10273/J XXV. GP

Eingelangt am 16.09.2016
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ANFRAGE

der Abgeordneten Mühlberghuber

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.

betreffend: Scheinselbstständigkeit

 

In Salzburg sorgte zuletzt der Schlafsystem-Anbieter Wenatex für Schlagzeilen. So war die Gebietskrankenkasse der Ansicht, viele der mehr als 100 Handelsvertreter seien Scheinselbstständige und müssten eigentlich als angestellte Dienstnehmer beschäftigt werden. Laut „Salzburger Nachrichten“ fordert die Gebietskrankenkasse 12,9 Millionen Euro an Sozialversicherungsbeiträgen und 4,1 Millionen Euro an Kommunalsteuer.

 

http://derstandard.at/2000043092889/Scheinselbststaendigkeit-soll-durch-Vorabpruefung-verhindert-werden

 

Fälle in dieser Größenordnung sind in Österreich zwar selten, die Anzahl der Scheinselbstständigkeiten steigt allerdings, vor allem durch die schwierige, einzelfallbezogene Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängigen Beschäftigungsverhältnissen und durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

 

Während in den letzten Jahren die Zahl der unselbstständig Beschäftigten in Österreich stagnierte, boomen Ein-Personen-Unternehmen und Neue Selbstständige. So gab es laut Wirtschaftskammer im Jahr 2015 290.061 Ein-Personen-Unternehmen in Österreich, was einem Anstieg von 4,2 Prozent im Vergleich zum Jahr 2014 entspricht. Dazu kommen noch geschätzte 60.000 neue Selbstständige ohne Gewerbeschein, die als Freiberufler ebenfalls auf Werkvertragsbasis arbeiten.

 

Viele Unternehmer wählen den Weg in die Selbstständigkeit ganz bewusst. Flexible Zeiteinteilung, Selbstverwirklichung oder die Umsetzung einer speziellen Produktidee werden dabei als Hauptmotive genannt. Bekämpft werden muss allerdings der Sozialmissbrauch, der besonders dort anfällig ist, wo Selbstständige nur einen Auftraggeber haben.

 

So sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen selbstständige Tätigkeiten für Unternehmen verrichten, die aufgrund gewisser Kriterien (wie persönlicher Abhängigkeit, Weisungsgebundenheit oder fremder Betriebsmittel) eigentlich unter die Regelungen des Dienstvertrages fallen. Der Auftraggeber erspart sich Sozialversicherungsabgaben, steuerliche Abgaben und die arbeitsrechtliche Absicherung des Dienstnehmers, indem er mit diesem einen Werkvertrag und nicht – wie es die tatsächlichen Verhältnisse erfordern - einen normalen Dienstvertrag abschließt.

 

Gewerbe wie „Regalbetreuung im Supermarkt und Lagern“ oder „Verschließen von Bauwerksfugen mittels Kunststoffmassen“ lassen schon aufgrund der Bezeichnung Zweifel aufkommen, ob es sich hier tatsächlich um eine selbstständige Tätigkeit oder um eine Umgehungskonstruktion handelt. Auch die Gewerkschaften deuten auf ständig steigenden Missbrauch hin und zitieren Fälle, in denen Arbeitnehmer nach jahrzehntelanger Anstellung plötzlich vor die Wahl gestellt werden, entweder auf Basis eines freien Dienstvertrags oder eines Werkvertrags weiter beschäftigt oder gekündigt zu werden.

 

Ein ähnlicher sozialer Druck widerfährt jungen Menschen, die nach erfolgreicher Ausbildung verzweifelt einen Job oder ein Praktikum suchen. In der Hoffnung, später einen fixen Arbeitsplatz in der Firma zu haben, arbeiten sie 40 Stunden lang auf Werkvertragsbasis in einem Unternehmen, obwohl rechtlich eigentlich ein normales Dienstverhältnis vorliegt.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz folgende

 

Anfrage

 

1.         Wie viele Fälle von Scheinselbstständigkeit wurden in den Jahren 2014 bis 2016 seitens der Krankenkassen festgestellt? (Aufgliederung nach den einzelnen Krankenkassen)

 

2.         Wie alt waren jene Personen, die aufgrund der Überprüfung der Krankenkassen als scheinselbstständig eingestuft wurden? (Aufgliederung nach Alterskategorien)

 

3.         In welchen Gewerben waren jene Personen tätig, die als scheinselbstständig eingestuft wurden? (Aufgliederung nach den einzelnen Gewerben)

 

4.         Wie viele Unternehmen bzw. Auftraggeber wurden in den Jahren 2014 bis 2016 aufgrund von Scheinselbstständigkeit zur Nachzahlung aufgefordert? (Aufgliederung nach den einzelnen Krankenkassen)

 

5.         Wie hoch waren die Sozialversicherungsbeiträge, die dabei eingefordert wurden? (Aufgliederung nach den einzelnen Krankenkassen) ?

 

6.         Werden bei Nachzahlungen von SV-Beiträgen auch Säumniszuschläge eingefordert?

 

7.         Wenn ja, wie hoch sind diese, bzw. was ist deren gesetzliche Grundlage?

 

8.         Werden bei Nachzahlungen von SV-Beiträgen auch Strafgelder eingefordert?

 

9.         Wenn ja, wie hoch sind diese, bzw. was ist deren gesetzliche Grundlage?

 

10.      Wie hoch sind die Zinssätze, die bei der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verrechnet werden?

 

11.      Wie ist der Verfahrensablauf bei der Überprüfung der Arbeitsverhältnisse bzw. nach welchen Gesetzen bzw. Verordnungen richtet sich dieser ?

 

12.      Welche rechtliche Maßnahmen werden Sie in Zukunft treffen, damit eine klarere Abgrenzung zwischen Selbstständigen und Nicht-Selbstständigen gegeben ist und damit die Rechtssicherheit erhöht wird?

 

13.      Wird es Änderungen im Verfahrensablauf geben (wie beispielsweise eine sofortige Überprüfung des Selbstständigen-Status bei Anmeldung)?