10134/J XXV. GP

Eingelangt am 07.09.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Abzug von ZugbegleiterInnen von der ÖBB-Baureihe 4020 zulasten der Sicherheit der Fahrgäste

 

Mit alten Schnellbahn-Garnituren (ÖBB-Baureihe 4020) betriebene Züge ohne ZugbegleiterInnen entsprachen schon länger nicht mehr den Anforderungen eines sicheren Betriebes.

Nach einer Aufforderung durch das BMVIT musste die ÖBB PV AG die Züge mit neuen Türgriffen, Warneinrichtungen und Türfühlern ausstatten.

 

Von der ÖBB PV AG wurden zur Überbrückung der Umrüstphase zusätzliche ZugbegleiterInnen für die 4020-Garnituren bereitgestellt. Diese zusätzlichen ZugbegleiterInnen sind nun gekündigt worden. Offensichtlich geht man davon aus, dass die 4020-Garnituren nach erfolgtem Umbau auch ohne ZugbegleiterInnen einsetzbar sind.

 

Die „sicherheitsrelevanten Aufgaben im Zugbegleitdienst“ sind bei der ÖBB PV AG für das gesamte Netz der ÖBB Infrastruktur AG zusätzlich definiert und wurden, zumindest in ihrer Ursprungsform, dem BVMIT zur Prüfung vorgelegt.

 

Das Besetzen der Personenzüge ist im Eisenbahngesetz und in der Eisenbahnbau- und -betriebsverordnung (EisbBBV) geregelt. Es kann auf ZugbegleiterInnen verzichtet werden, wenn deren betriebliche Aufgaben durch andere geeignete Personen wahrgenommen werden und wenn technische Minimalvoraussetzungen eingehalten werden.

Die gesetzlichen technischen Minimalanforderungen werden durch den erfolgten Umbau erreicht. Es ist aber unklar, ob infolge dieses technischen Minimalumbaus alle betrieblichen Aufgaben der ZugbegleiterInnen entfallen bzw. von anderen Personen übernommen werden können.


 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Laut Auskunft des BMVIT (vgl. die Parl. Anfragebeantwortung 2791/AB XXV.GP) „ist ein zugbegleiterloser Betrieb nach § 115 Abs. 2 EisbBBV insbesondere nur dann zulässig, sofern die einem Zugbegleiter zukommenden betrieblichen Aufgaben (zB die Beobachtung, ob der Fahrgastwechsel abgeschlossen ist) von einem anderen geeigneten Betriebsbediensteten oder von technischen Einrichtungen übernommen werden!“. Werden die betrieblichen Aufgaben

a) Sicheres Abfertigen der Züge inkl. der Abgabe von Signalen,

b) Beobachtung, ob der Fahrgastwechsel abgeschlossen ist mit dem damit verbundenen Überblicken des Bahnsteigs mit der Feststellung „keine Personen im lichten Raum (gelbe Markierung)“,

c) Feststellen der Überfüllung der Züge,

d) Sicherstellen von freien Fluchtwegen,

e) Laufende und stetige Überprüfung der Sicherheitstechnik (Feuerlöscher, Nothämmer) und Mängelfeststellung (von mangelhaften Haltegriffen bis hin zu defekten Türen, defekte seitenselektive Türsteuerung) während der Fahrt,

f) Leitung bei außergewöhnlichen Ereignissen wie: sichere Räumung und Evakuierung (Sichern der Fahrgäste vor weiteren Zügen, Sichern von Gleisen, Hilfeleistung beim Verlassen), Ortskenntnis der Rettungswege, Verhalten bei Oberleitungsgebrechen und Bränden und das unmittelbar nach dem Eintritt des Ereignisses

durch andere Personen als Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter an Bord übernommen?

