9366/J XXV. GP
Eingelangt am 19.05.2016
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Dringliche Anfrage
(Klubverlangen gem. § 93 Abs. 2 GOG-NR)
des Abgeordneten KO Strache
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Justiz
betreffend die mutmaßliche Ermordung der Maria E. durch den Kenianer Francis N.
Mit der mutmaßlichen Ermordung der Maria E. hat die in Österreich grassierende Kriminalität einen Höhepunkt erreicht. Der Fall des Francis N. zeigt exemplarisch die Hilflosigkeit eines „Rechtsstaates“, der nicht mehr in der Lage ist seine Bürger zu beschützen.
Am 5.5.2016 berichtete u.a. der Kurier über den Fall:
Acht Jahre lang verärgerte ein Kenianer die Menschen am Brunnenmarkt. Jetzt wurde er wegen Mordes verhaftet.
Der 21-jährige Kenianer, der in der Nacht zum Mittwoch am Brunnenmarkt in Wien Ottakring ohne ersichtlichen Grund eine 54-jährige Passantin mit einer Eisenstange erschlagen haben soll, war polizeibekannt. Am Tag vor der Tat wurde er in der Polizeiinspektion Brunnengasse zu mehreren Strafverfahren vernommen, die gegen ihn laufen. Darunter Körperverletzung, Suchtgifthandel, Diebstahl und Sachbeschädigung. Der Mann wurde Donnerstag nach langer Vernehmung an die Justiz überstellt. Er sei nicht kooperativ gewesen, und konnte oder wollte sich nicht an die Tat erinnern, erklärte Polizeisprecher Christoph Pölzl.
Die Frage nach dem "Warum" beschäftigt viele Menschen. Wie konnte es sein, dass ein Kenianer im Jahr 2008 als Tourist einreist, und seither als höchst auffälliger Obdachloser ein ganzes Grätzl terrorisiert? Warum wurde er nicht schon längst abgeschoben? Haben die Behörden versagt? Wiens Vizebürgermeister Johann Gudenus forderte jedenfalls eine restriktive Law&Order-Politik nach New Yorker Vorbild. Der KURIER recherchierte bei den verantwortlichen Stellen die Hintergründe. Francis N. war ein "Dauerkunde" der Polizeiinspektion Brunnengasse. Wenn er zugekifft und schattenboxend durch die Straße zog, provozierte der Passanten. Wiederholt kam es zu kleineren Straftaten. Oft musste er auch von den Beamten per Gerichtsauftrag gesucht werden, um ihm ein amtliches Schriftstück bezüglich eines Strafverfahrens zu übergeben. Ein Haftbefehl war aber nie dabei. Polizeisprecher Pölzl: "Dadurch, dass unsere Beamten zwar dauernd mit dem Mann gesehen wurden, er aber auf freiem Fuß blieb, hatten die Menschen den falschen Eindruck, die Beamten wollten nichts unternehmen." Die Beamten versuchten sogar, den Mann bei einer Sozialeinrichtung unterzubringen. damit wäre er von der Straße weg gewesen. Doch die Bemühungen scheiterten.
Dem Vernehmen nach war der Kenianer 18 mal angezeigt. Einmal musste er auch eine Haftstrafe absitzen. Sprecherin Nina Bussek von der Staatsanwaltschaft Wien will die einzelnen Fälle nicht kommentieren. Sie weist aber darauf hin, dass es sich um einen "jungen Erwachsenen" handle, bei dem Sonderbestimmungen bezüglich der U-Haft gelten. Außerdem sei der Mann immer nur durch Kleinkriminalität aufgefallen. Beispielsweise jener kolportierte Fall, wo er schon einmal mit einer Eisenstange ein Opfer attackiert haben soll. Das endete nur mit einer leichten Verletzung, was eben keine U-Haft ermöglicht.
BM Brandstetter erklärte am Mittwoch im parlamentarischen Justizausschuss zur Bluttat in Ottakring: "Wenn man sich die Begleitumstände näher ansieht, dann packt einen der Zorn." Nun gelte es, "Schwachstellen im System aufzudecken und ergebnisoffen über allfälligen Handlungsbedarf - auch um den Preis neuer Regelungen - zu diskutieren". Der Fall zeige, "dass es in unserem System offensichtlich Probleme gibt, für die keine Behörde zuständig ist".
Auch der „Falter“ fand in seiner Ausgabe 19/16 deutliche Worte: „Wer diesen Fall analysiert und in den Akten liest, erkennt, dass es hier um sehr viel mehr geht als um einen grausamen Mord. Es geht um die Kapitulation der Justiz vor einem nachweislich gefährlichen Kriminellen. Es geht um die wachsende Frustration der Polizei, die Kriminelle nicht mehr einsperren oder aus dem Land schaffen kann“.
Zerknirscht zeigt sich auch der Bezirksvorsteher von Ottakring, Franz Prokop, zumal es sich beim Viertel rund um den Brunnenmarkt um ein multikulturelles Vorzeigeprojekt der rot-grünen Stadtregierung handelt. Besonders bedenklich ist, dass der mutmaßliche Täter bereits am 2. Juni 2015 einen Mann mit einer Eisenstange verletzt hatte. Obgleich das Opfer eine Rissquetschwunde erlitt, verzichtete die Staatsanwaltschaft auf einen Haftantrag. Dazu passt, dass die Staatsanwaltschaft vom zuständigen Beamten der Polizei per mail vom 22. März 2016 um Erteilung eines Arbeitsauftrages ersucht wurde, passiert ist aber nichts.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende
Dringliche Anfrage
1. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um die ausufernde Kriminalität - vor allem im öffentlichen Raum - zu bekämpfen?
