10435/J XXV. GP

Eingelangt am 05.10.2016
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ANFRAGE

des Abgeordneten Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter 

an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

betreffend Reform des Verbrechensopfergesetz

In der Vollzugspraxis erweist sich das aus dem Jahre 1972 stammende Verbrechensopfergesetz zunehmend als ineffizient.  Zuletzt machte in Fall in Tirol, wo ein Asylwerber eine Frau brutal vergewaltigt hat, diese aber laut Medienberichten  keine entsprechende Unterstützung aus dem Verbrechensopfergesetz erhalten hat:

 

Innsbruck — Jede Vergewaltigung ist für das Opfer schrecklich und wirkt meist ein Leben lang traumatisierend. Am 22. Februar ereignete sich auf einer Wiese bei den Innsbrucker Sillhöfen jedoch eine besonders brutale Vergewaltigung. Das Martyrium dauerte für eine zierliche 52-jährige Innsbruckerin über eine Stunde. Am Landesgericht wurde heute der 18-jährige Afghane wegen Vergewaltigung und versuchten Raubes zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Um den Übergriff für sich weiter aufzuarbeiten, schildert das Verbrechensopfer das bei und nach der Tat Erlebte. Anderen potenziellen Opfern möchte sie dadurch die Augen öffnen und auch mehr Zivilcourage einfordern.

Der zweifachen Mutter geht es wie vielen Opfern: „Ich hatte mir nie gedacht, dass mir so etwas Entsetzliches passieren könnte. Ich hatte nie Vorurteile gegen Menschen und eine wirklich positive Einstellung zum Leben."

Doch der gefühlte Todeskampf mit ihrem mutmaßlichen Vergewaltiger veränderte das Leben der Frau schlagartig: „Ich wehrte mich und kämpfte da draußen im Dunkeln um mein Leben. Seither ist die Angst mein ständiger Begleiter. Das Leid, das dieser Mensch, der doch eigentlich Asyl in unserem Land sucht, mir und meiner Familie angetan hat, ist nicht in Worte zu fassen — er hat mir das Leben genommen!", äußert die noch immer schwer Traumatisierte ein halbes Jahr nach dem Vorfall. Nicht nur in psychischer Hinsicht, sondern auch in existenzieller Hinsicht steht die Frau noch vor großen Herausforderungen. So leidet sie seither unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, die mit Panikattacken und Angstzuständen einhergeht. An ihre frühere Arbeit, die auch mit Nachtdiensten verbunden war, ist da gar nicht mehr zu denken.

Mit einem Krankenstandsgeld von 900 Euro heißt es seither über die Runden kommen. Der Betrag soll dabei 265 Euro Miete, den Strom, den Erhalt zweier Kinder (16, 18) und das eigene Leben finanzieren. Eine Mindest­sicherung war abgelehnt worden, da sich der Sohn im ersten Lehrjahr befindet. Bitter in so einer finanziellen Situation, dass die 52-Jährige sogar die Kosten ihrer Traumatherapie mit 87 Euro pro Stunde erst selbst vorfinanzieren muss.

Bitter auch, dass es offenbar für Teile des Umfelds der Frau schwierig ist, mit ihrem Schicksal umzugehen: „Manche haben sich nie mehr gemeldet. Von manchen habe ich sogar Vorhaltungen gehört. Menschen sollten nicht über eine Situation urteilen, in der sie selbst nicht waren!"

Auch an die Zivilcourage der Mitbürger appelliert die Frau: „Als es passierte, gingen im Haus Lichter an. Wenn da einer auf die Schreie genauer hingehört hätte, hätte man wohl etwas wahrnehmen müssen."

Bedanken will sich die Gepeinigte hingegen beim Verein „Frauen gegen Vergewaltigung". Ihr Rechtsvertreter RA Markus Abwerzger wird heute für seine Mandantin ein Teilschmerzensgeld von 20.000 Euro einfordern. „Nur schade, dass der Zuspruch gegenüber dem mittellosen Angeklagten das Papier nicht wert ist, auf dem er steht. Für Opfer in so einer Situation bedürfte es einer Novelle des Verbrechensopfergesetzes, um aus anderen Mitteln zu einer Entschädigung zu kommen."

