8869/J XXV. GP

Eingelangt am 06.04.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Sigrid Maurer, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend „Medizinstudium Light“ in Tirol

BEGRÜNDUNG

 

Wie diversen Medienberichten zu entnehmen ist, plant die Tiroler Landesregierung die Einrichtung eines privaten Medizinstudiums, einer Tiroler „Medical School“. An der bereits bestehenden UMIT – Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, medizinischen Informatik und Technik – sollen künftig laut zuständigem Landesrat Bernhard Tilg 100 bis 120 Ärzt_innen ausgebildet werden. Das Studium soll in Kooperation mit der Medizinischen Universität Innsbruck und der Leopold-Franzens-Universität angeboten werden. Die „abgespeckte Vorklinik mit ihren naturwissenschaftlichen Fächern“ soll die Leopold-Franzens-Universität übernehmen, die ärztliche Ausbildung die Medizinische Universität Innsbruck.[1] Die öffentlichen Universitäten in Tirol beteiligen sich also aktiv am Aufbau einer privaten Parallelstruktur zum öffentlichen Bildungsangebot.

Die Notwendigkeit eines privaten Medizinstudiums wird mit dem angeblichen Ärzt_innenmangel im Land begründet. Dabei ist das Rezept, einfach mehr Ärzt_innen auszubilden, um dem angeblichen Mangel entgegenzuwirken, gar nicht erfolgsversprechend: Nicht die Zahl der ausgebildeten Ärzt_innen ist zu niedrig, sondern die Arbeitsbedingungen sind so schlecht, dass ein großer Teil der Absolvent_innen abwandert. In den tirol kliniken wird z. B. im klinisch-praktischen Jahr nicht einmal eine Aufwandsentschädigung an die arbeitenden Medizinstudierenden ausgezahlt.

Aus der Gruppe der Ärzt_innen gibt es scharfe Kritik und die berechtigte Befürchtung, dass ein solches „Medizinstudium light“ zu einer Zwei-Klassen-Ausbildung in der Medizin führt. Die Folge sind besser und schlechter ausgebildete Ärzt_innen[2]. Wenn es nach dem Plan des Landesrates geht, werden die schlechter ausgebildeten Ärzt_innen mittels Vertrag dazu verpflichtet, zumindest einige Jahre im Land zu bleiben.

Mit der Einrichtung von Privatuniversitäten werden Bestrebungen einer bundesweiten Steuerung der Hochschulentwicklung, wie jene des kürzlich angekündigten Fächerabgleichs oder jene des gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplans konterkariert. Besonders irritierend dabei ist, dass diese Initiativen von Landesregierungen gesetzt werden. Die Frage, ob nun eine Verländerung der Hochschul- und Wissenschaftspolitik droht, ist angesichts der aktuellen Entwicklungen gerechtfertigt. Ebenso muss die politische Frage diskutiert werden, ob die öffentliche Hand die Privatisierung von Bildung vorantreiben sollte.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Gab es Gespräche zwischen der Tiroler Landesregierung und Ihrem Ministerium über die Einrichtung einer medizinischen Privatuniversität in Tirol?

a.    Wenn ja, was war der Inhalt dieser Gespräche?

b.    Wenn nein, warum nicht?

 

2)    Befürworten Sie die Einrichtung einer medizinischen Privatuniversität in Tirol?

 

3)    Gab es Gespräche zwischen Ihrem Ministerium und der Medizinischen Universität Innsbruck bzw. mit der Tiroler Landesregierung zur Aufstockung der Medizin-Studienplätze an der Medizinischen Universität Innsbruck? Wenn ja, was war das Ergebnis dieser Gespräche?

 

4)    Ist die Verpflichtung von Absolvent_innen eines Studiums an einer Privatuniversität zur Erwerbstätigkeit in einem Tiroler Krankenhaus rechtlich zulässig? Welche rechtlichen Grundlagen gelten hierfür?

 

5)    Was ist die konkrete Rechtsgrundlage für die Beteiligung öffentlicher Universitäten an Privatuniversitäten?

 

6)    Wie wird sichergestellt, dass zur Finanzierung von Privatuniversitäten keine für die öffentlichen Hochschulen gewidmeten Mittel bzw. keine mit diesen Mitteln erwirtschafteten Erträge herangezogen werden?

 

7)    Befürworten Sie die Beteiligung von öffentlichen Universitäten an Privatuniversitäten?

a.    Wenn ja, aus welchen Gründen?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Wenn nein, welche konkreten Maßnahmen setzen Sie dagegen? 

 

8)    Inwiefern entspricht die Beteiligung öffentlicher Universitäten an Privatuniversitäten deren öffentlichem Bildungs- und Wissenschaftsauftrag?

 

9)    An welchen Privatuniversitäten sind die 21 öffentlichen Universitäten beteiligt? Bitte um Auflistung nach den Universitäten, den Privatuniversitäten und den jeweils gehaltenen Anteilen.

 

a.    Welche Ausgaben entstanden den jeweiligen Universitäten aus den Beteiligungen an den Privatuniversitäten jährlich? Bitte um Auflistung nach Universität und Höhe der Ausgaben.

 

b.    Welche Einnahmen entstanden den jeweiligen Universitäten aus den Beteiligungen an den Privatuniversitäten jährlich? Bitte um Auflistung nach Universität und Höhe der Einnahmen.

 

10) An welchen sonstigen privaten Bildungseinrichtungen sind die 21 öffentlichen Universitäten beteiligt? Bitte um Auflistung nach Universitäten, den Bildungseinrichtungen und den jeweils gehaltenen Anteilen.

 

a.    Welche Ausgaben entstanden den jeweiligen Universitäten aus den Beteiligungen an den privaten Bildungseinrichtungen jährlich? Bitte um Auflistung nach Universität und Höhe der Ausgaben.

 

b.    Welche Einnahmen entstanden den jeweiligen Universitäten aus den Beteiligungen an den privaten Bildungseinrichtungen jährlich? Bitte um Auflistung nach Universität und Höhe der Einnahmen.

 

11) Mit welchen Haftungen sind die Beteiligungen der Universitäten an Privatuniversitäten jeweils verbunden?

 

12) Welche Risiken tragen die Universitäten jeweils durch ihre Beteiligungen an den Privatuniversitäten?

 

13) Mit der Einrichtung und Finanzierung von Privatuniversitäten durch Landesregierungen wird die bundesweite Steuerung des Hochschulsektors umgangen. Stellen Sie sicher, dass es zu keiner Verländerung des Hochschulsektors und der Wissenschaftspolitik kommt?

a.    Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen setzen Sie hier?

b.    Wenn nein, warum nicht?

 

 



[1] Tiroler Tageszeitung vom 16.03.2016, S. 5.

[2] Tiroler Tageszeitung vom  20.01.2016, S. 2; Tiroler Tageszeitung vom 31.03.2016, S. 2.