10070/J XXV. GP

Eingelangt am 18.08.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Ruperta Lichtenecker, Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend Umsetzung Europäische Initiative für Grüne Beschäftigung im Lichte des Weltklimavertrags

BEGRÜNDUNG

 

Mit dem Abschluss und der Ratifikation des Klimavertrags von Paris durch den Nationalrat sind eine ökologische Neuausrichtung und ein nachhaltiger Modernisierungsschub der österreichischen Wirtschaft noch viel dringender notwendig als je zuvor. Die Regierung muss jetzt handeln und ihre in Paris eingegangenen Verpflichtungen fokussiert und strategisch umsetzen, um den Standort Österreich nicht nachhaltig zu gefährden.

Neben einer Neuausrichtung der österreichischen Klima- und Energiepolitik ist eine strategische Umsetzung eines gesamtheitlichen Maßnahmenbündels, das von der  gesamten Regierung mitgetragen wird, unumgänglich. Nur so kann die österreichische Wirtschaft fit für die Herausforderungen des post-fossilen Zeitalters werden.

Es ist dabei u.a. endlich die Wirtschaftspolitik an die neuen ökologischen Leitplanken anzupassen. Die Förderpolitik und die Anreizinstrumente sind so umzugestalten, dass die Energieeffizienz- und Klimaschutzziele möglichst kosteneffizient erreicht werden können und der ökologische Wandel hin zu mehr Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft gelingen kann. Die Rahmenbedingungen zur optimalen Unterstützung der Wirtschaft bei diesem Wandel hin zur Dekarbonisierung sind rasch festzulegen und so Planungssicherheit für die Wirtschaft zu schaffen. Weiters müssen endlich verstärkt Innovationen im Energieforschungs- und Energieeffizienzbereich, der Technologietransfer Wissenschaft und Wirtschaft und im Bereich von neuen ökologisch sinnvollen Alternativen die erneuerbaren Energien unterstützt werden. Nur so ist es möglich, für die österreichischen Unternehmen insbesondere im Bereich der Umwelttechnik und Umwelttechnologien einen langfristigen Wettbewerbsvorteil zu schaffen und sie im globalen Wettbewerb zu stärken.

Anstatt den Standort Österreich fit für das post-fossile Zeitalter zu machen, streicht aber die Regierung derzeit Fördermittel im Klimaschutzbereich in diversen Budgets und behält die Retro-Förderungen für fossile Energien bei.

Die eigenen Vorgaben im Energieeffizienzgesetz wurden vom BMWFW, BMLFUW und BMASK per Verordnung bis zur Unkenntlichkeit verwässert, sodass die Erreichung des verbindlichen Einsparziels fragwürdig ist. Die Regierung blockiert seit Jahren eine dringend notwendige ökologische Steuerreform.

Versäumt es die Regierung aber – auch jetzt nach dem Vertrag von Paris - geeignete Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft, Steigerung der Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit der Industrie, Ökologisierung des Steuersystems und Umsetzung der Energieeffizienzziele zu setzen, so gefährdet sie den Wirtschaftsstandort Österreich und damit die Arbeitsplätze von morgen nachhaltig.

Neben den Verpflichtungen aus dem Weltklimavertrag gilt es auch, die vom damaligen Bundeskanzler Werner Faymann im Dezember 2015 angekündigte 100%ige Versorgung Österreichs aus erneuerbarer Stromproduktion im Jahr 2030 „auf Schiene“ zu bringen.

Wir können dem Klimawandel nur gemeinsam begegnen. Die einzelnen Regierungsmitglieder sind daher aufgerufen gemeinsam zu handeln, um die Ziele des Pariser Klimavertrags im Rahmen einer gemeinsamen Strategie mit ausreichend finanzierten Maßnahmen mit Zeitplan umgehend umzusetzen.

Bereits vor Verabschiedung des Weltklimavertrages in Paris 2015 wies die Europäische Kommission auf die Dringlichkeit der Forcierung von Umweltwirtschaft hin und begab vor zwei Jahren – am 2. Juli 2014 – die „Initiative für grüne Beschäftigung:  Nutzung des Potenzials der grünen Wirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen“, in der „die  strategischen  Rahmenbedingungen  abgesteckt werden,  innerhalb  deren  Arbeitsmarktstrategien  und  Strategien  für  den  Erwerb  von Qualifikationen aktiv die Beschäftigung und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der grünen Wirtschaft unterstützen können. Es werden gezielte politische Maßnahmen und Instrumente vorgelegt,  die  darauf  abzielen,  die  Beschäftigungs-  und  die  Umweltziele  miteinander  in Einklang zu bringen und zur Erreichung der Zielsetzungen von Europa 2020 beizutragen.“.

