8600/J XXV. GP

Eingelangt am 11.03.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Stefan

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien

betreffend Islamgesetz 2015

 

Der „Verein zur Förderung der Völkerverständigung“ äußerte in einem Rundschreiben vom 18. Februar 2016 schwerwiegende Kritik an der neuen Verfassung und Glaubenslehre der sunnitischen „Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“. Dabei konnten schwere Rechtsverstöße und Demokratiedefizite ausgemacht werden, wie es im Folgenden zu lesen ist: 

 

„Sehr geehrter Herr Bundesminister!

 

Wir sind eine international anerkannte Friedensorganisation, die mit ECOSOC consultative status bei der UNO und in der OSZE sowie EU-Grundrechteagentur akkreditiert, und der europäischen Rechtsordnung, dem Europäischen System der Gesetze, dem Grundsatz der Trennung von Staat und Religion, dem Verbot der Diskriminierung in der EU, sowie den Menschenrechten verpflichtet ist.

Die Grundlagen unserer Arbeit sind die UN-Charta und das EU-Recht. Ein wichtiger Teil unserer Tätigkeit umfasst das Thema „Islam“.

Anlass unseres Schreibens ist die neue Verfassung und Glaubenslehre der „Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“, welche der Kultusbehörde zur staatlichen Genehmigung vorgelegt worden ist.

 

1.

Wie uns bekannt wurde, umfasst die Glaubenslehre der IGGiÖ nur rund 4 Seiten (etwa 7500 Zeichen).

Demgegenüber musste die „Islamische Schiitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (SCHIA)“ der Kultusbehörde im Bundeskanzleramt eine Koran- und Hadithe-Übersetzung mit rund 1000 Seiten vorlegen. Den Erläuterungen (S.3, Abs.6) der Kultusbehörde im Bundeskanzleramt zum Islamgesetz 2015, welche Bestandteil dieses Gesetzes sind, ist an relevanter Stelle (zu § 6 Ziffer 5) zu entnehmen:

„Diese Texte stellen für künftige Verfahren eine wichtige Quelle zur Klärung der Frage, ob eine Lehre, die sich von einer Bestehenden unterscheidet, vorliegt, dar.“

Das bedeutet, dass die IGGiÖ keine ausreichenden Glaubensgrundlagen dem Staat zur konfessionellen Zuordnung und rechtmäßigen staatlichen Genehmigung vorgelegt hat.

Dadurch ist die IGGiÖ nicht in der Lage, den sunnitischen und schiitischen Muslimen die Glaubenslehre ihrer verschiedenen Denominationen allgemein gültig, anerkannt, verständlich und für Jedermann nachvollziehbar darzulegen.

 

2.

Auf Grund der fehlenden verbindlichen festgelegten Darstellung der konfessionellen Glaubenslehren ist zu erwarten, dass nach Genehmigung dieser diffusen nur vierseitigen Glaubenslehre in vielen islamischen Gebetshäusern unter dem Deckmantel der IGGiÖ unterschiedliche islamische Glaubenslehren verbreitet werden.

Wegen der demonstrativ erwähnten Vielzahl der Glaubenslehren in der neuen IGGiÖ-Verfassung, ist zu erkennen, dass es sich nicht um eine homogene Glaubensgemeinschaft handelt, sondern um eine Holding von unterschiedlichen Glaubenslehren, die zueinander in unauflöslichem Widerspruch stehen, und deren Einzelglaubenslehren von der IGGiÖ nicht dargelegt worden sind.

Unserer Auffassung ist dies rechtswidrig und widerspricht den Grundsätzen des Islamgesetzes 2015.

Mit der kurzen Darstellung der diffusen Inhalte der Glaubenslehre wird unserer Ansicht nach der Versuch gemacht, vorhandene unüberbrückbare Widersprüche der einzelnen Glaubens-Gruppierungen nach außen zu verdecken, was zwischen diesen zu religiösen, politischen und anderweitigen Konflikten führen wird.

 

3.

