8468/J XXV. GP

Eingelangt am 02.03.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Matthias Köchl, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend WKO Pfuschjäger ohne Rechtsgrundlage in Tirol

BEGRÜNDUNG

 

Die Tiroler Tageszeitung berichtete unlängst in mehreren Artikeln über die „Pfuschjagd“ der Wirtschaftskammer Tirol. Hierbei wurde gleich eine Reihe von zweifelhaften Praktiken der Tiroler Wirtschaftskammer beschrieben.

Das Referat „für Wettbewerbsschutz“ wurde 2004 bei der Wirtschaftskammer Tirol eingerichtet, um Schwarzarbeit zu bekämpfen. Die dort angestellten MitarbeiterInnen werden  aufgrund von Hinweisen tätig und gehen aufgrund jener Hinweise einer Art „Detektivtätigkeit“ nach: sie kontrollieren Baustellen, überprüfen dort Personalien der Arbeiter, fotografieren aber auch Ausweise und „sichern“ Beweismittel[1]. Auch zu den finanziellen „Erfolgen“ dieser Aktionen und kolportierte „Kopfgeldprämien“ existieren Angaben: „Den Ermittlungen der „Pfuschbekämpfer“ folgen oft Anzeigen bei der Finanzpolizei, die eingehobenen Strafgelder fließen an die Wirtschaftskammer. 2013 etwa berichtete die Kammer in einer Pressekonferenz über die Bilanz ihrer Schwarzarbeitsjäger: 2012 gab es demnach nach Ermittlungen der Pfuschbekämpfer 400 Anzeigen bei den Behörden, es flossen 200.000 Euro an Strafgeldern. Rechnet man dies auf die letzten zehn Jahre hoch, kommt man auf gut zwei Millionen Euro an Strafgeldern für die WK Tirol.“[2]

Die zentrale Frage vorab lautet allerdings: Darf die Wirtschaftskammer als eine Art Polizei auftreten? Die WKO beruft sich auf das Wirtschaftskammergesetz, welches der WKO die Möglichkeit der „Beseitigung oder Verhütung von Gewohnheiten“ einräumt, die „dem lauteren und leistungsgerechten Wettbewerb unter den Mitgliedern im Wege stehen“. Allerdings bezieht sich diese Formulierung im §43 (3) Z.2 Wirtschaftskammergesetz auf die Definition von fachlichen Angelegenheiten im Sinne des Wirkungsbereichs der Fachgruppen. Auch der Innsbrucker Anwalt und Arbeitsrechtsexperte Thomas Praxmarer sieht darin keine ableitbare Berechtigung zu Exekutivtätigkeiten für die WKO: „Deren „Schwarzarbeitsjäger“ hätten keinerlei rechtliche Befugnis, Personenkontrollen durchzuführen, Baustellen oder Geschäftsräume zu betreten und dergleichen. „Die Wirtschaftskammer handelt hier seit Jahren ohne jede Rechtsgrundlage“, kritisiert der Anwalt. „Die Mitarbeiter des Referats für Wettbewerbsschutz gelten rechtlich als reine Privatpersonen ohne Behördenstatus. Die Wirtschaftskammer hat hier Privatpersonen angestellt, um Kontrollen durchzuführen.““[3] und auch Christian Winder, Vizepräsident der Tiroler Rechtsanwaltskammer, sieht die WKO hier ihre Kompetenzen übertreten: „Das Wirtschaftskammergesetz legt für den Wirkungsbereich der Kammer die Spielregeln fest, darin sind Hausdurchsuchungen, Ausweiskontrollen oder das unerlaubte Betreten von Baustellen nicht vorgesehen.“[4]

Dass eine eigene „Pfuschpolizei“ rechtlich kaum gedeckt ist, sollte der Wirtschaftskammer dabei bekannt sein. Auch Dr. Albin Larcher, Vizepräsident des Landesverwaltungsgerichts Tirol, führt aus[5]:  „Wir haben sie schon vor Jahren nach einer Anfrage aus der Wirtschaftskammer darauf hingewiesen, dass ihre Mitarbeiter des Wettbewerbsschutzes keine über das Jedermannsrecht hinausgehende Befugnisse haben“.

