8634/J XXV. GP

Eingelangt am 16.03.2016
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten DI Nikolaus Berlakovich

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Bildung und Frauen

betreffend Schul- und Bildungswesen der Volksgruppen in Österreich

Im August 2015 wurde vom Vorsitzenden der Konferenz der Volksgruppenbeiräte ein Schreiben an die Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek zum Thema Bildungsreform und Volksgruppen gesendet, das bis dato noch unbeantwortet ist.

Im Jänner 2016 wurde ein weiterer Brief von den sechs Volksgruppenbeiratsvorsitzenden und deren Stellvertretern an Bundesministerin Heinisch-Hosek gerichtet, der 37 Fragen zum Thema Bildungsreform im Fokus der Volksgruppen beinhaltete. Auch dieser wurde bis heute nicht beantwortet. Volksgruppenvertreter sind erschüttert über die mangelnde Auskunftsbereitschaft und den fehlenden Kooperationswillen der angeschriebenen Bundesministerin.

Die unterfertigten Mandatare wollen auf diesem Weg den Volksgruppenvertretern zu ihren erbetenen Auskünften verhelfen, da die konkreten Gespräche zu den einzelnen Maßnahmen der Bildungsreform bereits geführt werden. Auch soll sichergestellt werden, dass bestehende in der Verfassung verankerte Rechte der Volksgruppen gewahrt, und nicht eingeschränkt oder gar gestrichen werden. Anderseits sind im Bildungsbereich Maßnahmen erforderlich, um auch die traditionelle Mehrsprachigkeit in unserem Land nachhaltig zu stärken und mit modernen Bildungsstrukturen zu versehen. Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

1.    Warum gab es seitens des Bundesministeriums für Bildung und Frauen bis heute keine einzige Reaktion auf die Schreiben der (stv.) Beiratsvorsitzenden vom August 2015 und vom Jänner 2016?

2.    Besteht seitens des Ministeriums die Bereitschaft, mit den Vorsitzenden der Volksgruppenbeiräte auch auf politischer Ebene Gespräche über die Bildungsreform zu führen, bevor konkrete Festlegungen erfolgen, die Einfluss auf verankerte Rechte der Volksgruppen bzw. die traditionelle Mehrsprachigkeit in unserem Land haben?

3.    Waren Interessen bzw. Regelungen im Sinne einer Verbesserung der speziellen Gestaltung des zweisprachigen Unterrichtes im Zuge der Reform Thema der Beratungen in der Bildungsreformkommission?

4.    Inwieweit waren die zweisprachigen Kindergärten/Vorschulen Thema der Beratungen?

5.    Wenn nicht: Haben die Vorschläge der Kommission Auswirkungen auf das Schulwesen der Volksgruppen?

6.    Wurden diese Auswirkungen auch einer Diskussion in der Kommission unterzogen und gibt es für die einzelnen Bereiche auch Vorschläge, die dem Anspruch der Volksgruppen auf ein adäquates Schulwesen gerecht werden?

7.    Wird durch die Bildungsreform eine klare Regelung getroffen, dass den Volksgruppen die zweisprachige Betreuung und Ausbildung durchgängig auf allen Ebenen von der Vorschule bis zur Reifeprüfung gesichert wird?

8.    Welche Möglichkeiten für Änderungen im Vorschlag der Kommission bestehen, falls seitens der Volksgruppen geplante Reformschritte nicht akzeptiert werden können, weil damit Benachteiligungen verbunden sind?

9.    Wie werden sich die geplanten Änderungen im Vorschulbereich auf die Volksgruppen auswirken?

10.  Wie soll die Vorschulbildung im zweisprachigen Bildungsbereich organisiert werden?

11.  Welche Ausbildungen für das pädagogische Personal (Kleinkindpädagogik, Elementarstufe) werden dadurch - speziell im Hinblick auf die zweisprachige Betreuung - notwendig?

12.  Wer formuliert, organisiert und finanziert diese Bildungsmaßnahmen?

13.  Bei Kindergärten sind die jeweiligen Gemeinden für die Erhaltung und das Personal zuständig. In den Volksschulen sind zumeist die Gemeinden der Erhalter, für das Personal ist das Land oder der Bund (je nach endgültiger Regelung) zuständig. Wie werden diese Überlappungen von Kompetenzen gelöst?

