9172/J XXV. GP
Eingelangt am 04.05.2016
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Inneres
betreffend Parlamentarische Materialien
BEGRÜNDUNG
In immer kürzer werdenden Zeitabständen tritt die „Identitäre Bewegung Österreich“ (IBÖ) mit sehr verstörenden Provokationen an die Öffentlichkeit: Nachdem am 24. März vor den Parteizentralen der SPÖ und der Grünen Wien Terroranschläge simuliert wurden und in Reaktion auf die Vorkommnisse in Brüssel den beiden Parteien dafür die Schuld zugeschoben wurde („Multikulti, Asylwahn, Terror – Das ist eure Schuld!“), folgte am 6. April eine unerlaubte Kundgebung sowie eine Kletteraktion auf das Dach des Grünen Hauses in Graz. Der Standard schrieb dazu: „Am Vormittag hatte die Gruppe bereits in einer kryptischen Aussendung Störaktionen angekündigt. ‚Auch wir haben solche Informationen erhalten’, erzählt Fritz Grundnig von der Polizei dem STANDARD, ‚allerdings war darin von einer Aktion bei einem islamischen Kulturzentrum in der Herrgottwiesgasse die Rede’. Diese fand aber nicht statt. ‚Da hat offensichtlich auch der Spionagedienst der anderen Seite funktioniert’, sagt Grundnig. Der Verfassungsschutz ermittelt.“[1] Die Antifaschistische Recherche Graz konnte anhand von Fotos 14 Personen von teilnehmenden AktivistInnen identifizieren und veröffentlichte diese Liste.[2]
Nachdem der Smoothie-Hersteller „Innocent“ eine auf den Bundespräsidentschaftswahlkampf anspielende Kampagne lanciert und in einer Kommentierung zu einem Posting geschrieben hatte „Unsere Flaschen enthalten garantiert kein braunes Fallobst. Versprochen"[3], sah sich Martin Sellner, Obmann der Wiener Identitären (einst Aktivist im Dunstkreis des Holocaustleugners Gottfried Küssel und mutmaßlicher Administrator der mittlerweile verbotenen Website alpen-donau.info) am 13.4.2016 animiert, eine mehr oder weniger unverhohlene Drohung auf der Facebook-Seite von „Innocent“ zu hinterlassen: „Die Lage in Österreich ändert sich & wir vergessen nichts.“
Am 14. April drangen Identitäre ins Audimax der Universität Wien ein und störten die Aufführung von Elfriede Jelineks Stück „Die Schutzbefohlenen“, die unterbrochen werden musste. Am 20.4. schreibt Der Standard: „Eine Handvoll Rädelsführer wurde laut Polizei zwar identifiziert. Die ursprünglichen Anzeigen wegen ‚Störung einer Versammlung’ würden aber nicht weiterverfolgt, weil es sich bei der Theateraufführung nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe. Wegen Hausfriedensbruchs wird ebenfalls nicht ermittelt, weil die Aktion selbst nicht mit einer Gewaltabsicht verbunden gewesen sei, hieß es bei der Wiener Polizei. (...) Im Raum steht allerdings noch der Vorwurf der Körperverletzung, weil nach einem Handgemenge zwischen Aktivisten und dem Publikum beide Seiten entsprechende Anzeigen gegen unbekannte Täter eingebracht hatten. Hier ermittelt das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.“[5] Anhand zahlreicher Fotos und Videos identifizierte die „Antifa Recherche Wien“ 14 Personen[6], die an der Störaktion im Audimax teilgenommen hatten. Zudem wurden weitere Fotos im Internet veröffentlicht, anhand derer sich eine Identifikation von Beteiligten relativ einfach vornehmen lässt.[7]
Schließlich kletterte ein „Brüderpaar“ (Presseaussendung
LPD Wien[8]; gemeint sind Thomas und Martin Sellner) am
27.4.2016 auf das Dach des Burgtheaters, um ein Transparent mit der Aufschrift
„Heuchler“ zu montieren und Flugzettel auf das dort wartende
Burgtheaterpublikum zu werfen. Wiederum richtete sich die Aktion gegen Jelineks
Stück „Die Schutzbefohlenen“, wofür an diesem Tag
Nationalratspräsidentin Doris Bures den Ehrenschutz übernommen hatte.
Das brachte der Nationalratspräsidentin auf der Website der IBÖ
folgenden Eintrag ein: „Schuld an all dem
sind Politiker wie Doris Bures, die diese Tatsachen immer noch ignorieren und
weitermachen, als wäre nichts geschehen. An ihren Händen klebt das
Blut von Bataclan und Brüssel und sie sind verantwortlich für die
Vergewaltigungen, die Tag für Tag Europa überziehen.
