9252/J XXV. GP

Eingelangt am 12.05.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Werner Kogler, Freundinnen und Freunde an den Bundeskanzler

betreffend dramatische Risiken durch das Freihandelsabkommen CETA

BEGRÜNDUNG

 

In der Entschließung vom 24.9.2014 hat der Nationalrat Anforderungen an Freihandelsabkommen der EU definiert, die sowohl in der Aufrechterhaltung hoher europäischer Standards als auch im Schutz öffentlicher Dienstleistungen liegen. Darüber hinaus sei die Sinnhaftigkeit der  Aufnahme von ISDS-Klauseln bei Abkommen mit Staaten mit entwickelten Rechtssystemen (z. B. USA und Kanada) nicht erkennbar. Gemäß der genannten Entschließung hat der österreichische Bundeskanzler beim Europäischen Rat im März 2015 eine entsprechende Erklärung abgegeben.

Ende Februar 2016 gaben nun die Europäische Kommission und die kanadische Regierung bekannt, dass die juristische Überprüfung von CETA, dem EU-Kanada Handelsabkommen, abgeschlossen ist. Im Zuge dessen wurde auch der im Rahmen von TTIP vorgelegte neue EU-Ansatz im Bereich Investitionen übernommen, der nach wie vor Sonderklagsrechte für ausländische Investoren vorsieht. Demnach wird der vorliegende CETA-Vertrag den Anforderungen, die der Nationalrat in seiner Entschließung dargelegt hat, nicht gerecht. Ungeachtet dessen sieht Wirtschaftsminister Mitterlehner in den neuen Investorenschutzregeln „gute Verbesserungen“ und forciert damit die Verankerung von Sonderklagsrechten für Konzerne in EU-Handelsabkommen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Welche Chancen und Risiken für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt sehen Sie durch das vorliegende EU-Handelsabkommen mit Kanada?

2)    In welcher Weise und mit welchem Ergebnis erfolgte die Abstimmung in der Regierung hinsichtlich des neuen EU-Investorenschutzes im CETA-Vertrag?

3)    Steht Ihrer Ansicht nach der Beschluss des Nationalrates vom 24. September 2014, in dem  festgehalten wird, dass „die Sinnhaftigkeit der Aufnahme von ISDS-Klauseln bei Abkommen mit Staaten mit entwickelten Rechtssystemen (z.B. USA und Kanada) … aus heutiger Sicht nicht erkennbar“ ist, im Einklang mit dem nun in CETA verankerten Investitionsschutz (ICS)?

a.    Wenn ja, weshalb?

b.    Wenn nein, weshalb nicht und welche konkreten Schritte werden Sie setzen, um dieses Versäumnis zu beheben?

4)    Welche Schlussfolgerungen für die regierungsinterne Koordinierung ziehen Sie, dass vor dem Hintergrund der Entschließung des Nationalrats das zuständige Wirtschaftsministerium an der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit festhält?

5)    Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus der Stellungnahme des deutschen Richterbundes[1] vom Februar 2016 zum neuen ICS-System, in dem es heißt:
„Das mit dem Vorschlag für ein Internationales Investitionsgericht offensichtlich verbundene Verständnis, die Gerichte der Mitgliedstaaten der Union könnten ausländischen Investoren keinen effektiven Rechtsschutz gewähren, entbehrt sachlicher Feststellungen. Sollten hier Schwächen von den Vorhandlungspartner für ein TTIP in einzelnen EU-Mitgliedstaaten erkannt worden sein, so müssten sie gegenüber dem nationalen Gesetzgeber offengelegt und klar definiert werden. Es wäre dann Aufgabe des Gesetzgebers und der für die Justiz Verantwortlichen, im bewährten System des nationalen und europäischen Rechtsschutzes Abhilfe zu schaffen“?

6)    Wie beurteilen Sie die Bestimmungen in CETA, dass im Rahmen der Regulierungszusammenarbeit die kanadische Regierung bei beabsichtigten EU-Regulierungen bereits in der Planungsphase bzw. so früh als möglich und damit noch vor den Parlamenten eingebunden werden soll?

a.    Welche Auswirkungen hätte dieses Prozedere auf die bisherige Praxis der EU-Regulierungspolitik? Zu welchem Zeitpunkt werden in der in CETA vorgeschlagenen Regierungszusammenarbeit der Rat und das Europäische Parlament bei beabsichtigten EU-Regulierungen miteinbezogen?

b.    Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in diesem Prozedere für EU-Regulierungsvorhaben und insbesondere auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung von Standards im Interesse der Allgemeinheit?

7)    Inwieweit sehen Sie einen Konflikt zwischen dem verankerten staatlichen Regulierungsrecht und den vertraglichen Vorgaben zur Regulierungszusammenarbeit, die Handelserleichterungen zum Ziel haben und ja gerade darauf beruhen, dass eben nicht jede Vertragspartei beliebig regulieren darf? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

8)    Wie sind in CETA im Rahmen der Regulierungszusammenarbeit die effektive Durchsetzung von möglichst hohen Schutzstandards (z.B. für ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen, Gesundheit, Umwelt, Lebensmittel) und deren Weiterentwicklung sichergestellt? Halten Sie die Formulierungen im Vertragstext für ausreichend, dass es zu keinem Abbau oder Aushöhlen von Standards kommt und dass deren Weiterentwicklung weiterhin möglich bleibt?

