10126/J XXV. GP

Eingelangt am 02.09.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Abverkauf aus der Archivsammlung der Österreichischen Post

 

Die Post AG hat offenbar in den letzten Jahren wertvollste Bestände aus ihrer Archiv-Sammlung in großem Umfang an den Fachhandel veräußert. Es handelt sich unter anderem um Probedrucke und bislang unbekannte Erhaltungsvarianten historischer Briefmarkenausgaben aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert, die teilweise erstmals überhaupt im Handel auftauch(t)en. Objekte aus diesen Beständen werden seit einiger Zeit von international im Massengeschäft tätigen Wiederverkäufern zahlreich für Sammler und Anleger angeboten. Trotz des einmaligen und besterhaltenen Raritätenstatus („ungebrauchte Toperhaltung wie hergestellt!“ – „spektakuläre, posthistorische Raritäten mit viel Potential“ – u. dgl.) werden diese Raritäten „direkt aus dem Postarchiv“ ausgesprochen günstig, teilweise zu nur einem Drittel ihres in Katalognotierungen ausgedrückten Marktwertes, angeboten.

Daraus lässt sich schließen, dass der vorherige Einkaufspreis dieser Händler bei der Post AG noch weit günstiger gewesen sein muss.

 

Warum und mit welchem Ziel ein mehrheitlich im Staatsbesitz befindliches Unternehmen Teile seines „Tafelsilbers“ derart günstig „versilbert“, ist hinterfragenswert. „Billige“ kurzfristige Bilanzoptimierung und/oder Maximierung bestimmter Boni von Führungskräften auf Kosten einmaliger, unwiederbringlicher Werte als mögliche Motive auszuschließen sollte auch im Interesse des Finanzministers sein: Als Zuständiger für die ÖBIB in der Regierung wie als Empfänger von Dividenden muss er sogar ein hohes und aktives Interesse an der langfristigen Werthaltigkeit dieses Unternehmens und nicht an kurzfristiger Gewinnmaximierung oder Bilanzverschönerung auf Kosten der Substanz haben.

Denn (vgl. auch http://www.oebib.gv.at/auftrag/oebib-gesetz/) die Vorgabe des ÖBIB-Gesetzes 2015 zum Beteiligungsmanagement lautet (§ 7 Abs 1) wörtlich folgendermaßen: „Im Rahmen des Beteiligungsmanagements hat die ÖBIB unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen an der Sicherung Österreichs als Wirtschafts- und Forschungsstandort sowie an der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen auf eine Werterhaltung und Wertsteigerung der Beteiligungsgesellschaften Bedacht zu nehmen.“


 

Die Erläuterungen zur dem ÖBIB-Gesetz zugrundeliegenden Regierungsvorlage betonen für die Neuregelung wörtlich das „Ziel einer verantwortlichen, auf nachhaltige und langfristige Wertschaffung ausgerichteten Leitung und Kontrolle von Beteiligungen des Bundes“, das Gesetz sei „damit den Interessen aller österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verpflichtet.“

 

Es ist fraglich, wie der umfangreiche unterpreisige Abverkauf von „Briefmarkenschätzen“ aus dem Archiv der ÖBIB-Mehrheitsbeteiligung Österreichische Post AG zur gesetzlich geforderten „Werterhaltung und Wertsteigerung“ dieser Gesellschaft beitragen könnte, insbesondere in langfristiger Perspektive.

 

Es ist weiters nicht auszuschließen, dass durch Versilbern großer Teile der Archivsammlungs-Bestände der Post AG die künftige Errichtung eines hochrangigen Philateliemuseums in Österreich endgültig verunmöglicht wurde. Angesichts dessen, dass solche Museen beispielsweise im kleinen, touristisch nicht eben überlaufenen Vaduz (rund 30.000 BesucherInnen pro Jahr), aber zB auch in Stockholm durchaus Besuchermagneten sind, ist dies nicht nur bedauerlich, sondern auch standortpolitisch kontraproduktiv und dem öffentlichen Interesse entgegenstehend und daher in einem Spannungsverhältnis mit § 7 Abs 1 ÖBIB-Gesetz 2015. Weder das sehr bemühte Postmuseum in Eisenerz noch der "Rest-Gang" im Technischen Museum Wien, der vom ehemaligen k.k. Postmuseum nach dessen Integration in dieses Museum und insbesondere nach dessen Neugestaltung Anfang der 1980er Jahre noch übriggeblieben ist, können diesen spezifischen Teil des heimischen Kulturerbes in einer Breite und Tiefe abdecken, die etwa mit dem Beispiel Vaduz/Liechtenstein vergleichbar wäre.

