9815/J XXV. GP

Eingelangt am 06.07.2016
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Kickl

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend Produktion und Wiederverwendung von Stimmkuverts und -zettel sowie Wahlkarten

 

Die große Diskrepanz zwischen den Auszählungsergebnissen der Bundespräsidentenstichwahl vom 22. Mai 2016 vor und nach der Berücksichtigung der Briefwahlstimmen löste bei vielen Wählern Zweifel an der Korrektheit der Auszählung aus. Nachdem sich diesbezügliche Verdachtsmomente weiter verdichtet hatten, entschied sich die Freiheitliche Partei Österreichs nach reiflicher Überlegung und im Interesse des in einem demokratischen Rechtsstaat unverzichtbaren Vertrauens in das Funktionieren seiner Verwaltung, das Ergebnis der Bundespräsidenten-Stichwahl beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Ungeachtet des noch ausstehenden Erkenntnisses, das selbstverständlich zu respektieren ist, sollten die unerfreulichen Vorgänge endlich Anlass sein, das Wahlprocedere grundsätzlich zu überdenken und eine Reform in Angriff zu nehmen.

 

Die Problematik ist nicht neu, sie sorgte auch in der Vergangenheit für heftige Diskussionen. So berichteten die NÖ Nachrichten schon in ihrer Ausgabe Nr. 38/2010 vom 21.09.2010 von einem mutmaßlichen Wahlbetrug in Mistelbach. Bei der Gemeinderatswahl habe ein Parteifunktionär aufgrund einer vermutlich selbst geschriebenen Ermächtigungserklärung Wahlkarten für andere bei der Gemeinde gelöst. „Erst als eine von den betroffenen Personen wählen wollte, flog der Schwindel auf. Grundsätzlich ist es Usus, dass Funktionäre für ihre weniger mobile Klientel die Wahlkarten bringen. Man erhofft sich vom Extra-Service die entsprechende Honoration bei den Stimmen“, so das Blatt. Derartige Vorfälle seien aber kein Einzelfall, heißt es weiter, und derartige Probleme werde man nie beseitigen können. Die NÖ Nachrichten zitieren Bürgermeister Alfred Pohl (ÖVP), der von einem „prekären Unsicherheitsfaktor“ spricht und folgende Lösung vorschlägt: „Wird eine Wahlkarte gelöst, bekommt der Wähler eine postalische Verständigung. Wie bei einer Bankomat-Karte.“

 

Der Kurier wiederum berichtet am 17.07.2015 unter der Überschrift: „Ein Freibrief für Wahlbetrüger“ von einer Wahlmanipulation, bei der ein Mitglied einer Adelsfamilie Unterschriften von 16 Verwandten gefälscht und dadurch das Wahlrecht ausgeübt haben soll: „Einerseits gab der Schlossherr zwar zu, die Unterschriften nachgemacht zu haben, bekannte sich jedoch als nicht schuldig. Seiner Ansicht zufolge habe er die Unterschriften im Einvernehmen mit den Verwandten getätigt. Diese hätten ihm telefonisch auch die zu wählende Partei genannt. Da sich die Familienmitglieder auf Spanien, Italien und Kärnten verteilen und nur einen Nebenwohnsitz in der Gemeinde Gaweinstal haben, nutzten sie die Möglichkeit der Briefwahl. Laut Gesetz muss jedoch jeder Stimmzettel persönlich unterschrieben werden. ‚Ich wusste, dass es formal nicht korrekt ist, aber ich wollte den Wählerwillen erfüllen.’ [...] Die Staatsanwältin sprach von einem Sonderfall, wies jedoch auf das Wahlgesetz hin. Demnach müsse die Stimmabgabe persönlich, geheim und unbeeinflusst vorgenommen werden. Seitens des Gerichts wurde der Landwirt jedoch freigesprochen. Richterin Lydia Rada begründete das Urteil damit, dass keinerlei Vorsatz zu erkennen sei. Für Kritik sorgte das Urteil bei Hubert Kuzdas, SPÖ-Vorsitzender in Gaweinstal, der die Anzeige eingebracht hatte. ‚Das ist ein Freibrief für alle Wahlbetrüger.’ Solch ein sanktionsloses Verhalten würde die Briefwahl ad absurdum führen. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, das Urteil ist nicht rechtskräftig.“

