8825/J XXV. GP

Eingelangt am 01.04.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend systematische Kickbackzahlungen an die ÖVP für Regierungsinserate

BEGRÜNDUNG

 

Im Zuge der Ermittlungen sowie der parlamentarischen Untersuchung rund um die Korruptionsaffäre „Telekom“, sind auch Zahlungen großer Unternehmen wie Lotterien, Casinos, Telekom und Raiffeisenlandesbank Oberösterreich an die Werbeagentur „Mediaselect“ bekannt geworden, die dort einem „ÖVP-Konto“ gutgeschrieben und auf ÖVP-Inseratenkosten angerechnet wurden.

Bereits in der Dringlichen Anfrage vom 17.9.2013 haben die Grünen dazu detaillierte Fragen zum Fortgang der Ermittlungen gestellt und darauf hingewiesen, dass sich aus Korrespondenz zwischen der Mediaselect und dem damaligen ÖVP Organisationsreferenten Michael Fischer der Verdacht von Korruption durch Kickbackzahlungen ergab:

„Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Textierung jener „Scheingutschriften“, welche von der MEDIASELECT an die ÖVP Bundespartei, zu Handen Michael Fischer, gerichtet wurden, um die Gutbuchung der Telekom-Valora Gelder auf dem ÖVP-Konto zu begründen: „Für die Vermittlung von Neukundengeschäft im Bereich öffentlicher Dienst für das laufende Geschäftsjahr 2006“ (Datum 28.2.2006). Für diese Formulierung fand sich in den sichergestellten Daten der MEDIASELECT auch eine Version, in welcher die Gutschriftnummer noch mit „?“ als Platzhaltern offen bleibt, so dass von einem Muster für derartige Gutschriften auszugehen ist. Noch dreister war eine weitere „Gutschrift“:

 

Dass sich eine Regierungspartei für die Vermittlung von Aufträgen „Gutschriften“ ausstellen lässt, weist auf Korruption in Form von „Kickback“-Zahlungen hin.“

 

In der Beantwortung der damaligen Dringlichen Anfrage führte die Justizministerin aus:

„Im bereits erwähnten sogenannten Telekom-Stammverfahren der Staatsanwaltschaft Wien wurde ein Sachverständigen-Gutachten unter anderem zu den geschäftlichen Verbindungen der Valora AG beziehungsweise Zahlungsflüssen an die und aus der Valora AG in den Jahren 2004 bis 2009 eingeholt. Dieses Gutachten ist mittlerweile bei der Staatsanwaltschaft eingelangt. In diesem Gutachten werden unter anderem Zahlungsflüsse an die Echo GmbH, die MediaSelect GmbH sowie von der Raiffeisen Centrobank behandelt.

Ferner wurde auch seitens des BAK bereits ein Bericht zum Themenbereich MediaSelect, OmniMedia, media.at an die Staatsanwaltschaft erstattet, in dem unter anderem über Zahlungen der Valora AG, der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich und der Österreichischen Lotterien an die MediaSelect berichtet wird.“

 

NEWS.at berichtete nunmehr am 4.3.2016[1] über neue Beweise in diesem Fall, welche den Verdacht auf die systematische Zahlung von Kickbacks bzw. Provisionen an die ÖVP für die Erteilung von Werbeaufträgen durch ÖVP-geführte Ministerien neuerlich verstärken:

„Gelddrehscheibe war laut Verdachtslage die Agentur Mediaselect, über die die ÖVP unter anderem im großen Stil Inserate in Printmedien schaltete. Die Kosten dafür sollen teilweise von Dritten via Scheinrechnungen beglichen worden sein. Die Volkspartei soll entsprechende Gutschriften erhalten haben.

Doch Guthaben für die ÖVP kamen offenbar auch noch anders zustande. Am 12. November 2002 schickte die damalige Mediaselect-Chefin, die mittlerweile verstorben ist, ein E-Mail an den Bundesorganisationsreferenten und späteren Direktor der ÖVP, Michael Fischer – und zwar auf dessen Mailadresse bei der Volkspartei. Fischer sollte seine Rolle in der Partei später übrigens mit „Geldauftreibung“ beschreiben.