Das heißt: die „Pfuschjäger“ dürfen genauso viel oder wenig kontrollieren wie jede andere Privatperson auch. Genau hier scheint aber aktuell die Problematik zu liegen – die eng gesetzten Grenzen sind gerade im Falle einer solchen „Wirtschaftskammer-Polizei“ streng auszulegen: „Erwecken die „Pfuschjäger“ bei ihren Kontrollen den Eindruck, dass die Arbeiter ihre Personalien preisgeben müssen, weil etwa andernfalls Konsequenzen drohen, haben die Pfuschjäger „ein Problem“, so Larcher: „Für die Organe der Wirtschaftskammer gibt es keine Grundlage, damit sie eine solche Zwangsgewalt ausüben dürfen.““ Selbst wenn die „Verdächtigen“ ihre Daten völlig freiwillig hergeben (was rechtlich zulässig ist) stellt sich die Frage: “Wie weit geht das Feststellen der Identität? Die Wirtschaftskammer benötigt vielleicht die Identität des Unternehmers, die Daten der fünf Gehilfen sind irrelevant“[6]

Dazu kommt: Die zuvor erhobenen und „gesicherten“ Daten und Beweismittel werden im Computersystem der WKO gespeichert, was wiederum aus Datenschutzgründen als heikel gilt. So sieht Anwalt Thomas Praxmarer die Vorgehensweise der Wirtschaftskammer auch aus diesem Grund kritisch: „Im Lauf der Jahre seien mehr als 100.000 Fotos zu rund 15.000 Fällen gespeichert worden. „Wo und wie lange werden die Daten gespeichert, für wen sind sie einsehbar?“


Auch wenn laut WKO dem Gros der MitarbeiterInnen „nur neutralisierte Daten“[7] zur Verfügung stehen, so stehen dem Dokumente gegenüber, die detaillierte Datenangaben für das WKO CRM System vorsehen: „Von neutralisierten Daten sei in der Klageschrift der Wirtschaftskammer aber keine Rede, so Praxmarer. Vielmehr werde dort neben der expliziten Beschreibung, wie die Kontrollen durchzuführen sind (Fotos schießen, vor Ort über Bauherren und angetroffene Personen ermitteln etc.), festgehalten, dass sämtliche Daten sehr wohl im CRM-System zu speichern seien: Fotos, Daten über Bauherren, die bei Kontrollen angetroffenen Personen. Für Praxmarer stellt sich daher auch die Frage nach dem Datenschutz: „Was passiert mit all diesen Daten?““[8]

Auch die ARGE Daten sieht die Datensammlung der WKO kritisch und führt aus: „Nach Ansicht des Datenschutzexperten Hans Zeger von der ARGE Daten hätte die Wirtschaftskammer die Erfassung und Speicherung dieser Daten bei der Datenschutzbehörde entsprechend dem Datenschutzgesetz anmelden müssen, was aber nicht geschehen sei. „Diese Datenanwendung ist bei der Datenschutzbehörde meldepflichtig und auch vorab kontrollpflichtig. Das hat die Wirtschaftskammer aber nicht getan“, sagt Zeger. „Die Kammer müsste erklären, warum sie glaubt, dass diese Datenanwendung rechtmäßig ist. Ich jedenfalls sehe keine Rechtsgrundlage dafür.““ Im Datenverarbeitungsregister der Datenschutzbehörde hat die Wirtschaftskammer Tirol durchaus Datenanwendungen angemeldet, ein Tool zur Verwaltung von „Pfuscher“-Daten scheint dagegen nicht auf[9].

Die Pfuschbekämpfung an sich ist lobenswert – allerdings nur durch jene öffentliche Stelle, die auch dazu befugt ist. Nur sie kann einerseits die passenden Mittel ergreifen und andererseits eine transparente, gesetzeskonforme Abwicklung garantieren. Im vorliegenden Falle der Pfuschbekämpfung ist dies die Aufgabe der Finanzpolizei. Deren Ausstattung freilich muss adäquat sein, um wirkungsvoll Schwarzarbeit zu bekämpfen. Hieran gibt es in Tirol Zweifel – so kritisiert Tirols ÖGB-Chef Otto Leist: „Die 60 Planstellen in Tirol sind zu wenig. Es gibt vor allem in Landwirtschaft, Bau und Gastronomie Probleme.“[10]

Wir Grüne halten die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegalem Gewerbe für wichtig und richtig. Allerdings muss sie mit korrekten rechtlichen Mitteln und auf gesetzlicher Basis erfolgen. Ob die Vorgangsweise der Wirtschaftskammer Tirol diese Kriterien erfüllt, soll durch diese Anfrage überprüft werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

 

1)    Auf welcher gesetzlichen Basis erfolgen die geschilderten „Pfuschkontrollen“ des Referates für Wettbewerbsschutz der Wirtschaftskammer Tirol?

2)    Auf welcher gesetzlichen Basis erfolgt die Datenerhebung und Datenspeicherung?

