9289/J XXV. GP

Eingelangt am 18.05.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend akute Sicherheitsgefährdung durch Schienengüterverkehr im Ortskern von Guntramsdorf NÖ

 

Auf der von der „Badner Bahn“ mit entsprechenden Light-Rail-Triebwagen befahrenen Schienenstrecke der Privatbahn WLB (Aktiengesellschaft der Wiener Lokalbahnen) wird im Abschnitt zwischen Traiskirchen und Industriezentrum NÖ Süd auch Schienengüterverkehr abgewickelt. Dabei wird mit derzeit täglich zwei schwerbeladenen Güterzügen (Stahlprodukte) das Ortszentrum von Guntramsdorf durchquert, darunter die Feldgasse, eine enge Straße mit geschlossener Wohnbebauung samt entsprechender Infrastruktur, wie etwa Erdgasversorgungsleitungen entlang und unter der Straße.

 

Bis Mitte 2015 wurden diese Verkehre von der WLB selbst abgewickelt, dann übernahm die RCA (Rail Cargo Austria) die Verkehre.

Für die Durchführung des Güterverkehrs ist insbesondere eine Sicherheitsbescheinigung erforderlich, die das BMVIT der Rail Cargo Austria ausgestellt hat.

 

Aus WLB-Sicht war die Übernahme dieses Güterverkehrs durch den ÖBB-Teilkonzern RCA für die betroffenen BewohnerInnen in Guntramsdorf vorteilhaft, weil nunmehr die nötigen Loks nicht mehr als Lokzüge von Wien-Inzersdorf her u.a. durch Guntramsdorf zugeführt werden müssen. Es hat sich dadurch allein jedoch noch nichts an der äußerst problematischen, sicherheitsgefährdenden Situation im Ortskern von Guntramsdorf geändert, die nicht umsonst – im Zusammenhang mit einem womöglich ungesetzlichen/konsenslosen, auf erhöhte Achslast zielenden Umbau der Strecke in der Feldgasse - auch schon ihren Weg bis zu den Höchstgerichten gefunden hat (vgl. zB das Erkenntnis 2012/03/0156 des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.12.2014):

 

Dieser Teil der Strecke wurde für die seit jeher „straßenbahnartigen“ Lokalbahn-Züge der Badner Bahn/Wiener Lokalbahn mit entsprechender Achslast (in den innerstädtischen Wiener und Badener Abschnitten bis heute 12 Tonnen) ausgelegt. Im Jahr 2007 erfolgte jedoch ein Umbau, der als Sanierungsmaßnahme am schadhaften Unterbau deklariert, real aber ein genehmigungspflichtiger Umbau auf eine im Straßenkörper eingebaute feste Fahrbahn zwecks Achslasterhöhung war. Nunmehr werden hunderte Tonnen schwere Güterzüge mit einer Achslast in der Größenordnung von 22,5-25 Tonnen geführt.

Die Umbauten im Unterbau – dokumentiert sind „Verfestigungen durch Aufschüttungen“ sowie der Einbau eines schweren, starren Betonkörpers - haben, wie seitdem auftretende Vernässungen an den Grundmauern angrenzender Bauobjekte belegen, offensichtlich zu veränderten Grundwasser- und Entwässerungsverhältnissen geführt, was ein deutlicher Widerspruch zur in der Konzession geforderten „Vermeidung der Hemmung der Entwässerung“ der Feldgasse ist. Dies hätte aufsichtsbehördliche Aktivität zur Folge (gehabt) haben müssen.

 

Umbau und schwere Güterzüge führen weiters zu mit freiem Auge erkennbaren Setzungen an den Gebäuden entlang der Straße und an der Straße selbst. Im Zusammenspiel mit den Erschütterungen beim Durchfahren und namentlich bei Brems-, Anfahr- und Beschleunigungsvorgängen besteht insbesondere im Zusammenhang mit den Gasleitungen, die unter dem Straßenraum und auch quer unter den Schienen verlaufen, akutes Gefährdungspotenzial.

