Eingelangt am 22.06.2016
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Anfrage
der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde an
den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
betreffend Vorgehen des AMS gegen vermeintliche
GrenzgängerInnen
BEGRÜNDUNG
Menschen verlieren ihren
Anspruch auf Arbeitslosengeld, obwohl sie seit Jahren in Österreich leben
sowie gearbeitet und Beiträge entrichtet haben.
Seit einigen Monaten sind die
AnfragestellerInnen mit einer stark anwachsenden Zahl von Menschen
konfrontiert, die jahrelang in Österreich arbeiten und Beiträge
zahlen, aber nach Verlust ihres Arbeitsplatzes vom AMS für sie völlig
unverständlich als „GrenzgängerInnen“ eingestuft werden.
Als „GrenzgängerInnen“ eingestuft verlieren diese Menschen
jedoch ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Als GrenzgängerIn gilt nach
der EU-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
(883/2004) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung
oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und in einem
anderen Mitgliedstaat wohnt, in den sie in der Regel täglich, mindestens
jedoch einmal wöchentlich zurückkehrt;“
Den AnfragestellerInnen
vorliegende Bescheide und Protokolle von Befragungen polnischer
ArbeitnehmerInnen in Österreich zeigen, dass seitens des AMS in den
Verfahren zur Feststellung des Wohnortes bisweilen als völlig
willkürlich erscheinende Schlussfolgerungen getroffen werden: So etwa
wurde einer Person das Arbeitslosengeld verweigert, obwohl diese seit sechs
Jahren durchgehend in Österreich beschäftigt ist, ein
Daueraufenthaltsrecht erworben hat, hier Steuern zahlt, über eine feste
Meldeadresse verfügt sowie nachweisen kann, dass sie wesentliche soziale
und familiäre Kontakte in Österreich hat. Die Aberkennung erfolgte
ausschließlich auf Grund der Tatsache, dass die Ehefrau und die Kinder
des Betroffenen in Polen leben. Dabei machte sich die Behörde nicht einmal
die Mühe, zu bestreiten, dass der Betroffene höchstens einmal im
Monat nach Polen fährt.
Das AMS beruft sich in seiner Vorgehensweise
auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes von Jänner 2015 sowie
verschiedene Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Diese Bezugnahme
erscheint den AnfragestellerInnen als unberechtigt, als sowohl VwGH als auch
Bundesverwaltungsgericht keine eindeutigen Aussagen hinsichtlich der
Überprüfung des Wohnorts getroffen haben und regelmäßig
auch Entscheidungen des AMS aufheben.
Es hat den Anschein, dass die
erstinstanzlichen Entscheidungen des AMS außerordentlich häufig
nicht ausreichend substantiiert und oberflächlich sind. Der Verweis auf
die Möglichkeit, derartige Entscheidungen im Wege der Berufung aufzuheben,
sind insofern unbillig, als den betroffenen Personen damit über einen
längeren Zeitraum hinweg die Existenzgrundlage in Österreich entzogen
wird.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
- In wie vielen
Fällen hat das AMS – aufgeschlüsselt nach
AMS-Landesstelle, vom AMS angenommenen Staat des jeweiligen
Lebensmittelpunkts und Monat – in den Jahren 2011 bis zum Zeitpunkt
der Beantwortung dieser Anfrage Verfahren zur Überprüfung des
Verdachts auf Vorliegen eines Lebensmittelpunkts in einem anderen EU-Land
durchgeführt?
- In wie vielen
Fällen hat das AMS – aufgeschlüsselt nach
Staatsbürgerschaft der betroffenen Arbeitssuchenden – in den
Jahren 2011 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage Verfahren
zur Überprüfung des Verdachts auf Vorliegen eines
Lebensmittelpunkts in einem anderen EU-Land durchgeführt?
- In wie vielen
Fällen hat das AMS – aufgeschlüsselt nach
Beschäftigungsdauer der betroffenen arbeitssuchenden Personen in den
letzten zehn Jahren (der Einfachheit halber in drei-Monatsschritten)
– in den Jahren 2011 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser
Anfrage Verfahren zur Überprüfung des Verdachts auf Vorliegen
eines Lebensmittelpunkts in einem anderen EU-Land durchgeführt?
- In wie vielen dieser
Fälle hat das AMS – aufgeschlüsselt nach Monat und
betreffenden EU-Mitgliedsland – in den Jahren 2011 bis zum Zeitpunkt
der Beantwortung dieser Anfrage bei der Bestimmung des Wohnortes im Zuge
der Verfahrenseinleitung Schritte zur in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung
987/2009 verlangten Herstellung des Einvernehmens mit dem jeweiligen
Mitgliedsstaat gesetzt?
- In welcher Form
erfolgt die in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung 987/2009 verlangte
Herstellung des Einvernehmens mit dem jeweiligen Mitgliedsstaat durch das
AMS?
- Ist es aus Sicht des
AMS bzw. des BMASK denkbar, dass eine Person, die in Österreich einer
Beschäftigung nachgeht, hier Steuern zahlt und hier eine regelmäßig
und dauernd genutzte Wohnung hat, als Grenzgänger oder
Grenzgängerin eingestuft wird, obwohl diese Person seltener als
– wie in der EU-Verordnung 883/2004 als Obergrenze für die
Annahme von Grenzgängerei festgelegt – wöchentlich in ein
anders Land – sei es der Wohnort von Verwandten oder das Land,
dessen Staatsbürgerschaft eine Person besitzt - reist?
- Welche Unterlagen,
Anweisungen, Dienstanweisungen oder sonstige Erläuterungen erhalten
MitarbeiterInnen des AMS, um erkennen zu können, dass im Fall einer
arbeitsuchenden Person ein Verfahren zur Ermittlung des Wohnortes
einzuleiten ist (wir ersuchen, die jeweiligen Unterlagen, Anweisungen,
Dienstanweisungen oder sonstige Erläuterungen sind der
Anfragebeantwortung im Wortlaut anzufügen)
- Welche Unterlagen, Anweisungen,
Dienstanweisungen oder sonstige Erläuterungen erhalten
MitarbeiterInnen des AMS, um erstinstanzlich Entscheidungen treffen zu
können, ob im Fall einer arbeitsuchenden Person ein Wohnortes
außerhalb Österreichs liegt (wir ersuchen, die jeweiligen
Unterlagen, Anweisungen, Dienstanweisungen oder sonstige
Erläuterungen sind der Anfragebeantwortung im Wortlaut
anzufügen)?
- In wie vielen
Fällen entschied das AMS in den Jahren 2011 bis zum Zeitpunkt der
Beantwortung dieser Anfrage – aufgeschlüsselt nach Monat und
Staatsbürgerschaft der betroffenen arbeitssuchenden Person -
erstinstanzlich, dass ein arbeitssuchender Mensch als Grenzgänger
einzustufen sei?
- In welcher Weise
stellt das AMS betroffenen Menschen jene Informationen bereit, die
notwendig sind, um einfach und unbürokratisch feststellen zu
können, ob diese Menschen als GrenzgängerInnen einzustufen sind,
oder nicht?