9257/J XXV. GP

Eingelangt am 12.05.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Auswirkungen von TTIP und CETA auf die Land- und Lebensmittelwirtschaft in Österreich

BEGRÜNDUNG

 

Das „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (CETA), das Freihandelsabkommen der Europäischen Union (EU) mit Kanada, ist bereits zu Ende verhandelt. Die durch die EU-Kommission und Kanada durchgeführte mehrmonatige Rechtsförmlichkeitsprüfung wurde Ende Februar 2016 abgeschlossen. Danach wurde der finale Abkommenstext durch die EU-Kommission veröffentlicht.

Das transatlantische Handelsabkommen zwischen der EU, ihren Mitgliedstaaten und den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) ist aktuell in der 13. Verhandlungsrunde. Beide Abkommen stehen nach wie vor in der öffentlichen Kritik, insbesondere in den Bereiche audiovisuelle und kulturelle Dienstleistungen, Schutz geistiger Eigentumsrechte, Landwirtschaft, Investitionsschutz, Finanzregulierung, KonsumentInnen-, Umwelt- und Datenschutz, erwarten sich die KritikerInnen Nachteile durch diese Abkommen.

Nicht nur seitens des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, sondern auch seitens des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wurde mehrfach klargestellt, dass CETA und TTIP auf jeden Fall auch durch die jeweiligen nationalen Parlamente beschlossen werden müssen[1].

Im vorliegenden CETA-Vertragstext wird der Anwendungsbereich der Regulierungskooperation sehr weit gefasst. Er umfasst, mit wenigen Ausnahmen alle Regulierungen die einen Bezug zum Handel mit Waren oder Dienstleistungen aufweisen. Darunter fallen auch Maßnahmen zum Schutz und zur Weiterentwicklung von Landwirtschafts- und Lebensmittelstandards.


Ein Rechtsgutachten zur Regulierungszusammenarbeit in TTIP und CETA, im Auftrag der Arbeiterkammer Wien, kommt zu dem Ergebnis: „Durch den Hauptausschuss (CETA) können völkerrechtlich verbindliche Entscheidungen getroffen werden. Davon umfasst sind auch Änderungen der Anhänge, Anlagen, Protokolle und Anmerkungen. Dies könnte im Kontext der Regulierungszusammenarbeit signifikante Fortentwicklungen des Vertrages zur Folge haben. Letztlich bleibt jedoch unklar wie weit die Befugnis zur verbindlichen Entscheidung im Kontext der Regulierungszusammenarbeit reicht.“[2] Auch wenn nun nach der Rechtsförmlichkeitsprüfung des Vertrags der Passus aufgenommen wurde, dass Beschlüsse des Hauptausschusses erst nach den internen Zustimmungsvorschriften der Vertragsparteien Gültigkeit erlangen, ist zu befürchten, dass der demokratische Entscheidungsspielraum vom Europäischen Parlament und vom Rat der EU empfindlich eingeschränkt wird.

Ein weiteres Defizit liegt darin, dass nach dem geltenden EU-Recht das EU-Parlament nur ein einziges Mal bei der Ratifikation der Abkommen zustimmen muss. Über die Regulierungskooperation innerhalb der Abkommen muss es nur noch informiert werden.

Die Regulierungszusammenarbeit erfasst auch in Vorbereitung befindliche zukünftige Regulierungen. Im CETA Joint Committee „können völkerrechtlich verbindliche Beschlüsse getroffen werden. Davon umfasst sind auch Änderungen der Anhänge, Anlagen, Protokolle und Anmerkungen. Dies könnte signifikante Fortentwicklungen des Abkommens zur Folge haben.“[3], so die Studienautoren. Weiters soll die Regulierungszusammenarbeit in CETA auch Bereiche einschließen, die in den Kompetenzbereich der Mitgliedsstaaten fallen. Dennoch sind die Mitgliedsstaaten nicht unmittelbar in das CETA Joint Commitee eingebunden.

Die EU-Kommission versichert, dass europäische Standards durch CETA und TTIP nicht abgesenkt würden. Im fertig verhandelten CETA werden diesbezüglich zumindest schwache Formulierungen verwendet. Beispielsweise kommt das Vorsorgeprinzip, als ein Kern europäischer Regulierungspolitik, gar nicht vor. Der Verweis in CETA auf die Regelungen der WTO, stärkt auch eher die Befürchtung, dass Schutzmaßnahmen, die vor dem Nachweis der Schädlichkeit bestimmter Produkte oder Substanzen getroffen werden, nicht CETA-konform sein werden. Im Bereich der Gentechnik legten Kanada, die USA und Argentinien eine Beschwerde gegen die EU ein, wegen der Anwendung ihrer Rechtsvorschriften auf Biotechnologieerzeugnisse. Das WTO-Streitbeilegungsgremium (DSB) kam zu dem Schluss, dass für die verabschiedeten einzelstaatlichen Schutzmaßnahmen (die nationalen Anbauverbote) keine angemessene Risikobewertung zugrunde liege.