2. Verfügte der mutmaßliche Täter Francis N. zu irgendeiner Zeit über einen gültigen Aufenthaltstitel?
3. Sind zur Altersbestimmung des Beschuldigten medizinische oder ähnliche Untersuchungen durch einen Sachverständigen durchgeführt worden?
4. Wie alt war der Beschuldigte bei seiner Einreise nach Österreich und wann erfolgte diese?
5. Wann ist der Beschuldigte das erste Mal angezeigt bzw. als Beschuldigter geführt worden?
6. Wie oft suchten die Beamten den Beschuldigten auf, um diesem ein amtliches Schriftstück bezüglich eines Strafverfahrens auszuhändigen?
7. Wurde der Beschuldigte von der Staatsanwaltschaft vorgeladen?
8. Wurde versucht, den Beschuldigten in einer psychiatrischen Einrichtung unterzubringen?
9. Wie oft und wann wurde der Beschuldigte seit seiner Einreise nach Österreich wegen der Begehung einer Straftat angezeigt?
10. Wurden Verfahren gegen den Beschuldigten vom Staatsanwalt, somit vor Erhebung einer Anklage, diversionell erledigt?
11. Wurde der Beschuldigte vor dem gegenständlichen Fall in Österreich angeklagt?
12. Hinsichtlich welcher Delikte wird derzeit gegen den Beschuldigten ermittelt?
13. Warum wurde die Attacke vom 2. Juni 2015, die der Beschuldigte ebenfalls mit einer Eisenstange durchgeführt hat und bei welcher das Opfer „nur“ eine Verletzung davongetragen hat, nur als ein Fall von Kleinkriminalität qualifiziert?
14. Hat die Staatsanwaltschaft zu irgendeinem Zeitpunkt einen Antrag auf Verhängung der U-Haft über den Beschuldigten gestellt?
15. Hat der vor dem gegenständlichen Fall gegen den Beschuldigten ermittelnde Staatsanwalt die Setzung von Maßnahmen unterlassen, zu denen er gesetzlich verpflichtet gewesen wäre?
16. Wird wegen der Unterlassung des Setzens gebotener Maßnahmen gegen den vor dem gegenständlichen Fall gegen den Beschuldigten ermittelnden Staatsanwalt nun ein Ermittlungsverfahren geführt?
17. Hat tatsächlich ein Polizist am 22. März 2016 oder an einem anderen Tag eine Nachricht mit dem sinngemäßen Inhalt „Sehr geehrte Frau Staatsanwältin! Ich ersuche um einen Arbeitsauftrag! [hinsichtlich des Kenianers, weil dieser wegen räuberischen Diebstahls und anderer Delikte dringend verdächtig war]“ an die Staatsanwaltschaft übermittelt und um die Stellung eines Antrags auf Verhängung der U-Haft über den nunmehr Beschuldigten gebeten bzw. zu dieser geraten?
18. Welche Umstände schließen bei einem verurteilten Serientäter, der nach seiner Verurteilung wieder straffällig geworden ist und daher unter anderem des räuberischen Diebstahls, der gefährlichen Drohung, des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der Körperverletzung dringend tatverdächtig ist und der über keinen festen Aufenthalt, kein Einkommen und keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügt, das Vorliegen von Haftgründen (iSd § 173 StPO), insbesondere jenen der Flucht- und Verdunkelungsgefahr aus?
19. Ist Österreich, vor dem Hintergrund, dass der Begriff des Privatlebens (Art 8 EMRK) nach der Judikatur des EGMR die körperliche und seelische Integrität einer Person umfasst und die Staaten eine positive Verpflichtung trifft, eine Verletzung derselben durch andere zu verhindern, wenn die öffentliche Hand davon wusste oder wissen musste, seinen sich aus der EMRK ergebenden Verpflichtungen nachgekommen?
20. Sehen Sie Reformbedarf im Bereich des JGG, insbesondere hinsichtlich der Bestimmungen betreffend junge Erwachsene?
21. Beabsichtigen Sie bei ausländischen Straftätern den Verlust der Aufenthaltsberechtigung und die Abschiebung als Nebenstrafe einzuführen?
22. Welche Normen dienen der Hintanhaltung einer allfälligen Untätigkeit eines Staatsanwaltes?
23. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen, um eine wiederholte Untätigkeit der Staatsanwaltschaft zu verhindern?
24. Werden Sie aufgrund des mutmaßlichen Mordes und seiner Begleitumstände Reformen in Ihrem Ressort durchführen?
25. Werden Sie aufgrund des mutmaßlichen Mordes und seiner Begleitumstände gemeinsam mit anderen Ministern Reformen durchführen?
26. Werden Sie die Schnittstellen Polizei-Staatsanwaltschaft und Polizei-psychiatrische Einrichtungen verbessern?
27. Warum wird der „Sicherheitsmonitor“ nicht öffentlich gemacht?
In formeller Hinsicht wird ersucht, diese Anfrage gem. § 93 Abs. 2 GOG-NR dringlich zu behandeln und dem Erstfragesteller die Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.