Laut § 6 Abs.1 Ziffer 5 des Islamgesetzes 2015 ist die Darstellung der Lehre nicht einfach nur in allgemeiner Form, sondern unter Beifügung der Texte der wesentlichen Glaubensquellen vorzunehmen, wobei ausdrücklich der Koran in seiner Gesamtheit als obligatorisch abzuliefernder Glaubenstext erwähnt wird. Den Erläuterungen (S.3, Abs.6) der Kultusbehörde im Bundeskanzleramt zum Islamgesetz 2015, welche Bestandteil dieses Gesetzes sind, ist an relevanter Stelle (zu § 6 Zif.5) zu entnehmen, dass diese zentralen Glaubenstexte in deutscher Sprache wiedergegeben und der Kultusbehörde vorgelegt werden müssen.

Aus den Erläuterungen (S.5, Abs.2) zu § 11 des Islamgesetzes 2015 ist definitiv zu erkennen, dass der Gesetzgeber auch eine deutsche Übersetzung der wichtigsten Hadithe verlangt, und diese der Kultusbehörde vorzulegen sind (§ 33 des Islamgesetz 2015).

Bisher hat die IGGiÖ keine ausreichenden Glaubensgrundlagen der Kultusbehörde vorgelegt.

 

4.

Die IGGiÖ maßt sich an, auch alle Schiiten zu vertreten, obwohl diese von den Sunniten als „Ungläubige“ (Rafediten) seit 1400 Jahren verfolgt werden und bereits etwa 80 Millionen Schiiten von den Sunniten getötet worden sind.

Zahlreiche sunnitische Fatwas (religiöse Rechtsgutachten) von führenden sunnitischen Imamen rufen in der ganzen Welt, einschließlich Europa, auch aktuell zur Tötung der Schiiten auf.

Nur eine kleine Gruppe von 30 schiitischen Muslimen haben sich an den letzten IGGiÖ-Wahlen im Jahr 2011 beteiligt und sind aus politischen Gründen Mitglied der IGGiÖ.

Darüber hinaus vertritt die SCHIA laut ihrer von der Kultusbehörde geprüften staatlich genehmigten Verfassung vom 1.8.2012 gemäß Artikel 1 bereits alle Schiiten in Österreich (Zwölfer Schia, Zaiditen, Ibaditen, etc.), sodass die Vertretung der Schiiten durch die sunnitische IGGiÖ auch aus diesen Gründen rechtswidrig ist, weil sie einen Eingriff in die inneren Angelegenheiten der bereits staatlich anerkannten „Islamischen Schiitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (SCHIA)“ darstellt.

Aus all diesen Gründen empfinden es die Schiiten als unzumutbar, zwangsweise der sunnitischen IGGiÖ eingegliedert zu werden. In Folge wird dies zu religiösen, politischen und anderweitigen Konflikten zwischen den Schiiten und Sunniten führen.

 

5.

Eine sunnitische oder schiitische Moschee kann, allein aus religiösen Gründen, nicht Mitglied der IGGiÖ werden, da die IGGiÖ keine ausreichenden Glaubensgrundlagen vorgelegt hat. Kein Moslem weiß, welchen Glauben die IGGiÖ vertritt.

Daher ist eine religiöse Bindung bzw. Zuordnung eines islamischen Vereines als Unterstützer-Verein oder erklärte Einrichtung der IGGiÖ bzw. als einer ihrer Kultusgemeinden wegen der fehlenden konfessionellen Definierung der Glaubensgrundlagen nicht möglich.

 

6.

Die diktatorische Anmaßung, dass die Muslime in ihren islamischen Vereinen nur dann beten dürfen, wenn ihnen dies von der IGGiÖ erlaubt wird, ist rechtswidrig und steht in Widerspruch zur österreichischen Rechtsordnung. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits am 1.12.2010 (B1214/09) entschieden, dass die IGGiÖ keinen Alleinvertretungsanspruch für die Muslime hat.

Die Religionsausübung und die freie Wahl des Gebetes durch einen Gläubigen, unabhängig von Ort und Zeit, sind Grundrechte, die in der österreichischen Bundesverfassung, in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in den EU-Verträgen, der EU-Grundrechtecharta, und der Rechtsprechung der Gerichte und Verwaltungsbehörden, ausdrücklich festgehalten sind.

 

7.

