9673/J XXV. GP

Eingelangt am 22.06.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Sigrid Maurer, Wolfgang Zinggl, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend Auswirkungen des Konkordats an den Universitäten

BEGRÜNDUNG

 

Die österreichische Verfassung garantiert: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“. Dieser Grundsatz zielt darauf ab, die Freiheit von Forschung und Lehre vor Einflussnahme oder Beschränkung durch den Staat zu schützen. Dieser Schutz scheint jedoch für die theologischen Fakultäten an den österreichischen Universitäten nicht zu gelten – über das Konkordat bzw. das Bundesgesetz über die äußeren Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche sind umfassende Einflussmöglichkeiten der kirchlichen Einrichtungen verankert.

Aufgrund des Konkordats ist die Republik dazu verpflichtet, die katholisch-theologischen Fakultäten an den Universitäten Wien, Graz, Innsbruck und Salzburg jedenfalls als selbstständige Organisationseinheiten zu erhalten und zu finanzieren. Außerdem sind starke (Mit)Bestimmungsrechte in der Personalbesetzung vorgesehen: der Rektor oder die Rektorin der betreffenden Universität muss bei Berufungen von Professor_innen, Dozent_innen, aber auch sonstigem Lehrpersonal die Erlaubnis der Kirchenbehörden einholen – eine sogenannte „Unbedenklichkeitserklärung“, das „nihil obstat“. Dies gilt ebenso für Habilitationen. Zudem wird der Kirche eingeräumt, Professor_innen und Dozent_innen, die sie nicht mehr für geeignet befindet, von ihrer Lehrtätigkeit entheben zu lassen. Darüber hinaus haben die katholisch-theologischen Fakultäten auch „bei der Gestaltung ihrer inneren Organisation und der Studienvorschriften“[1] das Konkordat zu berücksichtigen. Diese Vorgabe bezieht sich auf die Apostolische Konstitution „Sapientia Christiania“ und die daraus abgeleitete Rahmenordnung der österreichischen Bischofskonferenz über die Gestaltung von Studienplänen. Die erstellten Studienpläne sind zudem vom Heiligen Stuhl zu approbieren.[2] In keiner einzigen anderen Studienrichtung ist ein solches Mitspracherecht für universitätsexterne Personen vorgesehen.[3]

Aufgrund des Bundesgesetzes über die äußeren Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche ist die Republik verpflichtet, die Evangelische Theologie an der Universität Wien als eigenständige Organisationseinheit aufrecht zu erhalten, zu finanzieren und mit jedenfalls sechs Professuren auszustatten. In der Personalbesetzung sind die Rechte der Evangelischen Kirche deutlich schwächer – ihr kommt nur ein Anhörungsrecht bei Berufungen zu. Lehrende an der Evangelisch-Theologischen Fakultät müssen der Evangelischen Kirche angehören.[4]

Die Einflussmöglichkeiten für die kirchlichen Behörden an den öffentlichen Universitäten stehen in eindeutigem Konflikt mit dem verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz der Wissenschaftsfreiheit.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Wie viele Berufungen gab es seit 2002 an den jeweiligen theologischen Fakultäten? Bitte um Auflistung samt Titel der Professur.

 

2.    Wurde bei allen Berufungen das „nihil obstat“ bei den kirchlichen Behörden eingeholt?

a.    Wenn ja, bei welcher Institution konkret?

b.    Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt im Berufungsverfahren erfolgt dies konkret?

c.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

d.    Wenn nein, bei welchen Neuberufungen wurde es nicht eingeholt und warum nicht?

 

3.    Gab es seit 2002 eine Verweigerung des „nihil obstat“ seitens der kirchlichen Behörden für eine Berufung?

a.    Wenn ja, in welchen konkreten Fällen? Bitte um Auflistung nach Fakultät und Titel der Professur.

b.    Wenn ja, mit jeweils welcher Begründung?

c.    Wenn ja, wie wurde seitens des jeweiligen Rektorats darauf reagiert?

