10207/J XXV. GP

Eingelangt am 14.09.2016
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ANFRAGE

                              

des Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Inneres

betreffend inakzeptable Duldung einer unangemeldeten Demonstration für den türkischen Präsidenten Erdoğan durch die Exekutive

 

In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2016, also noch während des laufenden Versuchs des türkischen Militärs, Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine islamistische Regierung durch einen Putsch zu stürzen, kam es in Wien zu einer spontanen Zusammenrottung von etwa 4.000 türkischstämmigen Demonstranten, die dem Aufruf Erdogans Folge leisteten und auf die Straße gingen.

 

Durch diese lautstarke und von wütenden Protesten begleitete Kundgebung wurde der einheimischen Bevölkerung auf nahezu gespenstische Weise dreierlei vor Augen geführt:

1.        wie schlecht es um die viel beschworene Integration steht,

2.        wie weit der Einfluss des türkischen Präsidenten und seiner AKP reicht, und

3.        wo die wahren Loyalitäten vieler in Österreich lebenden Türken liegen – als etwa ein Türke auf dem Wiener Heldenplatz mit der türkischen Staatsflagge bekleidet die Kampfparole „Sag es und wir töten, sag es und wir sterben!“ brüllte.

 

Alles in allem eine völlig inakzeptable Situation, an der auch der späte Kalmierungsversuch der Türkischen Kulturgemeinde in Österreich (TKG) nichts ändert, die in einer Aussendung alle Demonstranten aufforderte, auf den österreichischen Straßen keine türkischen Fahnen zu tragen, wie es im Umfeld des Putschversuches und auch vorher schon geschehen sei. „Man kann nicht als Österreicher mit türkischen Wurzeln oder als türkischer Staatsbürger Demos organisieren, die Unmut, Angst, Furcht und Antipathie erzeugen. Das muss im Gegenzug zu Hass und Ablehnung führen“, hieß es in der TKG-Aussendung. Das sei „ein Schuss ins eigene Knie“ und schade dem Ansehen der Türken und der Türkei in Österreich.

 

Während sogar die TKG zur Einsicht kam, dass „die Politik eines anderen Landes oder irgendeiner ausländischen Partei ... nicht auf die österreichischen Straßen exportiert werden [soll]“ und sogar Außenminister Sebastian Kurz „von Menschen, die bei uns leben“ erwartet, „dass sie ihrem neuen Heimatland gegenüber loyal sind“, schien die heimische Exekutive diesen hehren Grundsatz völlig zu ignorieren. Offensichtlich unter dem Vorwand einer Deeskalationsstrategie sah die Polizei tatenlos der unangemeldeten (!) Sympathiekundgebung für einen Mann zu, der in seinem Heimatland die Meinungs- und Pressefreiheit mit Füßen tritt, der Islamisierung Europas das Wort redet, die Gleichberechtigung der Frau ablehnt und die Türken in Wien als „die Enkel Kara Mustafa Paschas“ bezeichnet, also jenes Feldherrn, der im Jahre 1683 vor den Toren Wiens von einem christlichen Entsatzheer gerade noch abgewehrt werden konnte.

 

„Was ist davon zu halten“, fragt sich auch Gudula Walterskirchen in ihrer Kolumne in der „Presse“ vom 25.06.2016, Seite 19, „wenn ein Mob, bestehend aus Linksradikalen und Erdogan-Fans, ungehindert stundenlang eine Spur des Hasses durch Wien ziehen kann?“ Zumal die Polizei auch nicht einschritt, als mit roher Gewalt auf die Einrichtung einer kurdischen Restaurantkette eingedroschen und eingetreten wurde.

 

Abgesehen davon, dass vor diesem Hintergrund die Verhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei über einen EU-Beitritt geradezu zynisch erscheinen, war die „weiche“ Vorgansweise der Polizei fehl am Platz. Sie schuf vielmehr ein Präjudiz und stärkte jene Kräfte, welche die politischen Konflikte ihrer Heimat auf ihr friedliches Gastland übertragen wollen und für westlich-demokratische Werte und den freiheitlichen Rechtsstaat anscheinend nur Hohn und Verachtung empfinden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Inneres folgende

 

Anfrage

 

1.        Teilen Sie die Meinung Ihres Regierungs- und Parteikollegen, Außenminister Sebastian Kurz, dass von Menschen, die bei uns leben, Loyalität gegenüber ihrem neuen Heimatland erwartet werden kann?

2.        Wenn ja, wie beurteilen Sie die Praxis türkischstämmiger Gruppen, die Konflikte ihres Heimatlandes auf Österreichs Straßen auszutragen?

3.        Werden Sie Maßnahmen gegen diese Praxis setzen, und wenn ja, wann und welche?

4.        Warum hat die Polizei die in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2016 in Wien stattgefundene, nicht angemeldete (!) und daher illegale Demonstration türkischstämmiger Anhänger von Präsident Erdogan nicht unverzüglich aufgelöst?

5.    Wer war innerhalb der Sicherheitsbehörde dafür verantwortlich, dass die Demo nicht untersagt wurde?

6.    Hatte die zuständige und verantwortliche Person der Behörde das Pouvoir eine solche Entscheidung zu treffen?

7.    Was war der Grund dafür, dass die Demonstration in der Nacht nicht aufgelöst wurde?

8.        Wie viele Exekutivorgane waren mit der Kontrolle, Eingrenzung und Abwehr besagter Demonstration beschäftigt?

9.        Wie viel hat der Großeinsatz von Polizeikräften gekostet?

10. War die Demonstration am Nachmittag des 16.7. angemeldet?

11. Wenn ja, wer war(en) der oder die Anmelder?

12. Was war der angegebene Demonstrations-/Versammlungsgrund?

13. Warum wurde die Demo nicht untersagt?

14. Warum wurde die Demo nach dem Skandieren von Aufrufen wie: „Sag es und wir töten, sag es und wir sterben“ oder „Uns gehört die Straße“ sowie „Allahu Akbar“ nicht aufgelöst?

15.     Warum sah die Exekutive tatenlos zu, als auf die Einrichtung einer kurdischen Restaurantkette eingedroschen und eingetreten wurde?

16.     Kam es zu weiteren gewalttätigen Übergriffen, und wenn ja, wurden diese von der Exekutive abgewehrt bzw. geahndet? Wenn nein, warum nicht?

17. Kam es im Zuge der unangemeldeten Demonstration zu Verletzungen von Polizistinnen und Polizisten, und wenn ja, in welchem Ausmaß?

18. Wie hoch ist das Gesamtausmaß der von den gewalttätigen Demonstranten verursachten Sachschäden?

19. Wurden die Täter gestellt und festgenommen oder zumindest angezeigt? Wenn nein, warum nicht?

20. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den gewalttätig verlaufenen Massen-Sympathiekundgebungen für Präsident Erdogan?

21. Gedenken Sie auch in Hinkunft, solche unangemeldeten Demonstrationen unter dem Deckmantel einer fragwürdigen Deeskalationsstrategie zuzulassen?

22. Werden Sie Vorkehrungen treffen, um spontane Kundgebungen mit Gewaltpotenzial schon im Vorfeld zu verhindern? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?