Die in der ehemaligen Postbus-Werkstätte in Wien-Erdberg, nunmehr Unternehmenszentrale, seit November 2012 untergebrachte sogenannte „Briefmarken-Galerie“ der Post ist kein Ersatz dafür und keine touristisch attraktive Lösung: Sie verfügt nicht einmal über einen direkten öffentlichen Verkehrsanschluss und öffnet nur nach Voranmeldung für größere Gruppen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Trifft es zu, dass die Österreichische Post AG in den letzten Jahren Bestände aus ihrer Archiv-Sammlung veräußert hat?

2)    Wann wurde mit dieser Veräußerung begonnen?

3)    Ist diese Veräußerung abgeschlossen, wenn ja seit wann?

4)    Welcher Anteil der Archiv-Sammlung wurde a) nach dem mengenmäßigen Umfang betrachtet, b) nach dem Wert betrachtet in diesem Zeitraum bisher gemessen an Umfang bzw. Wert vor Beginn dieser Veräußerungen veräußert?

 

5)    Falls die Veräußerung fortgesetzt wird oder werden soll: Welcher weitere Anteil der Archiv-Sammlung soll a) nach dem mengenmäßigen Umfang betrachtet, b) nach dem Wert betrachtet gemessen an Umfang bzw. Wert vor Beginn dieser Veräußerungen veräußert werden?

6)    Wie ist die Veräußerung von – offensichtlich umfangreichen und sehr wertvollen - Beständen aus der Archiv-Sammlung der Post AG im Einzelnen mit dem Auftrag zum Beteiligungsmanagement aus § 7 Abs 1 ÖBIB-Gesetz 2015 (bzw. mit dem Vorgängerauftrag im ÖIAG-Gesetz) in Deckung zu bringen, der insbesondere die Erhaltung und die Steigerung des Werts der Beteiligungen des Bundes sowie die auf nachhaltige und langfristige Wertschaffung ausgerichtete Leitung und Kontrolle von Beteiligungen des Bundes vorgibt?

7)    Wie ist insbesondere die offenbar sehr weit unter Marktwert erfolgte Veräußerung von – offensichtlich umfangreichen und sehr wertvollen - Beständen aus der Archiv-Sammlung der Post AG im Einzelnen mit dem in Frage 6 wiedergegebenen Auftrag zum Beteiligungsmanagement aus § 7 Abs 1 ÖBIB-Gesetz 2015 (bzw. mit dem Vorgängerauftrag im ÖIAG-Gesetz) in Deckung zu bringen?

8)    Welche Einnahmen wurden durch die Veräußerung von Beständen aus der Archiv-Sammlung in den Jahren seit Beginn der angesprochenen „Veräußerungswelle“ jeweils erzielt?

9)    Wurden im Zusammenhang mit dieser Veräußerung und diesen Einnahmen direkt oder indirekt zusätzliche Bonuszahlungen für ManagerInnen a) der Post AG, b) der ÖIAG, c) der ÖBIB mobilisiert?

10) Ist es vom ÖBIB-Gesetz bzw seinem Vorgänger ÖIAG-Gesetz gedeckt, langfristige Werterhaltungs- und Steigerungsziele kurzfristigen Zielen (zB Bilanzoptimierung und/oder Bonuszahlungs-Steigerung) nachzureihen? Wenn ja, auf Basis welcher konkreten Grundlage?

11) Wie erklären Sie angesichts der möglichen Missachtung von Vorgaben hinsichtlich Werterhaltung und Wertschaffung bei Bundes-Beteiligungen aus dem ÖBIB-Gesetz bzw. zuvor dem ÖIAG-Gesetz, für deren Vollzug Sie als Eigentümervertreter des Bundes zuständig waren bzw. sind, Ihre auf Unzuständigkeit plädierende Nichtbeantwortung der Parl. Anfrage 2316/J XXV.GP?

12) Wieviele BesucherInnen konnten seit Einrichtung der sog. „Briefmarken-Galerie“ der Post AG in Wien-Erdberg a) insgesamt und b) jeweils in den Jahren 2012, 2013, 2014, 2015 und 2016 (bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung) diese Galerie besuchen?

13) An wievielen Tagen des Jahres a) 2012, b) 2013, c) 2014, d) 2015, e) 2016 (bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung) gab es jeweils in der sog. „Briefmarken-Galerie“ der Post AG in Wien-Erdberg überhaupt hausexterne BesucherInnen?

14) Ein hochrangiges Philateliemuseum in touristischer Frequenzlage könnte – siehe Vaduz, aber auch zB Stockholm – positiv zum Wirtschaftsstandort und zur Arbeitsplatzentwicklung und damit wohl unstrittig zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben für das Beteiligungsmanagement der ÖBIB beitragen. Warum wird mit der Veräußerung von – offensichtlich umfangreichen und sehr wertvollen - Beständen aus der Archiv-Sammlung der Post AG ein solches Projekt erschwert, und zwar nach derzeitigem Informationsstand der Öffentlichkeit ohne jedes Eingreifen sowohl des Finanzministers als auch der ÖBIB?