Vereinfacht gesagt: In dieser Mitteilung COM(2014) 446 werden bereits relativ konkrete Ziele und Maßnahmen vorgeschlagen bzw. die Mitgliedsstaaten zum Handeln aufgefordert.

Dabei zielt die Europäische Kommission unter anderem auf folgende Punkte ab:

·        Deckung von Qualifikations- und Wissensdefiziten durch Förderung des Erwerbs geeigneter Qualifikationen und eine bessere Prognose des Qualifikationsbedarfs;

·        Förderung der Schaffung von Arbeitsplätzen durch Verlagerung der Steuerlast vom Faktor Arbeit auf den Faktor Umweltverschmutzung; Förderung eines grünen Beschaffungswesens, grünen Unternehmertums und grüner Sozialunternehmen;

·        Förderung des grünen Unternehmertums, insbesondere von Sozialwirtschaft und Sozialunternehmen – aber auch durch Förderung der Kreislaufwirtschaft.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Welche Änderungsnotwendigkeiten ergeben sich für das Energiewirtschafts-gesetz in Hinblick auf die Dekarbonisierungszielsetzung (null CO2-Emissionen bis 2050) gemäß Weltklimavertrag von Paris?

 

2)    Welche Änderungsnotwendigkeiten ergeben sich für die Umsetzungs-bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes (Gas-Marktmodell-Verordnung, etc.) aus dem vorliegenden Weltklimavertrag, vor allem in Hinblick auf die Zielsetzung der vollständigen Dekarbonisierung bis zur 2. Hälfte des 21. Jahrhunderts?

 

3)    Welche Zielerreichungsprognosen bzw. absehbaren Abweichungen (bzw. Risiken) zur Erreichung des im Energieeffizienzgesetz verankerten „Energieendverbrauchszieles“ von 1050 PJ im Jahr 2020 sind aktuell ersichtlich?

 

4)    Ist angesichts der notwendigen Einsparungen des österreichischen Energie-verbrauchs bzw. CO2-Ausstoßes im Kontext des Weltklimavertrages von Paris eine Rücknahme der Förderkürzungen im Bereich der thermischen Sanierung geplant? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?

 

5)    Ist angesichts der notwendigen Einsparungen des österreichischen Energie-verbrauchs bzw. CO2-Ausstoßes im Kontext des Weltklimavertrages von Paris eine Rücknahme des Fernwärme-Ausbaustopps geplant (bzw. der Streichung der entsprechenden Fördergelder)? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?

 

6)    Ist angesichts der notwendigen Einsparungen des österreichischen Energieverbrauchs bzw. CO2-Ausstoßes im Kontext des Weltklimavertrages von Paris ein Verbot von neuen Ölheizungen im Neubau und nach Sanierung geplant? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?

 

7)    Wurde ein dem Klimavertrag von Paris entsprechend gerecht werdendes Ziel bzw. wurden Vorgaben hinsichtlich der Dekarbonisierung bei der Vergabe der Ausarbeitung der Klima- und Energiestrategie für 2030 berücksichtigt? Wenn nein, warum nicht?

 

8)    Nach Aussagen vom 13. Dezember 2015 von Bundeskanzler Werner Faymann soll die Stromversorgung (Stromproduktion)[1] Österreichs bis 2030 vollständig aus erneuerbarer Energie bestritten werden – welche Maßnahmen planen Sie, um dieses Ziel zu erreichen?

 

9)    Gehen Sie davon aus, dass das Ziel von 100% erneuerbarer Stromversorgung bis 2030 auf Basis des aktuell gültigen Ökostromgesetzes erreicht werden kann? Wenn nein, welche Änderungsnotwendigkeiten ergeben sich für das Ökostromgesetz?

 

10) Bis wann soll eine allfällige Novelle des Ökostromgesetzes erfolgt sein?

 

11) Welche Auswirkung haben der Abschluss des Weltklimavertrages und das Ziel, Österreich bis 2030 komplett mit erneuerbarem Strom zu versorgen, auf die zukünftige Ausrichtung der E-Control (institutioneller Rahmen, Aufgaben, etc.)?