 

4.    Erfolgt die Einbindung der kirchlichen Behörden bereits im Berufungsverfahren?

a.    Wenn ja, in welcher Form konkret und zu welchem Zeitpunkt?

b.    Wenn ja, auf Basis welcher Rechtsgrundlage erfolgt dies?


5.    Werden die kirchlichen Behörden aufgefordert, Gutachten zu den Kandidat_innen in einem Berufungsverfahren zu erstellen?

a.    Wenn ja, basierend auf welcher Rechtsgrundlage?

b.    Wenn ja, wie werden diese Gutachten im Berufungsverfahren behandelt?

c.    Wenn ja, welche Bewertungskriterien werden seitens der kirchlichen Behörden in diesen Gutachten herangezogen?

 

6.    Werden die kirchlichen Behörden zu den Hearings, die im Rahmen eines Berufungsverfahrens abgehalten werden, eingeladen?

a.    Wenn ja, dürfen sie dort auch Fragen stellen?

b.    Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgt dies?

 

7.    Wie viele Habilitationen gab es seit 2002 an den jeweiligen theologischen Fakultäten? Bitte um Auflistung nach Fakultät.

 

8.    Wurde bei allen Habilitationen das „nihil obstat“ bei den kirchlichen Behörden eingeholt?

a.    Wenn ja, bei welcher Institution konkret?

b.    Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt im Habilitationsverfahren erfolgte dies?

c.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

d.    Wenn nein, bei welchen Habilitationen wurde es nicht eingeholt und warum nicht?

 

9.    Gab es seit 2002 eine Verweigerung des „nihil obstat“ seitens der kirchlichen Behörden bei einer Habilitation?

a.    Wenn ja, in welchen konkreten Fällen? Bitte um Auflistung nach Fakultät.

b.    Wenn ja, mit jeweils welcher Begründung?

c.    Wenn ja, wie wurde seitens des jeweiligen Rektorats darauf reagiert?

 

10. Erfolgt die Einbindung der kirchlichen Behörden bereits im Habilitationsverfahren?

a.    Wenn ja, in welcher Form konkret?

b.    Wenn ja, auf Basis welcher Rechtsgrundlage erfolgt dies?

 

11. Werden die kirchlichen Behörden aufgefordert, Gutachten zu Habilitationen zu erstellen?

a.    Wenn ja, auf Basis welcher Rechtsgrundlage erfolgt dies?

b.    Wenn ja, wie werden diese Gutachten im Habilitationsverfahren behandelt?

c.    Wenn ja, welche Bewertungskriterien werden seitens der kirchliche Behörden in diesen Gutachten herangezogen?

 

12. Werden die kirchlichen Behörden zur Defensio der Habilitationsschrift, die im Rahmen eines Habilitationsverfahrens abgehalten wird, eingeladen?

a.    Wenn ja, dürfen sie dort auch Fragen stellen?

b.    Wenn ja, auf Basis welcher Rechtsgrundlage erfolgt dies?


13. Gab es seit 2002 eine Enthebung von der Ausübung der Lehrbefugnis gemäß § 4 des Konkordats?

a.    Wenn ja, in welchen konkreten Fällen? Bitte um Auflistung nach Fakultät.

b.    Wenn ja, mit jeweils welcher Begründung?

c.    Wenn ja, von welcher kirchlichen Behörde wurde die Enthebung eingefordert?

d.    Wenn ja, wie hat die Universität darauf jeweils reagiert?

e.    Wenn ja, wie wurde mit den Personen weiter verfahren? (zB Versetzung an ein anderes Institut)

 

14. Für welche Verwendungsgruppen des Kollektivvertrags ist die Einholung des „nihil obstat“ vorgesehen?

 

15. In welcher Form erfolgt die Einbindung der kirchlichen Behörden bei den jeweiligen Verwendungsgruppen des Kollektivvertrags?