3)    Wie viele Anzeigen sind seit der Einrichtung des Referates für Wettbewerbsschutz gemacht worden? (Geben Sie bitte einen groben Überblick über die Sparten / Branchen, die betroffen sind bzw. über die Verteilung der Anzeigen; Bitte um Aufschlüsselung nach Kalenderjahren)

4)    Wie viele Strafgelder sind seit 2004 an die WKO (auch durch die Finanzpolizei eingehobene und an die WKO weitergegebene Gelder) geflossen? (Bitte um Aufschlüsselung nach Kalenderjahren)

5)    Welche Kosten (Personalkosten, Bürokosten, Fahrtkosten, etc.) verursachten die „Pfuschjäger“ seit 2004? (Bitte um Aufschlüsselung nach Kalenderjahren und Kostenart)

6)    Wie viele MitarbeiterInnen waren seit 2004 pro Jahr als „Pfuschjäger“ eingesetzt? (Bitte um Angabe in Köpfen, Aufschlüsselung nach „überwiegend“ und „teilweise“ als „Pfuschjäger“ eingesetzte MitarbeiterInnen).

7)    Teilen Sie die Meinung, dass die „Pfuschjäger“ reine Privatpersonen ohne Behördenstatus sind? Wenn nein, wieso nicht?

8)    Welche erlaubten Tätigkeiten umfasst die Formulierung im § 43 Abs. 3 des Wirtschaftskammergesetzes (auf diese Bestimmung beruft sich die WK-Tirol), dass die Kammer „die Sicherung der Chancengleichheit der Mitglieder im Wettbewerb, insbesondere die Beseitigung oder Verhütung von Gewohnheiten, Gebräuchen und Neuerungen, welche dem lauteren und leistungsgerechten Wettbewerb [...] im Wege stehen, zu gewährleisten“ habe?

9)    Teilen Sie die Meinung, dass im Besonderen Hausdurchsuchungen, Ausweiskontrollen oder das unerlaubte Betreten von Baustellen durch § 43 Abs. 3 gedeckt sind? Wenn ja, woraus leiten Sie diese Position ab?

10) Wurde die Datenanwendung bei der Datenschutzbehörde gemeldet? Wenn ja, was wurde alles gemeldet? Wurde im Besonderen die Erfassung und Speicherung der „Pfuscher“ Daten genehmigt? Wenn ja, aufgrund welcher gesetzlichen Bestimmungen? Wenn nein, was sind die Konsequenzen daraus?


11) Teilen Sie die Meinung von Dr. Albin Larcher, Vizepräsident des Landesverwaltungsgerichts Tirol? Wenn ja, welche Schritte werden Sie gegenüber der Wirtschaftskammer Tirol setzen? Wenn nein, weshalb nicht?

12) Teilen Sie die Meinung von ÖGB-Chef Otto Leist, der die ‚Pfuschbekämpfung‘ ausschließlich als Aufgabe der Finanzpolizei sieht?

13) Wie viele Planstellen zur Pfuschbekämpfung hat die Finanzpolizei in Tirol? Wie viele dieser Planstellen waren seit 2004 besetzt? (bitte um Aufstellung pro Kalenderjahr)

14) Sind Sie bereit, die Planstellen in Tirol zu erhöhen, wo es lt. ÖGB-Chef Leist vor allem in den Bereichen  Landwirtschaft, Bau und Gastronomie Probleme gibt? Wenn ja, um wie viele Stellen? Wenn nein, weshalb nicht?



[1] 2  „Pfuschjägern fehlt die Rechtsgrundlage“, Tiroler Tageszeitung, 15.2.16 - http://www.tt.com/wirtschaft/11122770-91/pfuschj%C3%A4gern-fehlt-rechtsgrundlage.csp

 

[3] Und 4 und 7 „Pfuschjägern fehlt die Rechtsgrundlage“, Tiroler Tageszeitung, 15.2.16 - http://www.tt.com/wirtschaft/11122770-91/pfuschj%C3%A4gern-fehlt-rechtsgrundlage.csp

 

 

2 Und [6] Albin Larcher in der TT am 16.2.16: http://www.tt.com/home/11127510-91/richter-warnte-vor-pfuschjagd-der-wirtschaftskammer.csp

 

[8] http://www.tt.com/wirtschaft/11122770-91/pfuschj%C3%A4gern-fehlt-rechtsgrundlage.csp

[9] https://www.tt.com/wirtschaft/standorttirol/11141818-91/datensch%C3%BCtzer-kritisiert-pfuschjagd-der-kammer.csp

[10] Otto Leist in der TT am 16.2.16: http://www.tt.com/home/11127510-91/richter-warnte-vor-pfuschjagd-der-wirtschaftskammer.csp