 

12) Angesichts der Neuausrichtung der Klimapolitik und der essentiellen Rolle erneuerbarer Energien: Anhand welcher Kriterien (z.B. Ausbildung, Berufs-erfahrung) wurde die Reihung und Auswahl der jüngsten Neubesetzungen der Geschäftsführerpositionen der E-Control vorgenommen? Wie und anhand welcher Ausprägungen wurden Erfahrung bzw. Ausbildung hinsichtlich der strategischen Entwicklung und technischen sowie kaufmännischen Planung von erneuerbarer Energie berücksichtigt?

 

13) Welche Auswirkungen hat der Weltklimavertrag von Paris auf die geplanten Maßnahmen (bitte um getrennte Betrachtung der Horizonte 2020, 2030 und 2050) zum Standortfaktor „Transportinfrastruktur“, insbesondere auf folgende Aspekte?

a.    Ausbau des Schienenverkehrs

b.    Ausbau des Straßenverkehrs

c.    Gütertransportstrategie

 

14) Welche Auswirkungen hat der Weltklimavertrag von Paris auf die geplanten Maßnahmen (bitte um getrennte Betrachtung der Horizonte 2020, 2030 und 2050) zum Standortfaktor „Versorgungsinfrastruktur“, insbesondere auf folgende Aspekte?

a.    Entwicklung einer Strategie zum Auf- und Ausbau von Stromspeichern

b.    Ausbau und Verstärkung von Stromnetzen

c.    Ausbau von Leitungsnetzen für fossile Brennstoffe (Öl, Gas)

 

15) Welche Auswirkungen hat der Weltklimavertrag von Paris auf die geplanten Maßnahmen (bitte um getrennte Betrachtung der Horizonte 2020, 2030 und 2050) zum Standortfaktor „Green Jobs und Green Economy“, insbesondere auf folgende Aspekte?

a.    Förderungen von Greentech Unternehmen bzw. Greentech Clustern

b.    Exportförderung für nachhaltige energiewirtschaftliche Produkte

 

16) Inwiefern wird sichergestellt, dass öffentliche Auftraggeber (angesichts ihrer essentiellen Rolle als Multiplikatoren) zukünftig ausschließlich nachhaltige bzw. CO2-neutrale Produkte und Dienstleistungen beschaffen?

 

17) Welche Maßnahmen setzen Sie bis 2018, um der folgenden Aufforderung der EK in COM 2014 (446) nachzukommen: Mitgliedstaaten  und  Regionen  sind  aufgerufen,  bei  ihren  Finanzhilfeprogrammen  zur Förderung  grüner  Investitionen  und  grüner  Technologien  den  Aspekten  Beschäftigung  und Qualifikationen  stärker  Rechnung  zu  tragen  und  grünen  Sozialunternehmen  beim  Aufbau sowie bei der Nachbildung und bei der Anpassung zu helfen. Die Mitgliedstaaten sind ferner aufgefordert,  sicherzustellen,  dass  die  Mittel  aus  den  europäischen  Struktur-  und Investitionsfonds effizient eingesetzt werden, um die Umstellung auf eine grüne Wirtschaft im  Einklang  mit  der  für  Klimaschutzmaßnahmen  vorgeschriebenen  Quote  von  20 % voranzutreiben.“?

 

18) Welche Maßnahmen setzen Sie bis 2018, um der folgenden Aufforderung der EK in COM 2014 (446) nachzukommen: „Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, die Qualifikationen und die entsprechenden Lehrpläne in  der  Aus-  und  Weiterbildung  zu  überarbeiten  und  zu  aktualisieren,  damit  sie  den  neuen Arbeitsmarktanforderungen gerecht werden.“?

 

19) Wie wird der Zugang zur grünen Mikrofinanzierung im Rahmen des Programms EaSI bis 2018 sichergestellt (bezogen auf die folgende Aussage der EK in COM 2014 (446)): „Die Kommission fördert die Schaffung von Arbeitsplätzen, indem sie  Sozialunternehmen  (auch  solchen,  die  in  der  grünen  Wirtschaft  tätig  sind)  die Kapitalbeschaffung  und  den  Zugang  zu  einer  grünen  Mikrofinanzierung  im  Rahmen  des Programms EaSI erleichtert.“?

 



[1] https://www.bka.gv.at/site/cob__61633/6597/default.aspx