 

16. Werden Ausschreibungen für Planstellen an den Katholisch-Theologischen Fakultäten mit den kirchlichen Behörden abgestimmt?

a.    Wenn ja, mit welcher kirchlichen Einrichtung konkret?

b.    Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgt dies?

 

17. Wie viele und welche Curricula wurden seit 2002 an den Katholisch-theologischen Fakultäten erlassen? Bitte um Auflistung der jeweiligen Studien nach Fakultät.

 

18. Wurden alle dieser Curricula dem Heiligen Stuhl zur Approbation vorgelegt?

a.    Wenn, ja, zu welchem Zeitpunkt im Prozess der Curricula-Erstellung erfolgte dies?

b.    Wenn ja, wie viele dieser Curricula wurden unbeanstandet vom Heiligen Stuhl genehmigt?

c.    Wenn nein, warum nicht?

 

19. Wurde seit 2002 einem der vorgelegten Curricula die Approbation durch den Heiligen Stuhl verwehrt?

a.    Wenn ja, für welche Curricula konkret und mit jeweils welcher Begründung?

b.    Wenn ja, wie reagierte die jeweilige Universität darauf?

 

20. Wurden die kirchlichen Behörden in die Erstellung der Curricula seit 2002 eingebunden?

a.    Wenn ja, in welcher Form und zu jeweils welchem Zeitpunkt?

b.    Wenn ja, welche kirchlichen Einrichtungen wurden konkret eingebunden?

c.    Wenn ja, welche Rückmeldungen erhielten die jeweiligen Curricular-Kommissionen von kirchlicher Seite?

d.    Wenn ja, inwiefern wurden diese Rückmeldungen bei der Gestaltung der Curricula berücksichtigt?

e.    Wenn nein, warum nicht?


21. Auf welcher Grundlage im Universitätsgesetz 2002 basiert die Bindung der Curricularkommissionen und des Senats an die Rahmenordnung zur Gestaltung katholisch-theologischer Studienpläne der Österreichischen Bischofskonferenz?

 

22. Wie läuft der Prozess der Curricula-Gestaltung an den Katholisch-Theologischen Fakultäten konkret ab? Bitte um Beschreibung der einzelnen Prozess-Schritte von Konsultation bis Approbation durch den Heiligen Stuhl.

 

23. Müssen auch Änderungen der Curricula den kirchlichen Behörden vorgelegt werden?

a.    Wenn ja, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt erfolgt dies?

b.    Wenn ja, in welchen konkreten Fällen wurden die Änderungen von den kirchlichen Behörden beanstandet? Wie hat die Universität darauf jeweils reagiert?

 

24. Erfordert eine Änderung des Curriculums eine erneute Approbation durch den Heiligen Stuhl?

 

25. In welcher Form wird das Anhörungsrecht der Evangelischen Kirche bei der Berufung von Professor_innen an die Evangelisch-Theologische Fakultät gewährt?

 

26. Zu welchem Zeitpunkt im Berufungsverfahren erfolgt die Einbindung der Evangelischen Kirche?

 

27. Welche Auswirkungen haben die Rückmeldungen der Evangelischen Kirche auf die Berufung von Professor_innen?

 

28. Inwiefern sind die Mitspracherechte für kirchliche Behörden bei Personalentscheidungen und der Gestaltung von Studienplänen mit der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit von Forschung und Lehre vereinbar?

 



[1] UG 2002 § 38 Abs. 1

[2] Pintaric, Drago (2011): „Die Situation der Katholischen Theologie in Österreich“, in: Patrick Becker (Hg): Studienreform in der Theologie. Eine Bestandsaufnahme. Reihe Theologie und Hochschuldidaktik, Band 2. LIT-Verlag: 51-80.

[3] Muzak, § 38 UG 2002, in Mayer (Hg), Universitätsgesetz 2002. (Stand 1.9.2014, rdb.at)

[4] Ebd.