In CETA heißt es in Art. 25.2.2 konkret:

„The Parties also note the importance of the following shared objectives with respect to cooperation in the field of biotechnology:


(a)  to exchange information on policy, regulatory and technical issues of common interest related to biotechnology products, and, in particular, information on their  respective systems processes for risk assessments for decisionmaking on the use of genetically modified organisms;

(b)  to promote efficient science-based approval processes for biotechnology products;

(c)  to cooperate internationally on issues related to biotechnology, such as low level presence of genetically modified organisms; and

(d)  to engage in regulatory cooperation to minimise adverse trade impacts of regulatory practices related to biotechnology products.“

Der nunmehr, als Reaktion auf die öffentliche Kritik an den Schiedsgerichten, in CETA verankerte Vorschlag der Kommission für ein „Investment Court System“ (ICS) löst die grundlegenden Probleme des Schiedsgerichtssystemes nicht. Fast alle Grundfehler der Schiedsgerichte bleiben auch im Modell des Investitionsgerichts enthalten. U.a. besteht es eben nicht aus unabhängigen Richtern.

Der deutsche Richterbund kommentiert den Vorschlag folgendermaßen:

„Durch das ICS würde nicht nur die Rechtssetzungsbefugnis der Union und der Mitgliedstaaten eingeschränkt, auch das etablierte Gerichtssystem innerhalb der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union würde geändert werden.“

„Weder das vorgesehene Verfahren zur Ernennung der Richter des ICS noch deren Stellung genügen den internationalen Anforderungen an die Unabhängigkeit von Gerichten.“[4]

Auf Basis dieser Rechte finden Klagen statt wie die von Vattenfall gegen den deutschen Atomausstieg oder die Klage von Philipp Morris gegen Uruguay wegen Maßnahmen zum Nichtraucherschutz.

Im Zuge der TTIP-Verhandlungen wurde durch BM Rupprechter mehrfach betont, dass "(...) ein Ausverkauf der österreichischen Land- und Forstwirtschaft nicht in Frage komme." und: "Das europäische Agrarmodell wird nicht auf dem Altar des Freihandels geopfert.“[5]  Ebenso wurde durch BM Rupprechter mehrfach klar gemacht, dass geschützte geographische Herkunftsbezeichnungn für heimische Produkte wie den Tiroler Speck wichtig sind. In CETA gibt es nun eine Liste von Produkten mit Herkunftsbezeichnungen, die EU-Produkte schützen sollen. Auf dieser Liste befinden sich lediglich 173 der derzeit in der EU registrierten über 1500 Produkte.

Die EU-Mitgliedstaaten und die Kommission beteuern seit Jahren, dass die EU im Rahmen von CETA die höchsten Standards anstrebten. Die Verhandlungen mit der kanadischen Regierung und letztlich auch die Entwicklung des Nachhaltigkeitskapitels haben gezeigt, dass die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten den kanadischen Impuls für höhere Standards, im Sinne einer effektiven Durchsetzung, abgelehnt haben. Kanada hatte vorgeschlagen, den Verstoß gegen die in CETA getroffenen Vereinbarungen mittels hoher Geldstrafen zu sanktionieren. Die Bestimmungen des Nachhaltigkeitskapitels im finalen CETA-Text sind nun nicht rechtsverbindlich durchsetzbar und bleiben bei Verstößen ohne Konsequenzen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Werden Sie im österreichischen Ministerrat gegen eine Unterzeichnung von CETA stimmen?

a.    Wenn ja, weshalb?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

2)    Wie beurteilen Sie die Regulierungskooperation in CETA in Bezug auf den Schutz und die Weiterentwicklung von Landwirtschafts- und Lebensmittelstandards?

3)    Haben Sie sich für eine Ausnahme in der Regulierungskooperation für Umwelt-, Landwirtschafts- und Lebensmittelstandards eingesetzt?

a.    Wenn ja, wo und wie konkret?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

4)    Welche Maßnahmen werden Sie setzten, damit im CETA-Hauptausschuss, so CETA ratifiziert wird, keine Entscheidungen getroffen werden, die sich negativ auf EU-Umwelt-, Lebensmittel- und Landwirtschaftsstandards auswirken?

5)    Teilen Sie die Sicht, dass das Vorsorgeprinzip durch CETA ausgehöhlt wird?

a.    Wenn ja, was werden Sie dagegen unternehmen?

b.    Wenn nein, welche Möglichkeiten, bzw. welche Rechtsgrundlagen, sehen Sie, Maßnahmen zum Schutz der Agroökologie auf Basis des Vorsorgeprinzipes durchzuführen?

