9691/J XXV. GP

Eingelangt am 28.06.2016
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Roman Haider

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend den österreichischen Gebührenwahnsinn

 

 

Die Presse vom 10.06.2016:

 

"Gebühren – ohne sie geht in Österreichs gar nichts. In keinem Land der Europäischen Union werden so viele verschiedene und so hohe Gebühren wie hierzulande eingehoben. Das freut den Finanzminister. Für den Wirtschaftsstandort Österreich sind sie jedoch ein Nachteil. Kaum ein amerikanischer oder englischer Unternehmer, der hierzulande eine Niederlassung eröffnen will, bleibt gelassen, wenn er erfährt, dass er für fast jedes Rechtsgeschäft und jede Amtshandlung eine Gebühr zu bezahlen hat. Die hohe Steuerbelastung trägt dann noch das Ihre bei und das Projekt, in Österreich zu investieren, ist schon wieder vom Tisch. […]

Wofür in Österreich Gebühren zu zahlen sind, regelt das Gebührengesetz. Demnach müssen wir nicht nur für Schriften und Amtshandlungen, sondern auch für Rechtsgeschäfte Abgaben leisten. Für Schriften und Amtshandlungen, wie etwa das Aufnehmen einer Verlustanzeige bei der Polizei, sind feste Gebühren zu bezahlen. Bei Rechtsgeschäften wird die Höhe in Form von Prozentsätzen berechnet. Wer etwa einen einjährigen Miet- oder Pachtvertrag schriftlich abschließt, muss ein Prozent der jährlichen Miete (inklusive Betriebskosten und Umsatzsteuer) an den Staat abführen. Aber auch wer einen Ehe-, Adoptionsvertrag oder einen außergerichtlichen Vergleich abschließt, kommt um Gebühren nicht herum.

Die Österreichische Rechtsanwaltskammer (Örak) kritisiert diese Rechtsgeschäftsgebühren aufs Schärfste. „Es ist in einem modernen Rechtsstaat nicht nachvollziehbar, weshalb etwa Eheleute, die einen Ehepakt abschließen, eine Gebühr von ein Prozent ihres gesamten Vermögens entrichten sollen“, heißt es im aktuellen Wahrnehmungsbericht der Örak. Noch skurriler ist, das zwei Parteien, die einen Streit mittels eines außergerichtlichen Vergleichs beilegen, also die Gerichte gerade nicht beanspruchen, dennoch zur Kasse gebeten werden. Und das kräftig: Grundsätzlich beträgt die Gebühr zwei Prozent vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen. Wird der Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen, beträgt die Gebühr immer noch ein Prozent.

Rechtsstaatlich noch deutlich bedenklicher als die Rechtsgeschäftsgebühren beurteilt die Örak die Gerichtsgebühren. Der Grund? Sie erschweren oder verhindern den Zugang zu den Gerichten: „Die Zahl der bei Gericht anhängig gemachten Rechtssachen wird von Jahr zu Jahr geringer. Dieser konstante Rückgang ist ein klares Indiz dafür, dass der Zugang zum Recht in Österreich immer beschwerlicher wird“, kritisiert Rupert Wolff, Präsident des Örak. Eine Ursache dafür seien die hohen Gerichtsgebühren. Sie hätten mittlerweile dazu geführt, dass Bürger genau prüfen müssten, ob sie sich den Gang zu Gericht überhaupt leisten könnten. „Das trifft die breite Mittelschicht und nicht jene, die Verfahrenshilfe erhalten oder jene, die es sich ohnehin leisten können.“

 

Wolffs Kritik lässt sich auch anhand des CEPEJ(European judicial systems)-Reports des Europarats von 2014 belegen. Ein Vergleich mit anderen EU-Mitgliedstaaten zeigt, dass Österreich unangefochten Spitzenreiter bei den Gerichtsgebühren ist. In Deutschland fällt bei einem Streitwert über 100 Millionen Euro im Zivilprozess eine Gerichtsgebühr von 329.208 Euro an. In Österreich bezahlt man für denselben Rechtsstreit 1.202.987 Euro, also nahezu viermal so viel.