Dies ist dadurch belegt, dass in den letzten drei Jahren zumindest zweimal (Mai 2013, April 2016) Gasaustritte bei gassenseitigen Gasanschlüssen in der Guntramsdorfer Feldgasse auftraten, und zwar durch gelockerte Anschlussrohre. Diese beiden Gasaustritte waren ausgerechnet bei denjenigen beiden Häusern der Gasse zu verzeichnen, die den geringsten seitlichen Abstand zur Schienenstrecke haben. Das kann kein Zufall sein.

Im Hinblick darauf, dass von AnrainerInnen von Funkenflug bei Anfahrvorgängen der Güterzüge berichtet wird, stellt sich die Gesamt-Situation buchstäblich „brandgefährlich“ im Sinne von Gefahr im Verzug dar.

Auch dies hätte schon 2013 und nunmehr erneut aufsichtsbehördliche Aktivität zur Folge (gehabt) haben müssen.

 

Die Einhaltung von § 19 EisbG, namentlich seiner Absätze 1 und 2 im Hinblick auf einen sicheren sowie für öffentliches und privates Gut schadensfreien Betrieb, scheint hier alles andere als gewährleistet. Ebenso gibt es offene Fragen im Hinblick auf § 43 EisbG, wenn Sicherheit des Eisenbahnbetriebs und seiner Anrainer offenkundig gefährdet sind.

 

Es liegen zudem Informationen vor, die gewichtige Zweifel an der Vollständigkeit der Sicherheitsüberprüfungen gemäß § 19a EisbG bzw. des Sicherheitsmanagementsystems gemäß § 39ff EisbG wecken. Im Rahmen des Sicherheitsmanagementsystems erfolgen offenbar nur stichprobenweise Überprüfungen, diese Stichproben mach(t)en offenbar einen Bogen um die immerhin seit Jahren vielfach amts- und gerichtsbekannte Feldgasse. Dass der in Sachen Sicherheit kritischste Abschnitt unbeachtet bleibt, ist schwer als Zufall vorstellbar. Von einschlägigen aufsichtsbehördlichen Aufsichtsmaßnahmen gegenüber dem entsprechenden Eisenbahnunternehmen und dem/den mit seinem Sicherheitsmanagement gemäß § 39ff EisbG in den letzten Jahren betrauten Privatunternehmen, um diesem „blinden Sicherheits-Fleck“ entgegenzuwirken, ist nichts bekannt.

 

Die Eisenbahnsicherheitsbehörde im BMVIT muss über die in mehreren Dimensionen sicherheitskritische Situation davon abgesehen angesichts langjähriger gerichtlicher Auseinandersetzungen unter Einbeziehung des BMVIT und erneut zB durch eine direkte schriftliche Information aus AnrainerInnenkreisen im April 2016 im Detail unterrichtet sein.

 

Unverständlich ist das jahrelange Anhalten dieser akuten Gefährdungssituation, obwohl mit geringfügigen, wohl aus der Abschlussbahnförderung unterstützungsfähigen Maßnahmen im Bereich des IZ NÖ Süd eine wesentlich günstigere, in Sachen Sicherheit gänzlich unkritische Zu- und Abfahrtssituation für den Schienengüterverkehr zu dort ansässigen Unternehmen geschaffen werden könnte. Damit würde die anachronistische Durchfahrt schwerer Güterzüge durch die engen Gassen im Ortszentrum Guntramsdorf überhaupt unnötig.

