9672/J XXV. GP

Eingelangt am 22.06.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

betreffend Vorgehen des AMS gegen vermeintliche GrenzgängerInnen

BEGRÜNDUNG

 

Menschen verlieren ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld, obwohl sie seit Jahren in Österreich leben sowie gearbeitet und Beiträge entrichtet haben.

Seit einigen Monaten sind die AnfragestellerInnen mit einer stark anwachsenden Zahl von Menschen konfrontiert, die jahrelang in Österreich arbeiten und Beiträge zahlen, aber nach Verlust ihres Arbeitsplatzes vom AMS für sie völlig unverständlich als „GrenzgängerInnen“ eingestuft werden. Als „GrenzgängerInnen“ eingestuft verlieren diese Menschen jedoch ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Als GrenzgängerIn gilt nach der EU-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (883/2004) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in den sie in der Regel täglich, mindestens jedoch einmal wöchentlich zurückkehrt;“

Den AnfragestellerInnen vorliegende Bescheide und Protokolle von Befragungen polnischer ArbeitnehmerInnen in Österreich zeigen, dass seitens des AMS in den Verfahren zur Feststellung des Wohnortes bisweilen als völlig willkürlich erscheinende Schlussfolgerungen getroffen werden: So etwa wurde einer Person das Arbeitslosengeld verweigert, obwohl diese seit sechs Jahren durchgehend in Österreich beschäftigt ist, ein Daueraufenthaltsrecht erworben hat, hier Steuern zahlt, über eine feste Meldeadresse verfügt sowie nachweisen kann, dass sie wesentliche soziale und familiäre Kontakte in Österreich hat. Die Aberkennung erfolgte ausschließlich auf Grund der Tatsache, dass die Ehefrau und die Kinder des Betroffenen in Polen leben. Dabei machte sich die Behörde nicht einmal die Mühe, zu bestreiten, dass der Betroffene höchstens einmal im Monat nach Polen fährt.


Das AMS beruft sich in seiner Vorgehensweise auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes von Jänner 2015 sowie verschiedene Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Diese Bezugnahme erscheint den AnfragestellerInnen als unberechtigt, als sowohl VwGH als auch Bundesverwaltungsgericht keine eindeutigen Aussagen hinsichtlich der Überprüfung des Wohnorts getroffen haben und regelmäßig auch Entscheidungen des AMS aufheben.

Es hat den Anschein, dass die erstinstanzlichen Entscheidungen des AMS außerordentlich häufig nicht ausreichend substantiiert und oberflächlich sind. Der Verweis auf die Möglichkeit, derartige Entscheidungen im Wege der Berufung aufzuheben, sind insofern unbillig, als den betroffenen Personen damit über einen längeren Zeitraum hinweg die Existenzgrundlage in Österreich entzogen wird.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

  1. In wie vielen Fällen hat das AMS – aufgeschlüsselt nach AMS-Landesstelle, vom AMS angenommenen Staat des jeweiligen Lebensmittelpunkts und Monat – in den Jahren 2011 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage Verfahren zur Überprüfung des Verdachts auf Vorliegen eines Lebensmittelpunkts in einem anderen EU-Land durchgeführt?
  2. In wie vielen Fällen hat das AMS – aufgeschlüsselt nach Staatsbürgerschaft der betroffenen Arbeitssuchenden – in den Jahren 2011 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage Verfahren zur Überprüfung des Verdachts auf Vorliegen eines Lebensmittelpunkts in einem anderen EU-Land durchgeführt?
  3. In wie vielen Fällen hat das AMS – aufgeschlüsselt nach Beschäftigungsdauer der betroffenen arbeitssuchenden Personen in den letzten zehn Jahren (der Einfachheit halber in drei-Monatsschritten) – in den Jahren 2011 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage Verfahren zur Überprüfung des Verdachts auf Vorliegen eines Lebensmittelpunkts in einem anderen EU-Land durchgeführt?
  4. In wie vielen dieser Fälle hat das AMS – aufgeschlüsselt nach Monat und betreffenden EU-Mitgliedsland – in den Jahren 2011 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage bei der Bestimmung des Wohnortes im Zuge der Verfahrenseinleitung Schritte zur in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung 987/2009 verlangten Herstellung des Einvernehmens mit dem jeweiligen Mitgliedsstaat gesetzt?
  5. In welcher Form erfolgt die in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung 987/2009 verlangte Herstellung des Einvernehmens mit dem jeweiligen Mitgliedsstaat durch das AMS?
  6. Ist es aus Sicht des AMS bzw. des BMASK denkbar, dass eine Person, die in Österreich einer Beschäftigung nachgeht, hier Steuern zahlt und hier eine regelmäßig und dauernd genutzte Wohnung hat, als Grenzgänger oder Grenzgängerin eingestuft wird, obwohl diese Person seltener als – wie in der EU-Verordnung 883/2004 als Obergrenze für die Annahme von Grenzgängerei festgelegt – wöchentlich in ein anders Land – sei es der Wohnort von Verwandten oder das Land, dessen Staatsbürgerschaft eine Person besitzt - reist?
  7. Welche Unterlagen, Anweisungen, Dienstanweisungen oder sonstige Erläuterungen erhalten MitarbeiterInnen des AMS, um erkennen zu können, dass im Fall einer arbeitsuchenden Person ein Verfahren zur Ermittlung des Wohnortes einzuleiten ist (wir ersuchen, die jeweiligen Unterlagen, Anweisungen, Dienstanweisungen oder sonstige Erläuterungen sind der Anfragebeantwortung im Wortlaut anzufügen)
  8. Welche Unterlagen, Anweisungen, Dienstanweisungen oder sonstige Erläuterungen erhalten MitarbeiterInnen des AMS, um erstinstanzlich Entscheidungen treffen zu können, ob im Fall einer arbeitsuchenden Person ein Wohnortes außerhalb Österreichs liegt (wir ersuchen, die jeweiligen Unterlagen, Anweisungen, Dienstanweisungen oder sonstige Erläuterungen sind der Anfragebeantwortung im Wortlaut anzufügen)?
  9. In wie vielen Fällen entschied das AMS in den Jahren 2011 bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage – aufgeschlüsselt nach Monat und Staatsbürgerschaft der betroffenen arbeitssuchenden Person - erstinstanzlich, dass ein arbeitssuchender Mensch als Grenzgänger einzustufen sei?
  10. In welcher Weise stellt das AMS betroffenen Menschen jene Informationen bereit, die notwendig sind, um einfach und unbürokratisch feststellen zu können, ob diese Menschen als GrenzgängerInnen einzustufen sind, oder nicht?