Seit dem Inkrafttreten des Islamgesetzes 2015 wird in den Medien verbreitet, dass die Kultusbehörde die freie Wahl des Gebetes in den islamischen Vereinen einschränken will. Vereine, welche das Freitagsgebet durchführen und nicht Mitglied einer islamischen Glaubensgemeinschaft sind, sollen durch die Vereinsbehörden untersagt werden.

Demgegenüber hat die Kultusbehörde aber keine Vollzugskompetenz im Hinblick auf die vereinsbehördliche Untersagung der Vereine.

Eine Reglementierung der Vereine und deren Unterwerfung durch das Islamgesetz 2015 widerspricht den fundamentalen Grundsätzen der österreichischen Rechtsordnung.

Die Rechtsgrundlage des vereinsbehördlichen Umganges mit den Vereinen ist das Vereinsgesetz und nicht das Islamgesetz 2015.

Alle bestehenden Vereine wurden ausschließlich auf der Basis des Vereinsgesetzes gegründet, sodass das Islamgesetz 2015 für diese nicht anwendbar ist.

Im Islamgesetz 2015 gibt es keine Durchführungsbestimmung für die Umsetzung dieses Gesetzes durch das Vereinsgesetz. Auch im Vereinsgesetz scheint kein Bezug zum Islamgesetz 2015 auf.

Das ist aber rechtlich erforderlich, um Zwangsmassnahmen gegen die Vereine in Verbindung mit dem Islamgesetz 2015 durchzuführen.

Darüber hinaus gibt es weltweit keine Hierarchie im Islam. Das Freitagsgebet kann jeder Moslem als „Imam“ bzw. auch ohne Imam allein oder in Gemeinschaft mit anderen Gläubigen durchführen. Dies kann durch keine Behörde untersagt werden, ohne dass dadurch das fundamentale Recht der freien Religionsausübung (Art.9 EMRK) verletzt werden würde.

 

8.

Die durch das Islamgesetz 2015 initiierte und teilweise bereits durchgeführte zwangsweise Übernahme des Vermögens von islamischen Vereinen in Höhe von mehreren Millionen Euro durch in- und ausländische Organisationen, ist eine Enteignung und ein Eingriff in die Autonomie der Vereine, die rechtswidrig ist und in Widerspruch zum Vereinsgesetz und der zugehörigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, Verwaltungsgerichtshofes und Verfassungsgerichtshofes steht.

Wenn die Kultusbehörde diese Enteignungen nicht nur zulässt, sondern auch aktiv betreibt, leistet sie damit einer zentralistischen politischen Vermachtung des gesamten islamischen Sektors in Österreich Vorschub.

 

9.

Mit Entscheidung vom 1.12.2010 (B 1214/09) hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die IGGiÖ keinen Alleinvertretungsanspruch für alle Muslime hat.

Den Erläuterungen (S.2, letzter Abs.) der Kultusbehörde im Bundeskanzleramt zum Islamgesetz 2015, welche Bestandteil dieses Gesetzes sind, ist an relevanter Stelle (zu § 3 bis 5) zu entnehmen:

„Das Erkenntnis VfGH B 1214/09 hält fest, dass es in Österreich mehr als eine islamische Glaubensgemeinschaft geben kann. Dies steht im Einklang mit der Judikatur des EGMR zu Fragen der Organisation von Religionsgesellschaften und der Religionsfreiheit. Daher soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass mehrere islamische Religionsgesellschaften auf der Grundlage des Islamgesetzes errichtet werden können, so dass der bisher mögliche Weg einer Rechtspersönlichkeit nach dem Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften und einem anschließenden Antrag auf Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz 1874 durch ein vergleichbares Verfahren im Islamgesetz ergänzt wird. Die Regelung orientiert sich dabei an der für die gesetzliche Anerkennung im Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit religiöser Bekenntnisgemeinschaften. Die Versagungs- und Aufhebungsgründe orientieren sich ebenfalls an jenen des genannten Gesetzes.“

Das Islamgesetz 2015 sieht ausdrücklich vor, dass es außer der IGGiÖ, SCHIA und ALEVI auch weitere, noch zu gründende, Gaubensgemeinschaften geben darf. Dieser Auffassung ist auch die Kultusbehörde und wird dies in den Erläuterungen zum neuen Islamgesetz 2015 bestätigt.

