9480/J XXV. GP

Eingelangt am 13.06.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Aygül Berivan Aslan, Eva Mückstein, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Gesundheit

betreffend Anti-Baby-Pille der 3. und 4. Generation

BEGRÜNDUNG

 

Die Pille ist nach wie vor das beliebteste Verhütungsmittel für Frauen in Österreich. Rund 38 Prozent aller Frauen, die verhüten, verwenden die Pille[1]. Laut dem Pearl-Index ist die Hormonpille eine der sichersten Verhütungsmittel, die es derzeit auf dem Markt gibt.

Wenngleich die Pille ihren Verhütungszweck erfüllt, ist ihre Einnahme nicht ohne Nebenwirkungen möglich. So kann es bei Frauen, die die Antibaby-Pille einnehmen, zu Stimmungsschwankungen, Verlust der Libido und Gewichtszunahme kommen, aber auch zu ernsthaften Erkrankungen wie Thrombosen und Schlaganfällen.

 

Besonders kritisch erscheinen in diesem Zusammenhang die Pillenpräparate der sogenannten 3. Und 4. Generation, die seit Beginn der 2000er Jahre auch in Europa auf dem Markt sind. Sie sind durch einen relativ geringen Östrogen-Anteil und dem Wirkstoff Drospirenon gekennzeichnet. Sie werden von den Pharmakonzernen auch gern als besonders „leichte“ Anti-Baby-Pille mit Beauty-Effekt beworben, deren Einnahme bei den meist jungen Anwenderinnen für schöne Haut und Haare sorge. Ein weiterer Vorteil dieser Pillen: weniger oder gar keine Gewichtszunahme.

 

Diese kosmetisch anmutende Werbestrategie steht jedoch im Widerspruch zum seit vielen Jahren bekannten Umstand,  dass solche Präparate ein doppelt so hohes Thromboserisiko beinhalten als ältere Produkte. Laut deutschem Ärzteblatt steigt die Zahl der Thrombose-Opfer durch diese Präparate von rund 20 auf 40 von 100.000 Frauen – das Thrombose-Risiko ist also rund doppelt so hoch.


Laut einem Bericht der ORF-Sendung „Thema“[2] vom 4. April 2016 gab es in Österreich im Laufe der letzten zehn Jahre bereits 45 gesundheitliche Schadensfälle, davon zwei Todesfälle, die mit der Einnahme dieser Art von Anti-Baby-Pille in Zusammenhang gebracht werden. Auch in anderen Ländern gab es Schadensfälle, allen voran in den USA, wo der Pharmakonzern Bayer sich zu außergerichtlichen Schadenszahlungen gegenüber den Geschädigten verpflichtet hat.  

 

In Frankreich werden Präparate mit der fragwürdigen Wirkstoffkombination seit 2013 nicht mehr von den Krankenkassen übernommen. Dieser Schritt führte laut „Pillenreport 2015“ zu einem Rückgang der Verschreibung dieser Präparate um 45 Prozent. Gleichzeitig sanken in Frankreich die Klinikaufnahmen aufgrund von Lugenembolien bei 15 bis 49-jährigen Frauen um 11,2 Prozent, bei 15 bis 19-Jährigen sogar um 27,9 Prozent[3].

 

In Österreich hat die AGES Medizinmarktaufsicht im März 2014 eine Information an MedizinerInnen und Apotheken herausgegeben, mit dem Hinweis, dass diese Pillengenerationen ein doppelt so hohes Thrombose-Risiko beinhalten als ältere Präparate. Zudem mussten die Beipackzettel der betreffenden Pillen mit einem entsprechenden Warnhinweis ergänzt werden.

 

Wie aus der „Thema“-Sendung hervorgeht, steht die AGES Medizinmarktaufsicht auf dem Standpunkt, dass diese Pillen weiterhin „in ausreichendem Verhältnis wirksam und sicher sind“ (O-Ton Christoph Baumgärtel, AGES). Dennoch wirft der dargestellte Sachverhalt zahlreiche Fragen im weiteren Umgang mit den neueren Pillen-Generationen auf. Denn ein Präparat, das gesunden Frauen verabreicht wird, muss einer besonders hohen Nutzen-Risiko-Abwägung unterzogen werden.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage wurde 2014 von der AGES Medizinmarktaufsicht davon Abstand genommen, die fragliche Produktgruppe vom Markt zu nehmen?

2)    Laut Medienberichten ist die Verschreibung der 3. und 4. Generation Anti-Baby-Pillen in Österreich seit geraumer Zeit zurückgegangen. Bitte um Darstellung der Verschreibungen von oralen Kontrazeptiva produktgruppenspezifisch im Jahresverlauf seit 2012 bis 2015.


3)    Ist es durch den Rückgang bei diesen Produktgruppen zu einem allgemeinen Rückgang bei der Verschreibung von oraler Hormonverhütung bei Frauen in Österreich gekommen?

4)    Plant die AGES weitere Maßnahmen, um das Bewusstsein für die Risiken dieser Produktgruppen bei den niedergelassenen MedizinerInnen sowie den Patientinnen zu erhöhen?

5)    Gehört es zu den Prinzipien der AGES, dass Medikamente, die gesunden Frauen verschrieben werden, einer noch stärkeren Nutzen-Risiko-Abwägung unterzogen werden müssen, als Medikamente zur Bekämpfung einer vorhandenen Krankheit?

6)    Ein Grund für die Beliebtheit der Produkte der 3. Und 4. Generation ist der angebliche kosmetische Mehrwert der Pillen. Werden Wirkungen wie schönere Haut und Haare sowie weniger Gewichtszunahme von der AGES Medizinmarktaufsicht als Nutzenfaktor zur Bewertung dieser Produktgruppe herangezogen?

7)    Wie viele Verstöße gegen die Richtlinien der Arzneimittelwerbung bei der Bewerbung von oralen Kontrazeptiva wurden in der zuständigen Behörde des Bundesamts registriert? Bitte um Auflistung der beanstandeten Werbematerialien und Publikationen nach Jahr und Hersteller.



[1] Quelle: Österreichischer Verhütungsreport 2015, Gynmed in Zusammenarbeit mit INTEGRAL

[2] Online abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=oCYI4sTGABw

[3] Arzneitelegram (2015): 46: 41-42.