9260/J XXV. GP

Eingelangt am 12.05.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Birgit Schatz, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

betreffend dramatische Risiken durch das Freihandelsabkommen CETA

BEGRÜNDUNG

 

Ende Februar 2016 gaben die Europäische Kommission und die kanadische Regierung bekannt, dass die juristische Überprüfung von CETA, dem EU-Kanada Handelsabkommen, abgeschlossen ist. Im Rahmen dessen wurden alle wesentlichen Elemente des neuen EU-Ansatzes im Bereich Investitionen übernommen, der im TTIP-Vorschlag der EU vom November 2015 dargelegt wurde. Sobald der Vertragstext in alle EU-Amtssprachen übersetzt ist, wird dieser dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Zustimmung vorgelegt.

Der Nationalrat hat in seiner Entschließung vom 24.9.2014 die Bundesregierung in Hinblick auf die Freihandelsabkommen der EU mit Kanada und den USA aufgefordert, „weiterhin für die Aufnahme der Verpflichtung zur Einhaltung hoher sozialer, datenschutzrechtlicher und  ökologischer  Mindeststandards  einzutreten  und  eine  Absenkung  europäischer  Standards  zu verhindern. Ziel ist es, bei den Freihandelspartnern der EU die Ratifikation sowie Umsetzung ihrer Verpflichtungen aus den international anerkannten ILO-Übereinkommen sowie aus internationalen Umweltübereinkommen  zu  erreichen.  Dabei  ist  auch  auf  ein  effizientes  Monitoring  der Verpflichtungen und einen Mechanismus zur Beilegung von Differenzen bei mangelnder Umsetzung zu achten.“

Kanada hat bisher nur sechs der acht Kernarbeitsnormen unterzeichnet, es fehlen die Konvention 98 über das Recht zu Kollektivverhandlungen und die Konvention 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung. Von den vier prioritären ILO-Konventionen hat Kanada lediglich zwei unterzeichnet, es fehlen die Konvention 81 über die  Arbeitsaufsicht in Gewerbe und Handel sowie die Konvention 129 über die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft. 

Durch CETA droht nun ein Absenken bzw. Aufweichen erreichter sozial- und umweltpolitischer Standards in der EU und Österreich, weil diese nicht ausreichend abgesichert sind und insbesondere aufgrund der Verankerung von Sonderklagerechten für ausländische Investoren unter Beschuss stehen. Auch dazu hat der Nationalrat in seiner Entschließung festgehalten, dass „die Sinnhaftigkeit der Aufnahme von ISDS-Klauseln bei Abkommen mit Staaten mit entwickelten Rechtssystemen (z.B. USA und Kanada) … aus heutiger Sicht nicht erkennbar“ ist.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Welche Vor- und Nachteile erwarten Sie für den österreichischen Arbeitsmarkt und insbesondere im Hinblick auf Beschäftigung und Arbeits- und Sozialstandards im Falle einer Ratifikation von CETA?

2)    Sehen Sie die in der Entschließung des Nationalrats vom 24.9.2014 formulierten Anforderungen der hinsichtlich hoher Standards und der Verhinderung der Absenkung europäischer und österreichischer Standards in CETA erfüllt?

a.    Wenn ja, weshalb?

b.    Wenn nein, weshalb nicht und welche konkreten Schritte werden Sie setzen, um dieses Versäumnis zu beheben?

3)    Sehen Sie die in der Entschließung des Nationalrats vom 24.9.2014 formulierten Anforderungen hinsichtlich der Ratifikation von ILO Übereinkommen in CETA erfüllt?

a.    Wenn ja, weshalb?

b.    Wenn nein, weshalb nicht und welche konkreten Schritte werden Sie setzen, um dieses Versäumnis zu beheben?

4)    Sehen Sie die in der Entschließung des Nationalrats vom 24.9.2014 formulierten Anforderungen hinsichtlich Sonderklagerechten für ausländische Investoren in CETA erfüllt?

a.    Wenn ja, weshalb?

b.    Wenn nein, weshalb nicht und welche konkreten Schritte werden Sie setzen, um dieses Versäumnis zu beheben?

