8636/J XXV. GP

Eingelangt am 16.03.2016
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Bildung und Frauen

betreffend Missstände und einen Maulkorb

BEGRÜNDUNG

Am vergangenen Sonntag berichtete die Tageszeitung „Kurier“ über eine Schule[1] im Wiener Gemeindebezirk Margareten. Der Anteil an SchülerInnen mit nichtdeutscher Muttersprache liegt bei nahezu hundert Prozent, viele SchülerInnen sprechen und verstehen die Unterrichtssprache so wenig, dass sie als außerordentliche SchülerInnen geführt werden.

Die Leiterin der Schule, Andrea Walach, machte in der Reportage über die Schule deutlich, welche Probleme im Schulsystem mit dafür verantwortlich sind, dass die SchülerInnen nicht ausreichend gefördert werden. Sie fordert mehr Flexibilität bei der Gruppeneinteilung (z.B. Mehrstufenklassen) und Autonomie der Schulen beim Einsatz zusätzlicher Lehrkräfte. Statt dem in der NMS vorgeschriebenen Teamteaching möchte sie die vorhandenen Lehrkräfte für die Individualisierung und die Deutschförderung einsetzen können.

Die schwierige familiäre Lage mancher SchülerInnen ist der Schulleiterin bewusst. Sie setzt sich daher für eine ganztägige Schule ein, damit die SchülerInnen mehr Zeit in der Schule mit Lernen und Unterstützung sowie mit Sprachvorbildern verbringen können. Das bestehende Betreuungsangebot am Nachmittag nehmen nur zehn Prozent der SchülerInnen in Anspruch. Die Kosten sind zu hoch, und der Bedarf wird seitens der Eltern oft nicht erkannt.

So haben nur wenige SchülerInnen eine Chance auf weitere Bildung oder einen Ausbildungsplatz. Rund ein Drittel der SchülerInnen verlässt die NMS ohne eine weitere Bildung oder Arbeitsstelle in Aussicht zu haben. Die Direktorin bezeichnet diese Jugendlichen als „verlorene Generation“, denn ihr weiterer Lebensweg würde sie unweigerlich zu SozialhilfeempfängerInnen machen.

Zwei Tage später erhielt die Schulleiterin Andrea Walach ein Schreiben[2] des Bundesministeriums für Bildung und Frauen, wie der „Kurier“ in ihrer Ausgabe vom 16. März 2016 berichtet. Darin werden allerdings nicht rasche Abhilfe für die Probleme der Schule, zusätzliche Deutschförderung oder wenigstens mehr Autonomie bei der Verwendung vorhandener Ressourcen versprochen. Der Schulleiterin wird angeordnet, sie dürfe nicht weiter über Missstände an ihrer Schule öffentlich berichten. Paul Kimberger, Lehrergewerkschafter bestätigt in dem Artikel, dass es nicht erwünscht sei, in der Öffentlichkeit die Wahrheit zu sagen und dass der Vorfall kein Einzelfall sei. Das Bundesministerium für Bildung und Frauen dementiert allerdings den Maulkorberlass.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1)    Sind die Angaben der Schulleiterin Andrea Walach korrekt, wonach die NMS Gassergasse in 1050 Wien überwiegend SchülerInnen mit nichtdeutscher Muttersprache besuchen?

2)    Stimmt es, dass die Deutschförderung nicht ausreichend und überdies so organisiert ist, dass sie von den SchülerInnen kaum angenommen wird?

3)    Ist es richtig, dass die zusätzlichen Lehrkräfte für die NMS ausschließlich für Teamteaching eingesetzt werden können?

4)    Ist es richtig, dass die Nachmittagsbetreuung nur von einem kleinen Teil der SchülerInnen der NMS Gassergasse in Anspruch genommen wird?

5)    Stimmt es, dass die von der Stadt Wien angebotene Gratis-Nachhilfe nur eine Stunde pro Woche ausmacht?

6)    Ist es ausreichend, die Deutschförderung auf einen Stunde pro Tag (bei außerordentlichen SchülerInnen) und auf eine Stunde pro Woche (freiwilliges Angebot für ordentliche SchülerInnen) zu beschränken?

7)    Ist es richtig, dass die Schulleiterin keine Möglichkeit hat, Mehrstufenklassen an ihrer Schule einzuführen?

8)    Ist es richtig, dass seitens des Bundesministeriums für Bildung und Frauen als Reaktion auf den Artikel im Kurier am 13. März 2016 ein Schreiben an die zuständige Schulinspektion erfolgte?

a.    Wenn ja, was war der Inhalt dieses Schreibens? Bitte das Schreiben in Kopie der Anfragebeantwortung beilegen.

b.    Wenn ja, welche Konsequenzen hat dieses Schreiben für die Schulleiterin Andrea Walach?

9)    Ist es üblich, wenn SchulleiterInnen öffentlich Missstände am Schulsystem anprangern, mit solchen Schreiben an die Schulaufsicht zu reagieren?

a.    Wenn ja, wie oft hat das Bundesministerium für Bildung und Frauen in den vergangenen drei Jahren solche Schreiben an SchulleiterInnen oder SchulinspektorInnen geschickt? Bitte um Auflistung der betroffenen Schulen und Beifügung der Schreiben an die Anfragebeantwortung.



[1] siehe: http://kurier.at/politik/inland/neue-mittelschule-eine-verlorene-generation/186.477.596

[2] siehe: http://kurier.at/politik/inland/maulkorb-fuer-mutige-wiener-lehrerin/187.216.478