8841/J XXV. GP

Eingelangt am 04.04.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Christiane Brunner,  Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend Beteiligung der Öffentlichkeit an Verfahren über Integrated Pollution Prevention and Control-Anlagen (IPPC-Anlagen)

BEGRÜNDUNG

 

Die Aarhus-Konvention, die sowohl von Österreich als auch von der Europäischen Union ratifiziert wurde, sieht in Art 9 Abs 2 Aarhus-Konvention den Zugang der Öffentlichkeit zu Überprüfungsverfahren hinsichtlich umweltrelevanter Anlagen vor und in Art 9 Abs 3 den „Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen (wegen Rechtsverletzung) anzufechten“. Zur Umsetzung von Art 9 Abs 2 AK wurden vom Bundesgesetzgeber Umweltorganisationen Beteiligungsrechte in UVP-Verfahren und in IPPC-Verfahren wie folgt eingeräumt:

·               Gemäß UVP-G-Novelle 2004 (BGBl 2004/153) konnten sich Umweltorganisationen ab 1.1.2005 anerkennen lassen, um im normalen und vereinfachten UVP-Genehmigungsverfahren Parteistellung und Rechtsmittelbefugnis zu erlangen.

·               Gemäß AWG-Novelle 2004 (BGBl 2004/155) waren anerkannte Umweltorganisationen in  abfallrechtlichen IPPC-Genehmigungsverfahren zu beteiligen, die nach dem 31.5.2005 beantragt worden waren.

·               Mit GewO-Novelle 2005 (BGBl 2005/85) wurde Umweltorganisationen in Genehmigungsverfahren für IPPC-Anlagen, die ab dem 25. Juni 2005 eingeleitet wurden, Parteistellung eingeräumt.

·               Mit gleicher Sammelnovelle wurde gemäß EK-G-Novelle auch Umweltorganisationen in Verfahren zur Genehmigung von Kesselanlagen mit mehr als 50 MW Parteistellung und Rechtsmittelbefugnis eingeräumt und

·               gemäß Mineralrohstoffgesetz-Novelle auch bei mineralrohstoffverarbeitenden IPPC-Anlagen (in nach dem 24.6.2005 eingeleiteten Verfahren).

In Reaktion auf ein Mahnschreiben der Europäischen Kommission (Vertragsverletzungsverfahren Nr 2012/2013) wurde mit der UVP-G-Novelle 2012 (BGBl 2012/77) Umweltorganisationen ein Anfechtungsrecht gegenüber negativen UVP-Feststellungsbescheiden eingeräumt. Dieser nachträgliche Rechtsbehelf ist seit 2.8.2012 möglich (Der ebenfalls im Mahnschreiben gerügte fehlende Rechtsbehelf für Nachbarn potentiell uvp-pflichtiger Vorhaben wurde erst aufgrund der EuGH-Entscheidung Karoline Gruber mit UVP-G-Novelle 2016 gesetzlich verankert.).

Eine Umsetzung von Art 9 Abs 3 AK ist bisher unterblieben. Österreich wurde bereits 2012 von dem Aarhus Convention Compliance Committee (ACCC) als säumig in der Umsetzung erkannt. Die Vertragsstaatenkonferenz der Konvention bestätigte 2014 diese Säumigkeit und forderte Österreich zur raschen Umsetzung auf. Während der Umweltminister im Umweltausschuss mit ExpertInnen-Hearing (zum grünen Entschließungsantrag auf vollständige Umsetzung der Aarhus-Konvention) im Juni 2014 eine schnelle Reaktion in Aussicht stellte, kam das ACCC im Oktober 2015 zum Schluss, dass nach wie vor konkrete Umsetzungsschritte fehlen und forderte diese sowie einen Zeitplan bis Ende 2015 ein. Hinzuweisen ist auch auf das laufende Vertragsverletzungsverfahren Nr 2014/4111 wegen Verletzung von Art 9 Abs 3 AK und des Prinzips des effet utile.

Gegen eine Umsetzung wird seitens der Wirtschaft das Argument der „Klagsflut“ vorgebracht bzw behauptet, dass die Beteiligungsrechte ausschließlich zu „Verhinderungsinstrumenten“ verkommen würden. Diese Behauptungen vermögen natürlich nicht die Umsetzungsverpflichtung in Frage zu stellen. Sie sind darüber hinaus auch bloße Behauptungen, die durch den dreijährlichen UVP-Bericht auch widerlegt werden. So führt der 6. UVP-Bericht 2015 (III- 208 dBeil) auf S 28 aus, dass im Zeitraum 2.8.2012 bis Ende Juli 2015 nur 13 UVP-Feststellungsbescheide von Umweltorganisationen einer Überprüfung zugeführt wurden. Die durchschnittliche Dauer der Genehmigungsverfahren (ab Vollständigkeit der Unterlagen resp deren Auflage) belief sich im Jahre 2014 auf 6,8 Monate (Bericht S 24). Die durchschnittliche Dauer der Rechtsmittelverfahren (für Genehmigungen) betrug 2014 nur 3,6 Monate (Bericht S 34). Von den seit 2000 eingereichten Vorhaben (400) wurden nur 3% nicht bewilligt (Bericht S 18). Eine gesonderte Ausweisung der NGO-Beteiligung in UVP-Genehmigungsverfahren erfolgte nicht.  Zu IPPC-Verfahren nach dem Abfallwirtschaftsgesetz, der Gewerbeordnung, dem Emissionsschutzgesetz für Kesselanlagen sowie dem MineralrohstoffG gibt es nicht einmal vergleichbare Vollzugsberichte und Daten.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.         Wie viele IPPC-Verfahren wurden nach Inkrafttreten der Beteiligungsrechte der Umweltorganisationen gemäß der Sammelnovelle BGBl 2005/85 nach der a) GewO, b) dem EG-K und c) dem MinroG bis jetzt beantragt und verhandelt?

2.         In wie vielen dieser Verfahren beteiligten sich anerkannte Umweltorganisationen als Verfahrensparteien?

3.         Wie viele dieser Verfahren wurden in erster Instanz abgeschlossen und in wie vielen Fällen wurden von Umweltorganisationen a) ein ordentliches und b) ein außerordentliches Rechtsmittel erhoben?

4.         Wie hoch war die Dauer dieser Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, vor der Rechtsmittelinstanz und vor dem Verwaltungsgerichtshof und in welchem Verhältnis stehen diese Verfahrensdauern zu IPPC-Verfahren ohne Beteiligung der Umweltorganisationen?

5.         In wie vielen dieser Fälle wurde das IPPC-Genehmigungsansuchen letztlich versagt?