 

2)    Das Überblicken des gesamten Bahnsteigs und das Feststellen, ob sich Reisende im Gefahrenbereich befinden, durch andere Personen als ZugbegleiterInnen – insbesondere TriebfahrzeugführerInnen - ist oft nicht möglich (gekrümmter Bahnsteig, Witterung). Eine Beobachtung, ob der Fahrgastwechsel abgeschlossen ist, wird so verhindert. Die Schulung von TriebfahrzeugführerInnen für besondere Anforderungen beim zugbegleiterlosen Betrieb ist daher nicht geeignet, die betrieblichen Aufgaben zu übertragen.

Ist der sichere Zugverkehr auch ohne vollständige Überblickbarkeit der Bahnsteige gewährleistet? Wenn ja, warum?

 

3)    Warum konnten die ÖBB-Bestimmungen über „Sicherheitsrelevante Aufgaben im Zugbegleitdienst“ (CL 751.301-01) dahingehend angepasst werden, dass die Regelung „keine Reisenden in den Türräumen und im lichten Raum (gelbe Markierung)“ ersatzlos gestrichen wurde (CL 751.301-03)?

 

4)    Ist die Sicherheit der Reisenden auch bei einer „Zwangsschließung“ der Türen durch TriebfahrzeugführerInnen auch bei nicht vorhandener Überblickbarkeit der Bahnsteige sichergestellt?

 

5)    Ist bei den technischen Minimalanforderungen (§ 115 EisbBBV) eine Novellierung geplant?

6)    Sind der sichere Zugverkehr, die Sicherheit der Reisenden und die unmittelbare Hilfe auch ohne Personal im Zug (insbesondere: ohne ZugbegleiterInnen) bei schwerwiegenden außergewöhnlichen Ereignissen (Entgleisungen, Eisenbahnkreuzungsunfälle, Brände, Oberleitungsgebrechen, Stillstand des Zuges im Tunnel usw.) gewährleistet?

 

7)    Teilen Sie die Einschätzung, dass a) TriebfahrzeugführerInnen nicht in der Lage sind, diese Aufgaben zu übernehmen, da sie mit anderen Tätigkeiten (u.a. Sichern des Fahrzeugs, Kommunikation mit der Betriebsstelle usw.) ausgelastet sind und dass daher b) die Schulung von Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführern für besondere Anforderungen beim zugbegleiterlosen Betrieb nicht geeignet ist, die betrieblichen Aufgaben auf sie zu übertragen?

 

8)    Wie lange dürfen Reisende maximal auf Hilfe warten? Gibt es dafür klare Regelungen, die über betriebsinterne Bestimmungen hinausgehen?

 

9)    Hat eine praktische Evaluierung hinsichtlich der „Feststellung der Überfüllung“ von Zügen durch TriebfahrzeugführerInnen stattgefunden? Wenn ja, wann und durch wen? Wenn nein warum nicht?

 

10) Hat eine praktische Evaluierung hinsichtlich der „Evakuierung“ von Zügen durch TriebfahrzeugführerInnen stattgefunden? Wenn ja, wann und durch wen? Wenn nein warum nicht?

 

11) ZugbegleiterInnen sind für den Komfort der Reisenden wichtig, so steigern sie nachweislich die Attraktivität des umweltfreundlichen Verkehrsmittels und verbessern selbst bei älteren Garnituren die Barrierefreiheit. ZugbegleiterInnen sind weiters für die Sicherheit der Reisenden und die öffentliche Sicherheit unerlässlich. Die Republik Österreich bestellt Leistungen bei Eisenbahnverkehrsunternehmen. Diese erfolgen zugscharf, es ist daher bekannt, welche Leistungen mit welchen Fahrzeugen angeboten (und bestellt) werden. Warum umfassen die Leistungsbestellungen des Bundes nicht im Interesse der Sicherheit und des Komforts der Fahrgäste stets ZugbegleiterInnen?

 

12) Wie hoch wird der Verdienstausfall per Geschäftsjahr infolge fehlender ZugbegleiterInnen und daher lückenhafter Fahrkartenkontrolle bei der ÖBB-PV-AG veranschlagt?

 

13) Wie hoch werden die Kosten durch Vandalismus in den Fahrzeugen per Geschäftsjahr infolge fehlender ZugbegleiterInnen bei der ÖBB-PV-AG veranschlagt?