Unter dem Betreff „Bonusstand 12.11.2002“ waren in dem Mail unter anderem Boni aufgelistet, die augenscheinlich aus Leistungen der Mediaselect für das Kanzleramt („BKA“), das Innenministerium, das Wirtschaftsministerium und das Bildungsministerium stammten. All diese Ressorts waren damals in schwarzen Hand: Bundeskanzler war Wolfgang Schüssel, Innenminister war Ernst Strasser, Wirtschaftsminister war Martin Bartenstein und Bildungsministerin war Elisabeth Gehrer. Und nun sollte offenbar die ÖVP einen einprozentigen Bonus von dem erhalten, was die Ministerien mit Steuergeld bezahlt hatten.

Auf den ersten Blick ging es dabei nicht um riesige Summen: Für die vier genannten Ressorts fielen gemäß der vorläufigen Mediaselect-Liste 12.891,02 Euro an. Doch Kleinvieh macht auch Mist. Vor allem, wenn es sich um keinen Einzelfall handelt.

Zwei Jahre später, am 12. Jänner 2004, schrieb die Mediaselect-Chefin wieder ein Mail an Fischer: „Ich habe das Guthaben berechnet – es sind 15.544,59 +20% Mwst.“, heißt es darin. Und weiter: „Wie, wo und wann????“ Wie sich das Guthaben diesmal aufschlüsselt und ob Boni in Zusammenhang mit Ministerien-Aufträgen dabei waren, ist nicht erwähnt. Fischer bedankte sich jedenfalls und schrieb: „Sie bleiben unser Star!“

Dass der Ministerien-Bonus für die ÖVP kein einmaliges Vorgehen gewesen sein dürfte, zeigt ein Mail vom 9. April 2008. Die Mediaselect-Geschäftsführerin schrieb abermals an Fischer. Dieser war zu diesem Zeitpunkt von der ÖVP als Bereichsleiter in die Telekom gewechselt und zusätzlich nun ebenfalls Geschäftsführer der Mediaselect: „hab gerade das jahr 2007 gerechnet – der bonus macht 13.561,33 aus – ist nicht viel –war aber auch nicht viel!!!“ Einberechnet sind neben dem direkten ÖVP-Bonus augenscheinlich auch Boni für das Bundeskanzleramt („BKA“), das Innenministerium, das Finanzministerium, das Verteidigungsministerium und das Wissenschaftsministerium („BMFWF“). […]

Dass es durchaus ein Standardvorgang gewesen sein dürfte, ergibt sich allerdings aus Einvernahmen einer der Schlüsselpersonen der ÖVP-Parteispendenaffäre: Gemeint ist Markus Keschmann. Dieser war 2008 Nachfolger der verstorbenen Mediaselect-Geschäftsführerin, ab 2011 Direktor der ÖVP-Bundespartei und ist der Schwiegersohn von Ex-ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat. Fischer hatte das erwähnte E-Mail vom 9. April 2008 mit der Bonus-Berechnung am 29. September 2008 an Keschmann weitergeleitet. Und Keschmann wurde von den Ermittlern zu dieser Thematik einvernommen.

Am 18. September 2014 gab der ÖVP-Direktor folgendes zu Protokoll: „Wenn ich gefragt werde, warum die ÖVP Gutschriften erhält für Umsätze, die von den Ministerien geschaltet werden, so gebe ich an, dass die ÖVP als ‚Dooropener’ fungierte und es uns ermöglicht hat, ein Angebot zu legen und hiefür ist die ÖVP honoriert worden. Es war so eine Art Vermittlungsprovision.“ Dies sei „in der Medienbranche ein völlig üblicher Vorgang“. Keschmann sagte weiter aus: „Wenn ich von ‚Dooropener’ gesprochen habe, dann meine ich damit, dass Michael Fischer in dem jeweiligen Ministerium entweder im Ministerbüro oder im Beamtenapparat angerufen hat und gefragt hat, ob man nicht die MediaSelect GmbH zur Anbotslegung einladen könnte. Ich habe dazu aber keine konkreten Wahrnehmungen. Derartige Aufträge sind im Regelfall unter der Beitragsgrenze für obligatorische Vergabeverfahren und werden somit freihändig vergeben.“

Am 2. Juli 2015 wurde Keschmann erneut befragt. Im Protokoll der Beschuldigtenvernehmung verweist der ÖVP-Direktor nochmals darauf, dass es sich um eine „normale Vereinbarung“ gehandelt habe. „Michael Fischer hat eben sein ÖVP-Netzwerk benutzt, um neue Kunden für die MediaSelect zu akquirieren und dafür erhielt die ÖVP die Gutschriften. (...) Auch für den Zeitraum meiner Geschäftsführertätigkeit gilt im Wesentlichen dasselbe, auch ich bediente mich meines ÖVP-Netzwerkes und war daher der Meinung, dass die ÖVP dafür einen Bonus erhalten sollte.“

