9607/J XXV. GP

Eingelangt am 16.06.2016
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Anfrage

der Abgeordneten Georg Willi, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend traurige Realität bei der Güterverlagerung auf die Schiene

Die Bundesregierung betont öffentlich gerne den im Europa-Vergleich in Österreich überdurchschnittlichen Anteil der Schiene am Gütertransport(volumen) von immerhin 30 %. Durch das mantraartige Wiederholen dieses ansehnlichen Modal-Split-Anteils gerät gelegentlich aus dem Blick, dass das u.a. von den vormaligen BundesministerInnen Faymann, Bures und Stöger wiederholt genannte Ziel, diesen Anteil bis 2020 auf 40 % anzuheben, mittlerweile völlig außer Reichweite ist. Aufgrund des viel zu billigen Straßentransports ist im Gegenteil bestenfalls Stagnation dieses Anteils zu verzeichnen. Nicht umsonst wurde die Zielformulierung von Bundesminister Klug zuletzt bereits unauffällig auf „40 % bis 2025“ geändert. Auch diese Zielsetzung bleibt aber höchst unrealistisch, wenn man den Unwillen der Bundesregierung, bei entscheidenden Eckpunkten von Kostenwahrheit und damit Verlagerung wie Dieselsteuerprivileg oder flächendeckender LKW-Bemautung wirksam oder überhaupt tätig zu werden, in Rechnung stellt.

Wirft man über diese Schwächen bei den Rahmenbedingungen hinaus auch noch einen Blick ins Detail des Gütertransports in Österreich, verwundern allerdings weder Stagnation noch Zielverfehlung. Denn hier treten dann offen kontraproduktive Entscheidungen aus teils unsachlichen bzw. anrüchigen Motiven bei der Wahl des Verkehrsmittels zutage.

Beispielsweise verfolgt der dem Raiffeisensektor zuzuzählende Zuckerkonzern Agrana die fragwürdige Politik, Zuckerrübentransporte zum verbliebenen Verarbeitungsstandort in Leopoldsdorf im Marchfeld zum wirtschaftlichen Wohl ÖVP-naher Transportunternehmer auf der Straße statt auf der Schiene abzuwickeln. Besonders absurd wird diese Strategie, wenn am Ausgangs- und am Zielort Schienenanschlüsse und entsprechende Zwischenlager- und Verladeflächen vorhanden wären, wie etwa bei den Transporten aus dem Rübenanbaugebiet im Seewinkel (Raum Illmitz/Frauenkirchen) nach Leopoldsdorf per LKW. Der zusätzliche LKW-Schwerverkehr abseits des hochrangigen Netzes belastet auf dieser Strecke zahlreiche Ortschaften durch Abgase, Lärm, Erschütterungen und Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit. Noch bedenklicher wird es, wenn wie in diesem Fall unterwegs in Prellenkirchen ein Rüben-Zwischenlager angelegt werden „muss“, weil mit der entsprechenden Fläche und ihrer diesbezüglichen Nutzung ein mit höheren ÖVP-Kreisen gut vernetzter Grundbesitzer ein gutes Geschäft machen kann.

Weitere absurde Beispiele in dieser Region sind unnötige LKW-Schottertransporte von Bad Deutsch-Altenburg in ein Asphaltwerk nach Parndorf – beide Orte mit Bahnanschluss – oder das Nichtzustandekommen einer verkehrsreduzierenden Lösung in der Region, nur weil die dafür in Vorlage getretene und räumlich betrachtet auch sehr geeignete Gemeinde Pama die „falsche Farbe“ hat.

In all diesen Beispielen wäre eine spürbare, flächendeckende LKW-Maut und eine gerechtere Besteuerung beim Treibstoff ein Hebel für eine geänderte Verkehrsmittelwahl beim Gütertransport und damit ein Beitrag zu spürbar mehr Verkehrssicherheit und zu einer ökologischen Verkehrsabwicklung, wie sie sich der neue Verkehrsminister auf die Fahnen geschrieben hat.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Sind Ihnen bzw. Ihrem Haus die erwähnten Beispiele bekannt?

2)    Sind Sie, Ihre Vorgänger oder Ihr Haus in der Sache Rübentransporte/Agrana oder einer anderen der erwähnten Causen bereits an den Koalitionspartner mit dem Ziel eines Abstellens dieser ökologisch und verkehrssicherheitsmäßig kontraproduktiven Praktik herangetreten? Wenn nein warum nicht?

3)    Welche Aktivitäten haben Sie oder Ihre Vorgänger wann konkret gesetzt, um bei Transporten zwischen zwei ans Schienennetz angeschlossenen Punkten den Schienentransport zu forcieren und den Transport per LKW zu erschweren?

4)    Welche weiteren Aktivitäten in diesem Sinn planen Sie wann zu setzen?

5)    Halten Sie es für zielführend, wenn bei Verfehlung von für Verkehrssicherheit, Umwelt- und Klimaschutz wichtigen Zielen wie dem Schienen-GV-Modal-Split-Ziel von „40% bis 2020“ lieber das Ziel erstreckt wird als zusätzliche Maßnahmen zwecks Annäherung an den Zielpfad zum vielfach öffentlich angekündigten Ziel anzugehen?

6)    Welche Schritte planen Sie, um für Gerechtigkeit zwischen Straße und Schiene bei der Bemautung des Gütertransports zu sorgen (der Schienen-GV zahlt Schienenmaut im Gesamtnetz, der Straßen-GV nur im Autobahn- und Schnellstraßennetz)?

7)    Welche Schritte planen Sie, um für Gerechtigkeit zwischen Straße und Schiene bei der Besteuerung des „Treibstoffes“ zu sorgen (während die Bahn auch beim sauberen Traktionsstrom der vollen Energiebesteuerung unterworfen ist, profitiert der LKW weiterhin vom Dieselsteuerprivileg bei der MÖSt)?