14.  Was kosten die neuen Regelungen und wer bezahlt den Mehraufwand für allenfalls notwendige bauliche Maßnahmen wie auch für Personal?

15.  Wie soll die pädagogische Aufsicht und Beratung im Nahbereich organisiert werden und wer ist dafür zuständig?

16.  Welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung sind vorgesehen?

17.  Welche konkreten Verbesserungen werden von der Reform erwartet?

18.  Das Konzept der Kommission sieht offenbar auch tiefgreifende Änderungen in der allgemeinen Schulorganisation vor. Wurde dabei a priori bereits auf die Bestimmungen hinsichtlich der Volksgruppen Bedacht genommen?

19.  Laut Pressemeldung sollen Mindestgrößen für Schulen aufgrund der Zahl der Kinder festgelegt werden. Die Volksgruppen im Burgenland bzw. auch in Kärnten leben nicht in geographisch zusammenhängenden Regionen und vielfach in kleinen Orten/Gemeinden, die ein Erreichen der angeblich angestrebten Mindest-Schülerzahl von 200 keineswegs ermöglichen. Wie werden die Schulen der Volksgruppen durch diese Organisationsformen betroffen sein?

20.  In keiner Phase der öffentlichen Diskussion wurde die langjährige Forderung aller Volksgruppen auf Angebote in den Volksgruppensprachen auch außerhalb der   autochthonen Siedlungsgebiete erwähnt. Weder für die Burgenländischen Kroaten noch für die Ungarn bzw. auch nicht für die Slowenen bestehen außerhalb der Bundesländer Burgenland bzw. Kärnten - beispielsweise in Wien - derartige Angebote. Ganz ohne staatliche Angebote müssen die Slowaken und die Tschechen auskommen. Auch für die Roma bestehen - mit Ausnahme einer sehr eingeschränkten Regelung im Burgenland -  keine gesetzlich gesicherten Bildungsangebote. Was ist im Rahmen der Bildungsreform zusätzlich vorgesehen, um die traditionelle Mehrsprachigkeit in Österreich zu sichern und zu festigen?

21.  Als älteste Privatschule der Volksgruppen ist die Komensky-Schule in Wien wegen mangelnder finanzieller Absicherung in ihrer Existenz akut bedroht. Langjährige Verhandlungen, die ohne Ergebnis geblieben sind, zwingen die Funktionäre der tschechischen Vereine in ein persönliches finanzielles Risiko, das jeden einzelnen von ihnen in den wirtschaftlichen Ruin bringen würde. Trotz aller Bittgänge gibt es keine Bereitschaft des Ministeriums, die nachhaltige finanzielle Absicherung der Komensky-Schule zu übernehmen. Die Volksgruppen betrachten dieses Vorgehen als Armutszeugnis des Kulturlandes Österreich und eine Verhöhnung unserer Tradition. Besteht die Bereitschaft, im Zuge der Bildungsreform eine finanzielle Basis für die Komensky-Schule zu sichern?

22.  Im Lichte der aktuellen Diskussion über Integrationsmaßnahmen entsteht für die Volksgruppen der Eindruck, dass die „neue Zweisprachigkeit“ durch Deutschkurse und schulische Vorkehrungen für Flüchtlinge und Zuwanderer alle anderen Fragen aus dem Blickwinkel gedrängt werden. Selbstverständlich unterstützen die Volksgruppen aktiv die Bemühungen um die Integration, die intensive sprachliche und soziale Integration der neuen Mitbürger - aber die Volksgruppen müssen befürchten, dass traditionelle Mehrsprachigkeit der Volksgruppen des Landes dabei auf der Strecke bleibt. Kann ausgeschlossen werden, dass dieser Fall bei der endgültigen Festlegung der Bildungsreform eintritt?

23.  Seit dem Inkrafttreten des Minderheiten-Schulgesetzes sind einige Probleme erkannt worden, die eine Novellierung des Gesetzes erfordern. Sind diese - den zuständigen Behörden seit langem bekannten - Anpassungen bereits in die Pläne für die Bildungsreform übernommen worden?