Wenn diese Lösung wie kolportiert tatsächlich nur nicht umgesetzt wird, weil es um eine Grundfläche im Besitz des Landes Niederösterreich (Ecoplus) geht und das auch eisenbahnbehördlich mit in der Ziehung befindliche Land Niederösterreich lieber den landeseigenen Grundbesitz profitmaximierend schont als behördlichen Pflichten in Sachen Sicherheit wirksam nachzukommen, ist dies für den Umgang eines bestimmten Landeshauptmanns und Teilen seiner Beamtenschaft mit seiner Landesbevölkerung zwar bezeichnend, müsste aber dennoch die Oberbehörde, also das BMVIT, alarmieren. Es wäre dringend geboten, seitens der Eisenbahnsicherheitsbehörde für eine Einhaltung der erwähnten Bestimmungen des EisbG zu sorgen und nötigenfalls den Unterbehörden zB im Bereich des Landes NÖ und seiner Verwaltung entsprechend wirksam den Ernst der Lage („Gefahr im Verzug“) klarzumachen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Welche Sicherheitskriterien müssen erfüllt sein, damit auf innerörtlichen Personenverkehrsstrecken wie in Guntramsdorf auch Güterverkehr fahren kann?

2)    Was unterscheidet die Abschnitte Wien Oper-Schedifkaplatz und Leesdorf-Baden Josefsplatz der WLB-Strecke, die als Straßenbahninfrastruktur fungieren, materiell vom Abschnitt in der Guntramsdorfer Feldgasse?

3)    Wie ist sachlich erklärbar, dass in den beiden „offiziellen“ Straßenbahnabschnitten der WLB-Strecke das StVO-Regelwerk Vorrang hat und folglich der Schienenverkehr u.a. nicht den sonstigen Verkehr behindern darf, während auf dem Abschnitt in der Guntramsdorfer Feldgasse andere Regeln gelten und zB der sonstige Verkehr täglich behindert wird, obwohl für alle drei Abschnitte gleichermaßen die Einhaltung der straßen- und baupolizeilichen Vorschriften Vorbedingung für die Konzessionserteilung waren?

4)    Welche Behörde/n hat/haben zu verantworten, dass der Umbau der WLB-Schienenstrecke in der Guntramsdorfer Feldgasse auf erhöhte Achslast 2007 offensichtlich ohne die nötige(n) Genehmigung(en) erfolgen konnte?

5)    War die Eisenbahnsicherheitsbehörde im BMVIT vom offenkundig erschütterungsbedingten und daher mit dem Schienengüterverkehr kausal in Verbindung stehenden Gasaustritt in der Guntramsdorfer Feldgasse im Mai 2013 informiert? Wenn ja, seit wann und durch wen?

6)    Welche Maßnahmen wurden im Zusammenhang mit diesem gefährlichen Zwischenfall gesetzt bzw. bei welchen anderen Stellen veranlasst?

7)    War die Eisenbahnsicherheitsbehörde im BMVIT vom offenkundig erschütterungsbedingten und daher mit dem Schienengüterverkehr kausal in Verbindung stehenden Gasaustritt in der Guntramsdorfer Feldgasse im April 2016 informiert? Wenn ja, seit wann und durch wen? Wenn nein warum nicht?

8)    Welche Maßnahmen wurden im Zusammenhang mit diesem gefährlichen Zwischenfall gesetzt bzw. bei welchen anderen Stellen veranlasst?

9)    Falls noch keine Maßnahmen gesetzt wurden: Warum nicht, und wann wird dies nachgeholt?

10) War die Eisenbahnsicherheitsbehörde im BMVIT davon informiert, dass in der Guntramsdorfer Feldgasse Funkenflug bei bestimmten Manövern im Fahrbetrieb mit Güterzügen auftritt? Wenn ja, seit wann und durch wen? Wenn nein warum nicht?

11) Teilen Sie die Einschätzung, dass es sich bei durch den Eisenbahnverkehr und seine Erschütterungen verursachten Gasaustritten in einer engen, von Wohnbebauung gesäumten Ortsstraße, in der zugleich bei Anfahrvorgängen von Eisenbahnzügen Funkenflug stattfindet, um „Gefahr im Verzug“ handelt? Wenn nein warum nicht?

12) Teilen Sie die Einschätzung, dass es sich bei durch den Eisenbahnverkehr und seine Erschütterungen verursachten Gasaustritten in einer engen von Wohnbebauung gesäumten Ortsstraße, in der bei Anfahrvorgängen von Eisenbahnzügen Funkenflug stattfindet, um einen den Vorgaben des EisbG, namentlich § 18 Abs 1, § 19 Abs 2 und § 43, widersprechenden Zustand handelt? Wenn nein warum nicht?