Auf der Grundlage dieses Falles ergeben sich folgende Kritikpunkte am Gesetz:

 

Bundesgesetz vom 9. Juli 1972 über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen (Verbrechensopfergesetz - VOG)

Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten

§ 4a. Die Kosten einer Krisenintervention (klinisch-psychologische und gesundheitspsychologische Behandlung durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen und Behandlung durch Psychotherapeuten) in Notfällen, die Opfer oder Hinterbliebene infolge einer Handlung nach § 1 Abs. 1 zu tragen haben, sind pro Sitzung bis zur Höhe des vierfachen Betrages des Kostenzuschusses nach § 4 Abs. 5 des örtlich zuständigen Trägers der Krankenversicherung zu übernehmen. Eine Kostenübernahme gebührt für höchstens zehn Sitzungen.

Die Kostenübernahme darf nicht nur auf zehn Sitzungen beschränkt werden, sondern muss unbegrenzt, bis zum Behandlungserfolg gewährt werden.

Pauschalentschädigung für Schmerzengeld

§ 6a. (1) Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert.

(2) Zieht die Handlung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) nach sich, gebührt eine einmalige Geldleistung im Betrag von 8 000 Euro; sie beträgt 12 000 Euro, sofern wegen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen ein Pflegebedarf im Ausmaß von zumindest der Stufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, besteht.

Diese Beträge sind nicht mehr zeitgemäß. Besonders im Abs. 2 sollte nicht mehr das BPGG als Maßstab herangezogen werden.

Ersatz der Bestattungskosten

§ 7. Hatte eine Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 den Tod eines Menschen zur Folge, dann sind die Kosten der Bestattung demjenigen, der sie bestritten hat, bis zur Höhe des Betrages von 3 300 Euro zu ersetzen. Dieser Betrag ist ab 1. Jänner 2014 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden Jahres mit dem für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Der vervielfachte Betrag ist auf einen Betrag von vollen 10 Cent zu runden; hiebei ist ein Betrag unter 5 Cent zu vernachlässigen und ein Betrag von 5 Cent an auf 10 Cent zu ergänzen. Auf diesen Betrag sind einmalige Leistungen, die aus Anlass des Todes aus Mitteln der Sozialversicherung oder sonstigen öffentlichen Mitteln gewährt werden, anzurechnen.

Ebenso ist der Betrag nicht zeitgemäß. Eine Bestattung kostet viel mehr, wenn man gerade auch an die Erhaltung eines Grabes und die Errichtung eines Grabsteines oder Grabkreuzes denkt.

Vorläufige Verfügungen

§ 7a. (1) Im Falle eines nachgewiesenen dringenden Bedarfes kann das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Antragstellern noch vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens Vorschüsse auf die nach diesem Bundesgesetz zu gewährenden Geldleistungen gewähren, wenn wahrscheinlich ist, dass der angemeldete Anspruch begründet ist. Unter gleichen Voraussetzungen können Opfer, die nicht als Versicherte einem Träger der Krankenversicherung angehören, der Gebietskrankenkasse ihres Wohnsitzes zur Durchführung der Heilfürsorge vorläufig zugewiesen werden.

(2) Die nach Abs. 1 gewährten Vorschüsse sind im Falle der Anerkennung des Anspruches auf die gebührenden Leistungen anzurechnen.

Hier braucht es eine Muss-Bestimmung im Abs 1 erster Satz.

 

 

 

 

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz folgende 

 

Anfrage 

 

1.    Welche Erfahrungen hat das BMASK beim Vollzug des Verbrechensopfergesetzes im Hinblick auf die Anwendbarkeit und Effizienz für die Opfer?

2.    Wie viele Personen erhielten seit 2010 eine Unterstützung aus dem Verbrechensopfergesetz?

3.    Wie viele waren davon Österreicher, EU-Bürger und Drittstaatsangehörige?

4.    Werden Sie sich als Sozialminister für eine entsprechende Novellierung des Verbrechensopfergesetzes einsetzen?

5.    Wenn nein, warum nicht?