaaten, die ihr Studium 2014 abgeschlossen haben, haben Österreich seither verlassen?

 

a.    Wie viele sind ein Jahr nach Abschluss ihres Studiums immer noch in Österreich?

 

b.    Wie hoch ist die Bleibequote?

 

8)    Hat es in der Angelegenheit gesetzlicher und/oder verwaltungstechnischer Reformen des Arbeitsmarktzugangs für Hochschulabsolvent_innen aus Drittstaaten Verhandlungen mit dem ehem. Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Rudolf Hundstorfer, gegeben?

 

a.    Wenn ja, was war und ist Ihr Verhandlungsziel und Ihre Verhandlungsposition?

 

b.    Wenn ja, gibt es konkrete Ergebnisse dieser Verhandlungen?

 

                                  i.    Wenn ja, wie beschreiben Sie die Ergebnisse dieser Verhandlungen?

                                ii.    Wenn nein, wann rechnen Sie mit Ergebnissen dieser Verhandlungen?

 

c.    Wenn nein, sind solche Verhandlungen mit dem neuen Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Alois Stöger, geplant?

 

                                  i.    Wenn ja, wann sollen diese Verhandlungen stattfinden?

                                ii.    Wenn nein, warum nicht?

 

9)    Sind Sie dafür, den Zugang zum Arbeitsmarkt für Hochschulabsolvent_innen aus Drittstaaten zu vereinfachen?

 

10)  Sind Sie dafür, den Verbleib in Österreich für Hochschulabsolvent_innen aus Drittstaaten zu vereinfachen?

 

11)  Erachten Sie es als sinnvoll, Teile der einschlägigen Gesetzeslage in Deutschland in Österreich zu übernehmen?

 

12)  Halten Sie es für möglich, noch in dieser Gesetzgebungsperiode des Nationalrats Teile der einschlägigen Gesetzeslage in Deutschland in Österreich zu übernehmen?

 

13)  Woran scheitert die Umsetzung einer Willkommenskultur in Bezug auf Hochschulabsolvent_innen aus Drittstaaten?