13) Wie ist erklärbar, dass in den SNNB der WLB keine Hinweise auf die in mehrerlei Hinsicht speziellen Gegebenheiten in der Guntramsdorfer Feldgasse auftauchen, im Gegensatz zu gesonderter Darstellung des Wiener und des Badener innerörtlichen Abschnitts der WLB-Strecke?

14) Wer ist aufsichtsbehördlich dafür zuständig, dass die SNNB eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens korrekt und nachvollziehbar sind?

15) Welche aufsichtsbehördlichen Schritte routinehafter oder sonstiger (zB stichprobenartiger) Natur zur Überprüfung von SNNB von EVUs sind auf Basis welcher konkreter gesetzlicher Vorgaben Usus?

16) Es bestehen vorliegenden Informationen zufolge (siehe auch Anfragebegründung oben) im Hinblick auf die Situation in der Guntramsdorfer Feldgasse gewichtige Zweifel an der Vollständigkeit und Wirksamkeit der Sicherheitsüberprüfungen gemäß § 19a EisbG bzw. des Sicherheitsmanagementsystems gemäß § 39ff EisbG.

a) Sind Ihnen diese Missstände bekannt?

b) Wenn ja, seit wann und was haben Sie wann konkret dagegen unternommen bzw. veranlasst?

c) Wenn nein, wie ist es möglich, dass Missstände wie die offenbar jahrelange Nichtvornahme von Überprüfungen in besonders sicherheitsrelevanten Abschnitten wie der Guntramsdorfer Feldgasse ebenso jahrelang unbemerkt bleiben und daher unverändert andauern können?

d) Wie ist insbesondere möglich, dass bei der erneuten Zertifizierung der Eisenbahnsicherheit gemäß § 39ff EisbG im Jänner 2013 keinerlei entsprechenden Probleme oder Handlungsbedarf identifiziert wurden?

e) Wer war seit 2008 und wer ist derzeit mit dem Sicherheitsmanagement iSv § 39ff EisbG des betreffenden Eisenbahnunternehmens betraut?

f) Bei welchen weiteren Sicherheitsmanagements österreichischer Eisenbahnunternehmen ist das derzeit bei der WLB betraute Unternehmen in welcher Rolle involviert?

g) Welche sicherheitsbehördlichen/aufsichtsbehördlichen Kontrollen finden betreffend der Tätigkeit von nach § 39ff EisbG mit Sicherheitsmanagement-Aufgaben beauftragten Unternehmen statt, wie oft finden diese statt und von welchen Stellen werden diese konkret vorgenommen?

h) Welche sicherheitsbehördlichen/aufsichtsbehördlichen Kontrollen fanden seit 2008 konkret betreffend der Tätigkeit des nach § 39ff EisbG mit Sicherheitsmanagement-Aufgaben bei der WLB beauftragten Unternehmen wann und durch wen statt?

17) Welche Schritte haben a) seitens der nationalen Akkreditierungsbehörde, b) seitens der Eisenbahnsicherheitsbehörde zu erfolgen, wenn bei einer für das Sicherheitsmanagementsystem Eisenbahnsicherheit akkreditierten Einrichtung Mängel – womöglich unmittelbar sicherheitsrelevanter Art - in der Ausführung der vorgeschriebenen Tätigkeiten, zB der jährlichen Überwachungsaudits zur Aufrechterhaltung des Sicherheitsmanagementsystems, offenkundig werden?

18) Halten Sie die gegenwärtige Absicherung der Kreuzungen, damit zugleich Eisenbahnkreuzungen, im Verlauf der Guntramsdorfer Feldgasse für im Einklang mit a) der aktuellen, b) der zuvor gültigen Eisenbahnkreuzungsverordnung stehend?

Wenn ja, mit welcher konkreten Begründung? Wenn nein, warum nicht und welche Änderungen sind durch wen bis wann zu erwarten?