6)    Wie werden Sie sicherstellen, dass Österreich, auch im Falle der Ratifikation von CETA, die restriktive Politik in Bezug auf den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen weiterverfolgen kann?

7)    Wie werden Sie sicherstellen, dass es auf EU-Ebene zu keiner Aufweichung der Null-Toleranz für nicht zugelassene gentechnisch veränderte Organsimen kommt?

8)    Wie stellen Sie sicher, dass das Vorsorgeprinzip nach einer Ratifikation von CETA, trotz des Art. 25.2.2., weiterhin Grundlage für den Umgang Österreichs mit gentechnisch veränderten Konstrukten bleiben kann?

9)    Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, dass, nach einer Ratifikation von CETA, auf EU-Ebene und in Österreich die gentechnikfreie Fütterung von Nutztieren ausgebaut wird?

10) Schließen Sie aus, dass es im Falle einer Ratifikation von CETA zu einer Aufweichung der gentechnikfrei-Kennzeichnung kommen wird?


a.    Wenn ja, auf welcher Grundlage?

b.    Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie setzen, um dies zu verhindern?

11)  Können Sie ausschließen, dass eine verstärkte Mitsprache Kanadas bei der Erarbeitung von Regulierungen im Zuge der CETA-Regulierungszusammenarbeit zu einem „regulatory chill“, einer "Abkühlung" der Politik, im Umwelt-, Lebensmittel- oder Landwirtschaftsbereichen kommt?

a.    Wenn ja, auf welcher Grundlage?

b.    Wenn nein, was werden Sie dagegen unternehmen?

12) Wie beurteilen Sie das Risiko, dass Maßnahmen zum Schutz der Umwelt durch Klagsandrohungen von Konzernen im Rahmen von CETA abgeschwächt oder unterbunden werden könnten?

13) Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um dieses Risiko zu verringern?

14)  Wie bewerten Sie, dass im Zusammenhang mit Regulierungsmaßnahmen im Zuge von CETA auf das „right to regulate“ hingewiesen wird, dieses aber im Gegensatz zu der Absicht steht, den Handel zu vereinfachen und die Regulierungen zu harmonisieren?

15) Befürworten Sie die Sonderklagrechte für ausländische InvestorInnen durch CETA?

a.    Wenn ja, aus welchen Gründen?

b.    Wenn nein, was unternehmen Sie, um Klagen gegen staatliche Maßnahmen in einem legitimen öffentlichen Interesse abzuwenden?

16) Gilt Ihre Aussage in Bezug auf TTIP, dass „ein Ausverkauf der österreichischen Land- und Forstwirtschaft nicht in Frage komme“, auch in Bezug auf CETA?

a.    Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um dies zu verhindern?

17) Sind Ihnen (sektorenspezifische) Impactanalysen für die österreichische Landwirtschaft auf Basis des vorliegenden CETA-Vertrages bekannt, bzw. haben Sie solche beauftragt?

a.    Wenn ja, zu welchem Ergebniss kommen diese?

b.    Wenn nein, werden Sie diese noch in Auftrag geben?

18) Werden Sie sich gegen eine österreichische Zustimmung zu CETA aussprechen, wenn durch eine Impact-Analyse negative Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft, beispielsweise auf die sensiblen Bereiche Milch, Rind- oder Schweinefleisch, aufgezeigt werden können?

19) Wie bewerten Sie die erzielten Ergebnisse des CETA-Abkommens hinsichtlich geschützter Herkunftsangaben (g.g.A., g.U., g.t.S.), insbesondere die Beschränkung des Schutzes auf 10 Prozent der in der EU existierenden 1450 geschützten Herkunftsbezeichnungen?

20) Wie bewerten Sie, dass in CETA die Bezeichnung „Tiroler Speck“ geschützt ist, jedoch Bezeichnungen wie „Tiroler Bacon“ oder „Bacon Tiroler“ als Handelsmarke für kanadische ProduzentInnen erlaubt sind? Sehen Sie hier Verwechslungsgefahren für die europäischen KonsumentInnen?



[1] Vgl. http://www.tt.com/wirtschaft/9028217-92/zwist-um-abkommen-mit-usa-und-kanada.csp, http://diepresse.com/home/politik/eu/3875506/Rupprechter_Dann-ist-TTIP-zum-Scheitern-verurteilt

 

[2] https://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/Regulierungszusammenarbeit_ttip_ceta.pdf, S.5

[3] Ebd.

[4] Deutscher Richterbund: Stellungnahme zur Errichtung eines Investitionsgerichts für TTIP. Stellungnahme Nr. 4/16. Februar 2016

[5]http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160316_OTS0134/rupprechter-europas-agrarmodell-wird-nicht-am-altar-des-freihandels-geopfert