9)    Wodurch ist gewährleistet, dass bei Regulierungsfragen der Schutzzweck im Vordergrund steht und dieser nicht auf Basis des Ziels von Handelserleichterungen ausgehöhlt oder abgebaut wird? Wie bewerten Sie die Formulierungen im Vertragstext hinsichtlich der möglichen Gefahr, Standards abzubauen bzw. auszuhöhlen anstatt diese aufrechtzuerhalten bzw. weiterzuentwickeln?

10) Welchen Mehrwert hat die in CETA vereinbarte Liberalisierung von Dienstleistungen von öffentlichem Interesse für deren Erbringung in Österreich?

11) Stehen die in CETA getroffenen Regelungen hinsichtlich öffentlicher Dienstleistungen im Einklang mit der Entschließung des Nationalrats vom 24.9.2014, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, „den Schutz öffentlicher Dienstleistungen gegenüber den Handelspartnern der EU auch auf europäischer Ebene weiterhin offensiv einzufordern. Dies bedeutet insbesondere, dass die Handlungsspielräume auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene zum Erhalt sowie Ausbau der öffentlichen Dienstleistungen bzw. der Daseinsvorsorge  sicherzustellen und  somit vor einer Einschränkung  durch Liberalisierungsverpflichtungen zu  schützen sind. Am Schutzniveau der bisherigen  horizontalen  Ausnahmen  für  öffentliche  Dienstleistungen  (,Public  Utilityʻ-Klausel  und „Subventionsvorbehalt“) muss festgehalten werden und auch das Recht der Mitgliedstaaten, über Definition, Organisation und Anforderungen an öffentliche Dienstleistungen zu entscheiden sowie das Subsidiaritätsprinzip müssen gewahrt bleiben. Außerdem muss es den Mitgliedstaaten weiterhin offenstehen, abhängig von den jeweiligen nationalen Gegebenheiten und im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen, ihre sensiblen öffentlichen Dienstleistungen in künftigen Handelsverhandlungen abzusichern“?

a.    Wenn ja, weshalb?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

12) Weshalb wurde in CETA erstmals einem Negativlistenansatz für Ausnahmen im Bereich öffentlicher Dienstleistungen, wonach nur gelistete Sektoren dezidiert von einer Liberalisierung ausgenommen sind, im Vergleich zum bisher angewendeten Positivlistenansatz der Vorzug gegeben? Welche Vor- und Nachteile sehen Sie darin?

13) Welche Auswirkungen haben die festgelegten Regelungen im Bereich öffentlicher Dienstleistungen auf den Entscheidungsspielraum von Gemeinden, vorgenommene Liberalisierungen zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückzunehmen und öffentliche Dienstleistungen auch wieder zu rekommunalisieren?

14) Können Sie ausschließen, dass der Regelungsspielraum der Mitgliedstaaten und ihrer nachgeordneten Gebietskörperschaften für die Gestaltung von öffentlichen Dienstleistungen durch CETA eingeschränkt werden könnten?

a.    Wenn ja, weshalb und auf Basis welcher Bestimmung in CETA?

b.    Wenn nein, weshalb nicht und auf Basis welcher Bestimmung in CETA?

15) Weshalb wurde in CETA im Hinblick auf die Durchsetzung von Verstößen gegen Arbeits- oder Umweltstandards spezielle institutionelle Arrangements bzw. Konsultationsmechanismen verankert und diese nicht den Staat-Staat-Streitschlichtungsmechanismus, der auch Sanktionen vorsieht, unterworfen? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus für das Ziel hoher Arbeits- und Umweltstandards?

16) Wodurch ist sichergestellt, dass die im Kapitel über Handel und Arbeit festgelegte Klausel, wonach Handel und Investitionen nicht durch Absenken von Arbeitsstandards angekurbelt werden sollen, nicht zahnlos bleibt und weder in der EU noch in Kanada Maßnahmen getroffen werden, die die nationale Wettbewerbsfähigkeit durch Eingriffe in Arbeits- und Gewerkschaftsrechte verbessern sollen?

17) Werden Sie sich auf europäischer Ebene gegen CETA aussprechen und vor Beschlussfassung im Rat der EU die Ablehnung Österreichs im Europäischen Rat thematisieren?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

18) Wird es vor Beschlussfassung von CETA im Rat der EU eine einheitliche Regierungslinie zu CETA (Zustimmung oder Ablehnung) geben, die der zuständige Bundesminister auf EU-Ebene vertreten wird?

a.    Wenn ja, wann und in welchem Gremium wird diese erfolgen?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?



[1] Deutscher Richterbund: Stellungnahme zur Errichtung eines Investitionsgerichts für TTIP – Vorschlag der Europäischen Kommission vom 16.9.2015 und 12.11.2015; Februar 2016