9860/J XXV. GP

Eingelangt am 07.07.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Souveränität Österreichs bei der Infrastruktur, insbesondere Telekommunikations-Infrastruktur

 

Die Republik Österreich hat 2014 den Mehrheitsanteil an der Telekom Austria (TA) an die von mexikanischer Privatseite gesteuerte América Móvil Group (AMX) verkauft. Die Anteile verteilen sich nunmehr wie folgt:

·         AMX 59,7%,

·         Republik Österreich über Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH (ÖBIB/ehem. ÖIAG, zugeordnet dem BMF) 28,42%,

·         Streubesitz 11,88%.

 

Mit Inkrafttreten des Syndikatsvertrags (2015) hat AMX die industrielle Führerschaft übernommen.

Der Dreiervorstand wird gemäß Syndikatsvertrag wie folgt ernannt:

-> CEO durch die ÖBIB

-> CFO und CTO durch AMX

Der CEO ist an den Mehrheitsbeschluss des Gesamtvorstands gebunden, kann also von CFO und CTO überstimmt werden

 

Der Vorstand setzt sich seit Q3/2015 wie folgt zusammen

·         CEO Alejandro Plater

·         CFO Siegfried Mayerhofer

·         Die ÖBIB hat auf das Vorschlagsrecht für den CEO verzichtet und AMX zugestanden, den CEO mit ihrem Kandidaten zu besetzen, der gleichzeitig die Funktion des CTO wahrnimmt

 

Die Telekom Austria AG ist mit ihrer Tochter A1 Telekom Austria Marktführer in Österreich:

Im Mobilfunk beträgt ihr Anteil laut Kommunikationsbericht 2015 der RTR 40,5 Prozent, im Festnetz 50 Prozent, sowie bei Breitband 46,5 Prozent. Aber auch nahezu alle anderen Marktteilnehmer sind auf Infrastruktur der Telekom Austria angewiesen: So transportieren zB technisch gesehen alle anderen Mobilfunkbetreiber ihre Daten über sogenannte Vorleistungen über das Kernnetz der A1 (Telekom Austria/AMX).

 

Durch den Verkauf und die syndikatsvertragliche Gestaltung und Handhabung kann America Movil derzeit frei über die österreichische Telekommunikationsinfrastruktur (Data Highway, Vermittlungsstellen, Kupferkabel zu den Haushalten) verfügen.

Sollte sich AMX einmal aus dem österreichischen Markt zurückziehen wollen, dann kann sie das Unternehmen bzw. Teile des Unternehmens frei weiterverkaufen – beispielsweise an Finanzinvestoren, oder an sogenannte Over-the-Top-Player wie Google und Facebook, die sich ihre eigenen Infrastruktur aufbauen wollen und das teilweise auch schon tun.

 

AMX hat mehrfach kommuniziert, dass in Europa expandiert werden soll. Dafür würde es eine Kapitalerhöhung brauchen. Es scheint unwahrscheinlich, dass die die ÖBIB bei einer Kapitalerhöhung mitziehen wird/kann. Was in diesem Fall geschieht ist offen: Wird/kann die ÖBIB eine Expansion der Telekom Austria unterbinden? Oder wird Österreich dann auch seine Beteiligung weiter reduzieren oder die Beteiligung gar veräußern?

 

Der hundertprozentige Staatsbesitz bei der Straßen- und Schieneninfrastruktur ist so gut wie sakrosankt und wurde nach den Erfahrungen mit PPP-Straßenprojekten und Bahnnetzprivatisierungen a la Großbritannien außer von neoliberalen Ideologen bislang von kaum jemand ernsthaft in Frage gestellt. Eigentümervertreter ist bei diesem Teil der Infrastruktur-Unternehmen das SPÖ-geführte BMVIT. Hingegen ist die Souveränität Österreichs über die für die Zukunft – Stichwort zB Industrie 4.0 – so entscheidende Telekom-Infrastruktur im Lande derzeit schon fast gänzlich verloren und muss dringendst zurückgewonnen werden. Eigentümervertreter ist hier im Wege der ÖBIB das ÖVP-geführte BMF.

Daneben ist noch die Infrastruktur der Post AG sowie die Energiewirtschafts-Infrastruktur von Stromnetzen bis Rohrleitungen zu erwähnen.

 

Zuletzt wurde allerdings vom Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie und seiner prominenten SPÖ-verankerten Präsidentin, Staatssekretärin a.D. Brigitte Ederer (u.a. auch Aufsichtsratschefin bei den ÖBB) die bereits gelegentlich ventilierte Idee einer Infrastruktur-Holding oder eines Infrastruktur-Konzerns für alle genannten Infrastrukturen wiederbelebt.

Im Zuge dessen erfolgte – siehe zB Tageszeitung „Die Presse“ vom 6.7.2016 - der Vorschlag, die Netz-Infrastruktur (Festnetz incl. Glasfaser-Breitband) von Telekom Austria/AMX zu übernehmen, womöglich im Gegenzug zu einem Rückzug des Staates aus dem Mobilfunkanbieter A1.

Bemerkenswert ist, dass sich Brigitte Ederer in diesem Zusammenhang generell für eine staatliche Mehrheit am erwähnten Infrastrukturkonzern aussprach, bis zu 49% von Straße, Schiene, Telekom, Stromnetz, Öl- und Gas-Pipelines können ihr zufolge an Private abgegeben werden.

 

Das würde bedeuten, dass bei der Telekom-Infrastruktur eine zumindest partielle Re-Verstaatlichung erfolgen müsste, hingegen zB bei der ASFINAG und bei der ÖBB-Infrastruktur eine Hälfte-Privatisierung anstünde.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Welche Perspektiven zur Sicherung der Souveränität Österreichs bei der Telekom-Infrastruktur haben Sie bzw Ihr Ressort im Einzelnen entwickelt?

2)    Welcher Zeithorizont bis zu den nötigen Entscheidungen ist diesen Überlegungen hinterlegt?

3)    Wie stehen Sie zur Herauslösung der Telekom-Infrastruktur aus der nunmehr im Mehrheitsbesitz und in der dank Gestaltung und konkreter Handhabung des Syndikatsvertrags nahezu alleinigen Verfügung der America Movil/AMX stehenden Telekom Austria und Rückführung in Staatseigentum?

4)    Welche Teile der Infrastruktur der Telekom Austria (Festnetz, Festnetz-Breitband, Mobilfunk-Infrastruktur) sollten gegebenenfalls davon umfasst sein?

5)    Wie stehen Sie zur zuletzt (Tageszeitung „Die Presse“ vom 6.7.2016) von ÖBB-Aufsichtsratschefin und Ex-SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer in ihrer Rolle als Präsidentin des Verbands der Elektro- und Elektronikindustrie vorgebrachten Anregung, die Netze der Telekommunikations-, Energie- und Verkehrsunternehmen zu einem „schlagkräftigen Infrastrukturkonzern“ zusammenzufassen?

6)    Wie stehen Sie zur in diesem Zusammenhang von ÖBB-Aufsichtsratschefin und Ex-SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer vertretenen Forderung, dass bis zu 49 Prozent dieses Infrastrukturkonzerns an Private abgegeben werden können?

7)    Wie stehen Sie insbesondere zur somit erhobenen Forderung, a) die ASFINAG und b) die ÖBB-Infrastruktur AG zu 49% an Private abzugeben?

8)    Denken Sie nicht auch, dass wie von den Grünen vertreten derart wichtige Infrastruktur im öffentlichen Interesse zu 100 Prozent im Staatsbesitz sein sollte?