Bemerkenswert ist, dass auf Nachfrage von NEWS die ÖVP den Sachverhalt im Wesentlichen bestätigte:

News hat bei der ÖVP nachgefragt. Dort bestreitet man, dass Steuergeld zur Partei umgeleitet wurde: „Soweit bekannt, hat Mediaselect all ihren Kunden marktübliche Rabatte und Gutschriften gewährt“, heißt es in einer Stellungnahme. „Soweit Mediaselect der ÖVP für Bekanntgabe von Geschäfts- und Anbahnungsmöglichkeiten Provisionen gewährt hat, wie das im Agenturgeschäft branchenüblich und gang und gäbe ist, so erfolgte dies stets auf Kosten der Mediaselect.“ Dies entspreche auch der Rechtsansicht der Staatsanwaltschaft, die in Richtung einer möglichen Schädigung der Mediaselect Untersuchungen führe.

 

Wie sich aus einem Dokument mit dem Titel „Verrechnung ÖVP-Guthaben“ betreffend das Jahr 2002 ergibt, betrug die angerechnete Gutschrift offenbar regelmäßig 1% der Auftragssumme.

Für das Jahr 2002 ergab sich damit, wie in einem Dokument „Guthabensaufstellung ÖVP (Stand Dez. 2002) dargestellt wurde:

 

Gutschrift aus BM f. Bildung, Wissenschaft

 € 542,62

Gutschrift aus BKA

€ 2.302,20

Gutschrift aus BMI

€ 1.930,21

Gutschrift aus BM f. Wirtschaft

€ 8.115,99

 

Die Vorgehensweise gleicht damit völlig jener, wie sie auch im Strafverfahren rund um die FP-nahe Werbeagentur „Ideenschmiede“ Gegenstand von Ermittlungen ist, wo seitens der Werbeagentur eine 20%-Gutschrift zugunsten der FPÖ Kärnten für alle Aufträge von „FPÖ-Landesregierungsbüros“ vertraglich zugesichert wurde.

Sofern die ÖVP in ihrer Stellungnahme gegenüber NEWS darauf hinwies, dass die Provisionen „auf Kosten der Mediaselect“ gewährt wurden, kann das – wenn es denn stimmen sollte – zwar allenfalls für die Beurteilung des Straftatbestandes der Untreue zu Lasten der Republik relevant sein. Weitere in Frage kommende Straftatbestände bleiben davon jedoch unberührt: so insbesondere Bestechlichkeit (§304 StGB), Vorteilsannahme (§305 StGB), ihre Vorbereitung (§306 StGB), sowie Bestechung (§ 307 StGB) bzw. Vorteilszuwendung (§307a StGB).

So lautet beispielsweise § 305 StGB:

Vorteilsannahme

§ 305. (1) Ein Amtsträger oder Schiedsrichter, der für die pflichtgemäße Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert oder einen ungebührlichen Vorteil (Abs. 4) annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

 (3) Wer die Tat in Bezug auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wer jedoch die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(4) Keine ungebührlichen Vorteile sind

1.

Vorteile, deren Annahme gesetzlich erlaubt ist, oder die im Rahmen von Veranstaltungen gewährt werden, an deren Teilnahme ein amtlich oder sachlich gerechtfertigtes Interesse besteht,

2.

Vorteile für gemeinnützige Zwecke (§ 35 BAO), auf deren Verwendung der Amtsträger oder Schiedsrichter keinen bestimmenden Einfluss ausübt, sowie

3.

in Ermangelung von Erlaubnisnormen im Sinne der Z 1 orts- oder landesübliche Aufmerksamkeiten geringen Werts, es sei denn, dass die Tat gewerbsmäßig begangen wird.

 

Der objektive Tatbestand dürfte hier erfüllt sein: Die Vergabe von Aufträgen durch Bundesministerien an eine Werbeagentur über die Schaltung von Inseraten stellt jedenfalls ein Amtsgeschäft im Sinne dieser Bestimmung dar. Die Gutschrift von 1% zugunsten der ÖVP durch die Werbeagentur, die in weiterer Folge für die Bezahlung von ÖVP-Inseraten verwendet wurde, stellt die Gewährung eines Vorteils an einen Dritten dar. Ob dieser Vorteil gefordert oder letztlich nur angenommen wurde ist strafrechtlich nicht weiter von Bedeutung, da hier ein alternativer Mischtatbestand vorliegt. Soweit es sich bei der Mediaselect nicht um den Bestbieter handelte, wird allenfalls sogar eine pflichtwidrige Vornahme des Amtsgeschäftes und damit möglicherweise die strenger bestrafte Bestechlichkeit (§304 StGB) vorliegen.