24.  Wird auf den Standorten der Neuen Mittelschulen das Angebot des zweisprachigen Unterrichts obligatorisch vorgesehen, damit Kinder aus bilingualen Volksschulen weiterhin auch in der Volksgruppensprache unterrichtet werden?

25.  Wird dabei darauf Bedacht genommen, dass auch ein entsprechender qualifizierterer Lehrkörper zur Verfügung steht?

26.  Werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass auch Kinder, deren zweisprachige Volksschule nicht in einer Region mit einer NMS liegt, problemlos den Schulsprengel wechseln können, wenn sie die zweisprachige Ausbildung in einer NMS wünschen?

27.  Bestehen bereits Pläne und Konzepte zur Führung einer NMS, die Kinder mit und ohne zweisprachigen Unterricht betreut?

28.  Laut Ankündigung soll die Schulautonomie erweitert werden, um Eltern, Kinder und Lehrerinnen in wichtigen Bereichen mehr Mitsprache zu sichern. Ist vorgesehen, dass im Rahmen der Schulautonomie auch Eingriffe in die bestehenden Bestimmungen zur Sicherung des zweisprachigen Unterrichtes möglich sind?

29.  Grundsätzlich muss sichergestellt sein, dass Leiterinnen/Leiter zweisprachiger Schulen nachweislich die Sprache der jeweiligen Volksgruppe beherrschen müssen. Dies gilt auch für den gesamten Lehrkörper. Sol! an diesem Prinzip gerüttelt werden?

30.  Eine Verminderung des Unterrichtes in der Volksgruppensprache darf keinesfalls eine Entscheidung der Schulautonomie sein. Wird dadurch auch dieses Prinzip in die Bestimmungen übernommen?

31.  Derzeit gelten wegen der umfangreichen Vor- und Nachbereitung des Unterrichtes in zwei Sprachen erleichternde Bestimmungen hinsichtlich der Höchstzahl von Kindern je Klasse und der Unterrichtsstunden für die Pädagoglnnen. Werden diese Regelungen beibehalten?

32.  Welche Verbesserungen für das Schulwesen der Volksgruppen sind im Reformpapier enthalten?

33.  Ein erhebliches Problem für die Gestaltung des bilingualen Unterrichtes bildet die Bereitstellung zeitgemäßer Schulbücher und Unterrichtsbehelfe. Zum Großteil werden diese von Volksgruppenvereinen in Zusammenarbeit den Pädagogischen Hochschulen und Arbeitsgruppen von Lehrerinnen erstellt. Förderungen für die Herstellung von Schulbüchern gewährt das Ministerium seit Jahren nicht mehr, obwohl bekannt ist, dass private Verlage angesichts der kleinen Auflagen das Risiko der Herausgabe nicht mehr übernehmen wollen. Gerade in den vergangenen Jahren wurden Überarbeitungen und Neuauflagen notwendig, weil Lehrpläne, Unterrichtsprinzipien und andere Bestimmungen mehrmals geändert wurden. Wird das Ministerium in Zukunft Förderungen bereitstellen?

34.  Erfreulicherweise wird durch die Bildungsreform eine entscheidende Ausweitung ganztägiger Formen angestrebt. Diese soll in allen Ebenen ausgeweitet werden. Für den zweisprachigen Bereich bedarf es jedoch außer qualitativen und quantitativen Zielen noch zusätzlicher Regelungen. Ist eine gesetzliche Bestimmung vorgesehen, dass die Betreuung an zweisprachigen Bildungseinrichtungen in allen Fällen durch qualifiziertes zweisprachiges Personal wahrzunehmen ist?

35.  Angesichts der verschiedenen Zuständigkeiten für Gebäude, Nicht-Lehrer-Personal, pädagogische Betreuung, Organisation u.a. dringend erforderlich. Welche Modelle sind dafür vorgesehen?

36.  Bestehen Pläne für verpflichtende Ausbildungen für Nicht-Lehrer-Personal, welches in der schulischen Freizeitbetreuung eingesetzt werden soll?

37.  Inwieweit werden die zweisprachigen Gemeinden durch die Umsetzung der geplanten Bildungsreform zusätzlich finanziell in Anspruch genommen und ist Vorsorge getroffen, ihnen diese Mehrbelastung auszugleichen?