Kein Wunder, dass sich ausländische Unternehmen, die sich hier ansiedeln wollen, davon abschrecken lassen. Denn ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen ein Land ist die Sicherheit, Rechtsstreitigkeiten rasch und kostengünstig beilegen zu können. Wolff: „Daher ist es nicht nur ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit, sondern auch im Sinn der österreichischen Wirtschaft, die Gerichtsgebühren massiv zu senken.“

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen folgende

 

Anfrage

 

1.     Laut dem Presse-Artikel werden in keinem Land der Europäischen Union so viele verschiedene und so hohe Gebühren wie hierzulande eingehoben, wie stehen Sie zu dieser Aussage?

2.     Sollte dieser Umstand geändert werden?

3.     Wenn ja, warum und wie werden Sie hierbei vorgehen?

4.     Wenn nein, warum nicht?

5.     Denken Sie, dass es dem Wirtschaftsstandort Österreich schadet, dass für fast jedes Rechtsgeschäft oder fast jede Amtshandlung eine Gebühr zu entrichten ist?

6.     Wenn ja, wird sich das mit Ihnen als Finanzminister ändern?

7.     Wenn nein, warum nicht?

8.     Auf welche Gebühren könnte seitens Ihres Ministeriums am ehesten verzichtet werden?

9.     Die Österreichische Rechtsanwaltskammer (ÖRAK) lässt kein gutes Haar an Rechtsgeschäftsgebühren und nennt als Negativbeispiel die Zahlung von einem Prozent des Gesamtvermögens beim Abschluss eines Ehepaktes unter Ehegatten; wie stehen Sie zu dieser Kritik?

10.  Erachten Sie die Entrichtung einer solchen Gebühr bzw. diese Höhe für den Abschluss von Ehepakten als angemessen?

11.  Wenn ja warum?

12.  Wenn nein, warum nicht und werden Sie hier Änderungen vornehmen?

13.  Zwei Prozent vom Gesamtwert der übernommenen Leistungen beträgt die zu entrichtende Gebühr für Parteien im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs; erachten Sie diese Gebühr als zielführend und angemessen?

14.  Wenn ja, warum?


15.  Wenn nein, warum nicht und werden Sie hier Änderungen vornehmen?

16.  Insbesondere die Gerichtsgebühren sind der ÖRAK ein Dorn im Auge, da sie den Zugang zu den Gerichten erheblich erschweren oder verhindern. Gemäß ÖRAK werde die Zahl der beim Gericht anhängig gemachten Rechtssachen immer weniger und Bürger würden zusehends genau überlegen ob sie sich den Gang zum Gericht überhaupt leisten können, hiervon sei insbesondere die Mittelschicht betroffen, der eben noch keine Verfahrenshilfe gewährt wird. Wie stehen Sie zu diesem Kritikpunkt?

17.  Soll der Zugang zu den Gerichten durch das Senken der Gerichtsgebühren Ihrer Meinung nach erleichtert werden?

18.  Wenn ja, warum?

19.  Wenn nein, warum nicht?

20.  Gemäß dem CEPEJ (European judicial systems Report) ist Österreich Spitzenreiter bei den Gerichtsgebühren, verglichen mit den anderen EU-Staaten. Warum ist dem so?

21.  Sehen Sie in den hohen Gerichtsgebühren ein rechtsstaatliches Problem?

22.  Wenn ja, werden Sie etwas ändern?

23.  Wenn nein, warum nicht?

24.  Gemäß einem im Artikel genannten Beispiel fällt in Deutschland bei einem Streitwert über 100 Millionen Euro im Zivilprozess eine Gerichtsgebühr von 329.208 Euro an, während man in Österreich für denselben Rechtsstreit 1.202.987 Euro, also nahezu viermal so viel bezahlen muss; worauf lässt sich diese Differenz zurückführen?

25.  Halten Sie diese Differenz für gerechtfertigt?

26.  Wenn ja warum?

27.  Wenn nein, warum nicht und werden Sie diesbezüglich etwas ändern?

28.  Halten Sie Österreich mit derartig vielen und hohen Gebühren als auch den hohen Steuern für einen attraktiven Wirtschaftsstandort für ausländische Unternehmen?

29.  Wenn ja, warum?

30.  Wenn nein, warum nicht?