Auch wenn mancher ÖVP Politiker dies vielleicht anders sehen sollte, handelt es sich bei Parteispenden nicht um „Vorteile für gemeinnützige Zwecke“ nach § 35 BAO, so dass auch die Ausnahmen des § 305 Abs 3 StGB nicht greifen können.

Die Schutzbehauptung, dass es sich quasi um „Vermittlungsprovisionen“ der ÖVP gehandelt habe kann insofern nicht überzeugen, als nach der Aussage Keschmanns er selbst bzw. sein Vorgänger Michael Fischer als Geschäftsführer der Mediaselect aktiv und von sich aus ihre ÖVP Netzwerke kontaktiert bzw. „in dem jeweiligen Ministerium entweder im Ministerbüro oder im Beamtenapparat angerufen hat“.

Ob letztlich wirklich strafbare Handlungen – insbesondere auch im Hinblick auf die subjektive Tatseite - gesetzt wurden, wird durch die zuständige Staatsanwaltschaft zu ermitteln sein. Wie weit diese Ermittlungen bisher gediehen sind und ob es Hinweise auf ein fortgesetztes Bestehen dieser  illegalen Praxis gibt, soll mit dieser Anfrage geklärt werden. 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wegen welcher Tatbestände werden im Verfahren betreffend „Mediaselect“ die Ermittlungen geführt?

2)    Wer sind die Beschuldigten in diesem Verfahren?

3)    Werden Ermittlungen wegen Untreue zum Nachteil der Republik Österreich geführt?

4)    Falls nein: wieso nicht?

5)    Werden Ermittlungen wegen Untreue zum Nachteil der Mediaselect geführt?

6)    Falls nein: wieso nicht?

7)    Werden Ermittlungen wegen Bestechlichkeit (§305 StGB) geführt?

8)    Falls nein: wieso nicht?

9)    Werden Ermittlungen wegen Vorteilsannahme (§305 StGB) geführt?

10) Falls nein: wieso nicht?

11) Werden Ermittlungen wegen Vorbereitung der Bestechlichkeit bzw. der Vorteilsannahme (§306 StGB) geführt?

12) Falls nein: wieso nicht?

13) Werden Ermittlungen wegen Bestechung (§ 307 StGB) geführt?

14) Falls nein: wieso nicht?

15) Werden Ermittlungen wegen Vorteilszuwendung (§307a StGB) geführt?

16) Falls nein: wieso nicht?

17) Welches ist nach derzeitigem Ermittlungsstand das letzte Jahr, in dem die ÖVP Gutschriften für Inseratenschaltungen durch Bundesministerien erhalten hat?

18) Welches ist nach derzeitigem Ermittlungsstand das erste Jahr, in dem die ÖVP Gutschriften für Inseratenschaltungen durch Bundesministerien erhalten hat?

19) Ist nach derzeitigem Ermittlungsstand dieses System von Zahlungen an die ÖVP für Regierungsinserate nach wie vor in Betrieb?

20) Konnte in den bisherigen Ermittlungen eine schriftliche Vereinbarung über die Gewährung von Gutschriften in Höhe von 1% an die ÖVP sichergestellt werden?

21) Welche aktiven oder ehemaligen BundesministerInnen und / oder MitarbeiterInnen von Bundesministerien wurden bezüglich dieser Sachverhalte bereits einvernommen?

22) Welche aktiven oder ehemaligen ÖVP PolitkerInnen, FunktionärInnen und MitarbeiterInnen wurden bezüglich dieser Sachverhalte bereits einvernommen?

23) Bestehen in strafrechtlicher Hinsicht Unterschiede zwischen dem FPÖ System „ideenschmiede“ und dem ÖVP System „Mediaselect“ und falls ja welche?

24) Gibt es nach den Ermittlungen Hinweise darauf, dass das FPÖ System der Kickbackzahlungen an die Partei für Regierungsinserate über die „ideenschmiede“ nach dem Vorbild des ÖVP Modells „Mediaselect“ entwickelt wurde?

 



[1] http://www.news.at/a/news-oevp-skandal-schwarze-mails-6258548