9251/J XXV. GP

Eingelangt am 12.05.2016
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

 

 

betreffend Grundrechteschutz im Freihandel (TTIP)

 

Mit dem Transatlantischen Freihandelsabkommen soll ein Diskriminierungsverbot zu Gunsten US-amerikanischer Anbieter beim Zugang zum europäischen Markt und vice versa statuiert werden. So wie TTIP Diskriminierungen europäischer Unternehmen in den USA hintanhalten soll, soll kein Anbieter aufgrund seiner US-amerikanischen Staatsangehörigkeit in Europa Benachteiligungen erleiden müssen. TTIP scheint dabei Anleihe am Konzept der europäischen Grundfreiheiten zu nehmen, die Diskriminierungen und Beschränkungen von Anbietern aus anderen EU- Mitgliedsländern einen Riegel vorschieben. Charakteristisch für den Vollzug der Grundfreiheiten ist das Spannungsverhältnis zwischen diesen und Maßnahmen protektionistischen Charakters, die die Mitgliedstaaten aus sachlichen Gründen in Kraft setzen.

 

Zwar genießen die aus den Grundfreiheiten erfließenden Rechte und Pflichten gegenüber mitgliedsstaatlichem Recht Vorrang, doch dringen einzelne unionsrechtlich anerkannte nationale Interessen gegenüber den Grundfreiheiten durch. Mit TTIP stellen sich auch im Verhältnis zwischen US-Anbietern und der EU bzw. zwischen US- Anbietern und den EU-Mitgliedsstaaten ähnliche Fragen. Wie eine erste Analyse von geheimen Verhandlungsdokumenten zu TTIP, welche am 2.5.2016 von Greenpeace veröffentlicht wurden, ergibt, drohen durch TTIP tatsächlich massive Eingriffe in die Umwelt und das Leben von fast einer Milliarde Menschen dies- und jenseits des Atlantiks.

 

An das BMWFW als federführendes Ministerium ergeht daher folgende

 

 

Anfrage

 

1.     Die Vollziehung der EU-Grundfreiheiten hat die Frage aufgeworfen, ob grundrechtliche Gewährleistungen, wie sie insbesondere die mitgliedsstaatlichen Verfassungen festschreiben, in einer Interessensabwägung gegenüber den Diskriminierungs- und

Beschränkungsverboten des Unionsrechts durchdringen. Im Recht der Union wurden Grundrechte ursprünglich nicht zufriedenstellend berücksichtigt, sodass es fraglich war, ob sie Eingriffe in die EU-Grundfreiheiten rechtfertigen können.

a.     Welche Rolle ist ihnen bei TTIP zugedacht?

b.     Wie wurde/wie wird die Grundrechtsproblematik im Verhandlungsprozess behandelt? Gab es eigene Sitzungen zu deren Erörterung?

c.     Auf welche Weise hat das BMWFW zur Erörterung der Grundrechtsproblematik beigetragen und die Berücksichtigung der Grundrechte gefördert?

2.     Welche Grundrechte gelten im Anwendungsbereich von TTIP als schützenswert, sodass sie gegenüber dem Interesse eines US-amerikanischen Anbieters, in nichtdiskriminierender Weise Zugang zum Markt eines Mitgliedstaates zu erhalten, stärker zu gewichten sind?

a.    Kann die Wahrung politischer Grundrechte im weiteren Sinne, wie die Versammlungsfreiheit und die Meinungs- und Pressefreiheit, eine Diskriminierung eines US-amerikanischen Investors rechtfertigen?

b.    Können Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte grundrechtlichen Charakters, wie die Koalitionsfreiheit, eine Diskriminierung rechtfertigen?

c.    Für die Berücksichtigung welcher Grundrechte macht sich das BMWFW stark?

3.     Welche Grundrechtsdokumente sind Schablonen für den Grundrechteschutz im Rahmen von TTIP? Wie hat sich das BMWFW positioniert bzw. wie positioniert es sich?

4.     Ein wirksamer Grundrechteschutz verlangt eine unabhängige Rechtsprechung von Berufsrichterinnen und Berufsrichtern, die einen fairen Interessensausgleich gewährleisten. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner lehnen jedes Streitschlichtungsverfahren ab, das unternehmerische Interessen über das Gemeinwohl stellt. Sie stehen den bisher bekannten Vorschlägen daher kritisch gegenüber.

a.    Das Europäische Parlament hat angeregt, an die Stelle der vieldiskutierten Schiedsgerichte ein Investitionsgericht nach dem Vorbild des Internationalen Gerichtshofes treten zu lassen. Welche Argumente sprechen aus der Sicht des BMWFW für und welche gegen ein Investitionsgericht?

b.   Welche alternativen Möglichkeiten der Streitschlichtung - abseits der Schiedsgerichte und des Investitionsgerichts - sind für das BMWFW vorstellbar und welche erachtet es als am besten geeignet, um österreichische Interessen zu wahren?

c.   Wie weit sind die Beratungen über das Streitschlichtungsverfahren fortgeschritten und welche Lösung zeichnet sich ab?

5.     Der EU-Standard des Vorsorgeprinzips findet in den Dokumenten keinerlei Erwähnung, gleichzeitig drängen die USA auf die Anwendung des Risikoprinzips. Dadurch könnte es in Europa künftig möglich werden, dass auch hoch umstrittene und bislang in vielen Ländern nicht zugelassene genmanipulierte Pflanzen und Lebensmittel oder auch mit Wachstumsbeschleunigern erzeugtes Fleisch so lange angebaut und konsumiert werden, bis ihre Schädlichkeit nachgewiesen ist. Es stellt sich daher die Frage, ob dies dem BMWFW bewusst ist und wie es gedenkt auf diese Forderung der USA umzugehen?