‚Doch wir sind angetreten, euch mit den Konsequenzen eures Handelns zu
konfrontieren und nichts kann uns davon abhalten. Schon gar nicht der
‚Ehrenschutz‘ einer Regierung, die ihr eigenes Volk nicht
schützen will.’, so Martin Sellner, Leiter der
Identitären Bewegung Österreich.“[9]
Am 17.1.2016 kam es nach einer Demonstration der Identitären in Graz zu einem gewalttätigen Überfall auf GegendemonstrantInnen: „Zwei Männer, die dem Umkreis der Identitären Bewegung zugerechnet werden, wurden in der Folge von der Polizei festgenommen. Sie und fünf weitere Männer sollen die zwei jungen Männer und zwei Frauen, die auf dem Rückweg zu ihrem in einer Seitengasse geparkten Auto waren, überfallen haben. Ein weiterer mutmaßlicher Angreifer ist laut den vier mutmaßlichen Opfern ebenfalls – aufgrund von Facebook-Einträgen und öffentlichen Auftritte – den Identitären zuzurechnen.“[10] Fotos und Augenzeugenberichten ist zu entnehmen, dass es sich hierbei um eine geplante Aktion gehandelt haben dürfte, da die Angreifer mit Schlagstöcken, Totschlägern, Quarzhandschuhen etc. ausgestattet waren.[11] Die an der Gewaltaktion Beteiligten sind zweifelsfrei den Identitären zuzuordnen[12] und waren teilweise auch bei den o.g. Aktionen anzutreffen.
Immer wieder zeigen sich bei den Identitären Querverbindungen zur
und personelle Überschneidungen mit der FPÖ. So schreibt die APA:
„Bei der FPÖ halten sich die Berührungsängste mit den
Identitären in Grenzen. So teilte Parteichef Heinz-Christian Strache
vergangene Woche auf Facebook ein Werbevideo der Rechtsextremen (‚Komm in
die Identitäre Bewegung’) und lobte ihren ‚friedlichen
Aktionismus’. Strache mit seinen über 340.000 Facebook-Fans
verschaffte dem Video binnen zwei Tagen mehr als 42.000 Views.
Im Februar hatte der blaue Vizebürgermeister von Wiener Neustadt, Michael
Schnedlitz, die Identitäre Bewegung mit ihren gelb-schwarzen Fahnen zu
einer Anti-Asyl-Demo begrüßt: ‚Hier seid ihr sehr herzlich
willkommen.’ Auch der Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) im
Burgenland, Werner Wassicek, pflegt Kontakt mit den Identitären. Im
Vorjahr freute er sich, ‚dass die Identitären immer wieder unseren
Einladungen folgen’. Heuer im April hingegen hat die steirische FPÖ
ein Funktionsverbot gegen einen blauen Bezirkspolitiker erlassen, der mit den
Identitären das Dach der Grazer Grünen geentert hatte.“[13] Ob dieses Funktionsverbot noch aufrecht und
der hier gemeinte Luca Kerbl noch Parteimitglied ist, ließ sich bislang
nicht eruieren.
Im Oktober 2015
gratulierte Wassicek den Identitären zur Errichtung eines Protestcamps
gegen die dort ankommenden Geflüchteten: „‚Das
ist schon eine sehr mutige und vor allem lobenswerte Aktion. Während die
Bundesregierung tatenlos zusieht, formieren sich Patrioten und werden selbst
aktiv. Da kann man nur gratulieren’, so Werner Wassicek, Landesobmann des
RFJ Burgenland.
Wassicek, der die Identitären schon dreimal in das Burgenland eingeladen
hat, freut sich, dass er das Potential dieser Gruppe schon früh erkannt
hat. ‚Vor wenigen Jahren wurden die Aktivisten noch belächelt, heute
sind sie zu einer Organisation gewachsen, die aus Österreich nicht mehr
wegzudenken ist – und das ist gut so’.“[14] Der mit den Identitären offen sympathisierende
burgenländische FPÖ-Landtagsabgeordnete Géza Molnár[15] wurde im April 2016 sogar zum Klubobmann des freiheitlichen
Landtagsklubs im Burgenland ernannt.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1) Im Verfassungsschutzbericht 2014 ist zu lesen: „Die Distanzierung vom Neonazismus in öffentlichen Statements ist als taktisches Manöver zu werten, da sich in den Reihen der Bewegungseliten amtsbekannte Neonazis befinden und Kontakte in andere rechtsextremistische Szenebereiche bestehen.“[16] Gibt es Querverbindungen und Vernetzungen zu Gruppen/einzelnen Personen, die wegen einschlägiger Delikte strafrechtlich verfolgt bzw. verurteilt wurden?
2) Sind Ihnen Vernetzungen ins Ausland bekannt? Wenn ja, in welche Länder und zu welchen Personen/Gruppierungen?
3) Welches Gefahrenpotential schreibt der Verfassungsschutz den Identitären zu?
4) Gibt es unter den Identitären Personen, denen Bereitschaft zu Gewalttätigkeit zugeschrieben wird? Falls ja: Um wie viele Personen handelt es sich in etwa?
5)
Zu welchen Ergebnissen haben die Ermittlungen
bezüglich des Vorfalls in Graz am 6.4.2016 geführt?
a. Wie viele Personen wurden identifiziert?
b. Wie viele Personen wurden angezeigt?
c. Gegen wie viele Personen wurde ein Verfahren eingeleitet?