 

Um künftig die Wahlkartenproblematik in den Griff zu bekommen und Manipulationen und „Missverständnisse“ bei Wahlen möglichst auszuschließen, wird eine Adaption des Wahlprocedere unverzichtbar sein. Um die richtigen Lösungsansätze zu finden, müssen alle Fakten auf den Tisch gelegt und tabufrei diskutiert werden. Dabei könnte die Klärung von nur scheinbar unwichtigen Detailfragen erhellend und hilfreich wirken. Etwa das Verhältnis zwischen Produktion von Stimmkuverts und -zettel und deren tatsächlicher Inanspruchnahme sowie die Klärung der Frage, ob die überschüssigen Stimmkuverts und -zettel bzw. Wahlkarten nach geschlagenen Wahlen vernichtet oder wiederverwendet werden, wo man sie aufbewahrt und welcher Personenkreis Zugriff auf sie hat.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Inneres folgende

 

 

Anfrage

 

1.      Wie viele Stimmkuverts und -zettel wurden anlässlich des ersten Wahlganges zur Bundespräsidentenwahl produziert?

2.      Wie viele Stimmkuverts und -zettel wurden anlässlich der Bundespräsidentenstichwahl produziert?

3.      Wer wurde mit ihrer Produktion beauftragt?

4.      Wo und von wem wurden die Stimmkuverts und -zettel vor der jeweiligen Wahl aufbewahrt?

5.      Welcher Personenkreis hatte Zugriff auf die Stimmkuverts und -zettel?

6.      Wurden die überschüssigen Stimmkuverts und -zettel nach geschlagener Wahl vernichtet und entsorgt, und wenn ja, wie und von wem?

7.      Wenn nein, was geschah mit den überschüssigen Stimmkuverts und -zettel?

8.      Wurden sie einer Wiederverwendung zugeführt, und wenn ja, welcher?

9.      Gab es seit der letzten bundesweiten Wahl (Nationalratswahl) eine Veränderung hinsichtlich der Produktion von Stimmkuverts und -zettel, und wenn ja, welche – in absoluten Zahlen und in Prozent?

10.   Gab es seit der letzten bundesweiten Wahl (Nationalratswahl) eine quantitative Veränderung hinsichtlich der Überproduktion von Stimmkuverts und -zettel, also im Verhältnis zwischen Produktion und tatsächlicher Verwendung bei der Wahl?

 

11.   Wie viele Wahlkarten wurden seit ihrer Einführung 2008 für bundesweite Wahlen produziert – aufgeschlüsselt nach bundesweiten Wahlen seit 2008?

12.   Wie hoch war die Überproduktion von Wahlkarten bei den einzelnen Wahlen seit 2008?

13.   Was geschah mit den nicht verwendeten Wahlkarten?

14.   Wer wurde für die einzelnen bundesweiten Wahlgänge mit der Produktion der Wahlkarten beauftragt?

15.   Wo und von wem wurden die Wahlkarten vor der jeweiligen Wahl aufbewahrt?

16.   Welcher Personenkreis hatte Zugriff auf die Wahlkarten?

17.   Wurden die überschüssigen Wahlkarten nach geschlagener Wahl vernichtet und entsorgt, und wenn ja, wie und von wem?

18.   Wenn nein, was geschah mit den überschüssigen Wahlkarten? Wurden sie einer Wiederverwendung zugeführt, und wenn ja, welcher?

19.   Wie entwickelte sich das Verhältnis zwischen ausgegebenen und eingelangten Wahlkarten – in absoluten Zahlen und in Prozent seit ihrer Einführung 2008, gegliedert nach den einzelnen Wahlen?