Die Formulierung der IGGiÖ in ihrer Verfassung, dass sie alle Muslime vertritt, ist rechtwidrig:

„Der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich gehören alle Muslime als Mitglieder an, welche im Melderegister bei den Angaben zum Religionsbekenntnis „Islam“ angegeben haben und nicht bereits einer anderen in der Republik Österreich gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft oder einer eingetragenen Bekenntnisgemeinschaft angehören.“

Das bedeutet, dass damit das intendierte Regulativ des Islamgesetzes 2015 zur Vielfalt der

Glaubensgemeinschaften ad absurdum geführt und damit unterbunden wird.

Mit der hier zitierten Passage der Glaubenslehre der IGGiÖ, wird ferner in zweifacher Hinsicht, drastisch gegen die Intention des Gesetzgebers verstoßen, wie sie in § 6 Abs.1 lit. 3 Islamgesetz 2015 zum Ausdruck kommt. Dort wird nämlich gefordert, dass der Erwerb der Mitgliedschaft einen expliziten Willensakt eines Moslems wiedergibt, wo hingegen in der Formulierung der IGGiÖ insinuiert wird, dass die Zugehörigkeit aus einem Automatismus des Melderegisters bestehen würde, der keines Willensaktes durch einen Muslim bedarf. Weiters sieht die Formulierung der IGGiÖ keine ausdrückliche Möglichkeit des Austrittes aus der IGGiÖ vor, was ebenfalls § 6 Abs.1 lit 3 Islamgesetz 2015 widerspricht. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung auch als sittenwidrig zu bezeichnen.

Die IGGiÖ begreift sich sohin als totalitäres Gebilde, das alle Muslime vereinnahmen will. Sie verstößt damit in ihrem Selbstverständnis und ihrer Ausrichtung dem Prinzip der Religionsfreiheit schlechthin.

Darüber hinaus wird die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes B1214/09 und auch das Islamgesetz 2015 konterkariert, nicht umgesetzt und ins Gegenteil verkehrt.

Der Wille des Gesetzgebers zur Vielfalt der Glaubensgemeinschaften wird unterbunden.

Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass mehr als 500.000 nicht organisierte Muslime (Sunniten, Schiiten, Aleviten) in der Konzeption der IGGiÖ dazu gezwungen werden, Mitglied der IGGiÖ zu sein, und deren Funktionäre als Autoritäten anzuerkennen, was zu religiösen, politischen, rechtlichen und anderweitigen Konflikten führen wird. Die Kultusbehörde gesteht hier der sunnitischen IGGiÖ eine gleichheitswidrige Monopolisierung zu, die nicht im Interesse des österreichischen Staates ist.“

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien folgende

 

 

Anfrage

 

 

1.    Wie viele islamische Glaubensgemeinschaften haben ihre Glaubensgrundsätze offengelegt?

2.    Werden diese Glaubensgrundsätze veröffentlicht?

3.    Wenn ja, wo?

4.    Wenn nein, wieso nicht?

5.    Wie viele der offengelegten Glaubensgrundsätze haben die der „Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGiÖ) entsprochen?

6.    Wenn es hier Unterschiede gab, worin lagen diese?

7.    Hat die „Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGiÖ) eine ausreichende Glaubensgrundlage nach § 6 Abs. 1 Ziffer 5 Islamgesetz dem Staat zur konfessionellen Zuordnung und rechtmäßigen staatlichen Genehmigung vorgelegt?

8.    Wie viele Moscheen betreibt die „Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGiÖ)?

9.    Wie viele Imame mussten in Bezugnahme auf die Regelungen des Islamgesetz 2015 Österreich bisher verlassen?

10. Aus welchen Gründen musste diese Imame Österreich verlassen?

11. Sind Ihnen Fälle bekannt, bei denen Imame Österreich aufgrund von Auslandsfinanzierungen verlassen mussten?

12. Was berechtigt die sunnitische „Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGiÖ) die Vertretung und Verwaltung der religiösen Belangen aller in Österreich lebender Muslime zu übernehmen?

13. Ist die Vereinigung aller in Österreich lebender Sunniten, Schiiten und Aleviten unter dem Dach der „Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (IGGiÖ) in Hinblick auf deren Differenzen in islamisch geprägten Ländern aus ihrer Sicht überhaupt möglich?