5)    Befürworten Sie trotz massiver Bedenken, dass durch Sonderklagerechte für ausländische Investoren hohe Sozial- und Arbeitsstandards unter Druck geraten, deren Verankerung in CETA?

a.    Wenn ja, weshalb?

b.    Wenn nein, weshalb nicht und welche konkreten Schritte werden Sie setzen, um die daraus resultierenden Gefahren für hohe Sozial- und Arbeitsstandards zu beheben?

6)    Weshalb wurde in CETA im Hinblick auf die Durchsetzung von Verstößen gegen Arbeits- oder Umweltstandards spezielle institutionelle Arrangements bzw. Konsultationsmechanismen verankert und diese nicht den Staat-Staat-Streitschlichtungsmechanismus, der auch Sanktionen vorsieht, unterworfen? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus für das Ziel hoher Arbeits- und Umweltstandards?


7)    Wodurch ist sichergestellt, dass die im Kapitel über Handel und Arbeit festgelegte Klausel, wonach Handel und Investitionen nicht durch Absenken von Arbeitsstandards angekurbelt werden sollen, nicht zahnlos bleibt und weder in der EU noch in Kanada Maßnahmen getroffen werden, die die nationale Wettbewerbsfähigkeit durch Eingriffe in Arbeits- und Gewerkschaftsrechte verbessern sollen?

8)    Sehen sie die Gefahr, dass durch CETA geltende Sozial- und ArbeitnehmerInnenschutzstandards in der EU und Österreich abgesenkt werden?

a.    Wenn ja, weshalb?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

9)    Mittels welcher Maßnahmen sollen die in CETA angestrebten höheren Arbeitsstandards erreicht bzw. Handel und Investitionen nicht über die Absenkung von Arbeits- und Sozialstandards forciert werden?

10) Mittels welcher Maßnahmen soll das hohe Schutzniveau von ArbeitnehmerInnen gehalten bzw. weiterentwickelt werden?

11) Welche Vorkehrungen wurden in CETA getroffen, um die grenzüberschreitende Vollstreckung von Strafen in Folge von Verletzungen gegen Kollektivvertragsbestimmungen sicherzustellen? Wenn ja, welche? Wenn nein, weshalb nicht?

12) Wurde in CETA eine Verwaltungskooperation hinsichtlich oben genannter Verstöße vereinbart? Wenn ja, aufgrund welcher Bestimmung? Wenn nein, weshalb nicht?

13) Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass in CETA keine Regeln zur wirksamen Förderung sozial-ökologischer Beschaffungskriterien verankert wurden?

14) Wie beurteilen Sie die Bestimmung in CETA, wonach im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens die Koppelung der Vergabe, die die lokale Entwicklung fördern, die Leistungsbilanz verbessern, lokale Vorprodukte vorschreiben oder ähnliche Anforderungen stellen[1], untersagen, hinsichtlich der Berücksichtigung von Sozial- und Umweltaspekten bei öffentlichen Beschaffungsvorgängen?

15) Wie beurteilen Sie den Umstand, dass in der in CETA vereinbarten Regulierungszusammenarbeit, durch die fortlaufend Handelshemmnisse abgebaut werden sollen, Maßnahmen, die dem Schutz der ArbeitnehmerInnen, der Umwelt und KonsumentInnen dienen, nicht ausgenommen wurden?

16) Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass in CETA keine Verpflichtung zur tatsächlichen Ratifizierung aller ILO-Normen aufgenommen wurde, obwohl Kanada bisher nicht alle ratifiziert hat?

17) Stellen die in CETA getroffenen Regelungen zu Finanzdienstleistungen eine geeignete Grundlage dar, um künftig höhere KonsumentInnenschutzstandards in diesem Bereich zu etablieren?

a.    Wenn ja, weshalb und auf Basis welcher Bestimmung in CETA?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

18) Wie beurteilen Sie hinsichtlich KonsumentInnenschutz die Tatsache, dass in CETA das Vorsorgeprinzip als ein Kernelement europäischer Regulierungspolitik nicht vorkommt?



[1] Art. 19 Abs. 4 Z 6 CETA-Vertrag