10594/J XXV. GP

Eingelangt am 13.10.2016
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Ing. Christian Höbart

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Abzocke am Zielpunkt-Parkplatz: Lenker werden mit Klage bedroht!

 

Am 2. Juli 2016 berichtete der Kurier unter dem Titel „Abzocke am Zielpunkt-Parkplatz: Lenker werden mit Klage bedroht“ über Vorfälle rund um einen Unternehmer, der leere Stellflächen anmietet und von „Falschparkern“ jeweils 200 Euro kassiert (https://kurier.at/chronik/niederoesterreich/abzocke-am-zielpunkt-parkplatz-lenker-werden-mit-klage-bedroht/207.410.598). „"Das ist eine gesetzlich gedeckte Abzocke" – Gerald S. aus Perchtoldsdorf ist wütend: Mitte Juni nahm ein abendlicher Heurigenbesuch im Ort ein unangenehmes Ende. S. parkte wie schon "hundert Mal davor" auf dem Parkplatz einer dauerhaft geschlossenen Zielpunkt-Filiale in der Brunner Gasse. Bei der Supermarktkette habe man nie etwas gegen abendliche Parker gehabt, erklärt S. Nur diesmal fanden er und Dutzende weitere Lenker Schreiben hinter dem Scheibenwischer: Sie hätten widerrechtlich auf einem Privatgrund geparkt, schrieb ein Unternehmer (sein Name ist der Redaktion bekannt) aus dem Raum Mödling, der den Parkplatz Mitte Mai angemietet hat. Er sei bereit, "die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen, wenn die dadurch entstandene Aufwandsentschädigung in der Höhe von 200 Euro" überwiesen werde. Ansonsten werde eine Besitzstörungsklage eingereicht. Gerald S. ist nicht der einzige Betroffene: Bis zu 70 Lenker haben sich schon beim ÖAMTC gemeldet, weitere haben Anzeige bei der Polizei erstattet. "Der Herr betreibt mehrere Parkflächen, bei denen sehr schlecht erkennbar ist, dass es Privatparkplätze sind", erklärt ÖAMTC-Jurist Nikolaus Authried. Dabei soll es sich auch um noch nicht verwertete Zielpunkt-Parkplätze in Guntramsdorf (Hauptstraße 22), in Wien-Favoriten (Holzknechtstraße 70), in Wien-Liesing (Breitenfurter Straße 462) sowie in Seiersberg bei Graz handeln. Das laut Juristen äußerst hinterfragenswerte Geschäftsmodell ist simpel: Der Unternehmer mietet die Stellflächen, doch zumindest in Perchtoldsdorf fehlen Hinweisschilder, dass es sich um einen Privatparkplatz handelt oder Infos zum neuen Mieter. Wer dort im Glauben parkt, niemanden zu stören, wird gestraft. Dabei soll sogar der Parkplatz-Mieter selbst auf der Lauer liegen, erzählen Betroffene. Er beruft sich darauf, dass den Lenkern klar sein müsse, dass die Stellflächen privat seien.

 

Der ORF Niederösterreich führte am 15. September 2016 zu demselben Thema aus (http://noe.orf.at/news/stories/2796689/): „Nach den Besitzstörungsklagen gegen Autofahrer, die auf ehemaligen Zielpunkt-Parkplätzen geparkt hatten, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Zwei Männer, die die Klagen angedroht hatten, stehen unter Betrugsverdacht. Konkret ermittelt die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gegen zwei Beschuldigte wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie vorgetäuscht hätten, Besitzstörungsklagen im Namen der Firma Zielpunkt eingebracht zu haben. Welche Parkplätze ehemaliger Zielpunkt-Filialen betroffen sind, wurde nicht bekannt gegeben. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft soll es mehrere Geschädigte geben, die Ermittlungen sind aber noch nicht abgeschlossen. Derzeit würden Geschädigte von der Polizei befragt, so die Staatsanwaltschaft. Zahlreichen Autofahrern aus Niederösterreich und Wien waren zuletzt Besitzstörungsklagen angedroht worden, weil sie ihr Fahrzeug auf Parkplätzen ehemaliger Zielpunkt-Filialen abgestellt hatten. Um einer solchen Klage zu entgehen, wurde von den Pkw-Besitzern ein Aufwandersatz verlangt. Ein betroffener Lenker aus dem südlichen Niederösterreich erstattete Anzeige bei der Polizei, die den aktuellen Betrugsverdacht hervorbrachte. Auch in der Steiermark sind mehr als 150 Fälle bekannt, in denen Lenker aufgefordert wurden, 200 Euro zu zahlen, um damit eine Besitzstörungsklage abzuwenden.“

 

Laut Hochrechnung eines Grazer Anwalts, der einen beklagten Autofahrer vor Gericht vertrat, dürfte „der vermeintliche Besitzer dieser Liegenschaften pro Tag zwischen 5.000 und 10.000 Euro einnehmen“, so der ORF Steiermark am 14. September 2016 (http://steiermark.orf.at/news/stories/2796627/).

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

 

Anfrage

1.    Wie viele (Ober-)Staatsanwaltschaften führen derzeit die Ermittlungen?

2.    In welchem konkreten Stand befinden sich die Ermittlungsverfahren?

3.    Koordinieren sich die (Ober-)Staatsanwaltschaften bei Ermittlungen, die sich über mehrere OLG-Sprengel erstrecken?

4.    Wenn ja: Auf welche Weise?

5.    Gegen wie viele Beschuldigte wird derzeit ermittelt?

6.    Wegen der Begehung welcher Delikte wird hauptsächlich ermittelt?

7.    In welchen Bundesländern wurden die Beschuldigten mit Ihrem „Geschäftsmodell“ tätig?

8.    Hat die Staatsanwaltschaft die Verhängung der Untersuchungshaft über die Beschuldigten beantragt?

9.    Wenn ja: Warum wurde sie nicht verhängt?

10. Wenn nein: Warum nicht?

11. Wenn nein: Betreiben die Beschuldigten derzeit weiterhin ihr „Geschäftsmodell“?

12. Wie viele Opfer konnten ausgeforscht werden?

13. Auf welche Summe beläuft sich der bekannt gewordene Gesamtschaden?

14. Hinsichtlich wie vieler Beschuldigter hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt?

15. Hinsichtlich wie vieler Beschuldigter ist die Staatsanwaltschaft nach dem 11. Hauptstück der StPO (Diversion) vorgegangen?

16. Hinsichtlich wie vieler Beschuldigter hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben?

17. Wie viele der Verfahren wurden diversionell erledigt?

18. Wie viele der Angeklagten wurden verurteilt?

19. Wie viele der Angeklagten wurden freigesprochen?

20. Planen Sie eine Reform der Besitzstörungsklage, um ein derartiges oder vergleichbares „Geschäftsmodell“ künftig zu verhindern?

21. Wenn ja: Wann wird der entsprechende Gesetzesentwurf vorliegen?

22. Wenn nein: Warum nicht?

23. Wie viele ähnlich gelagerte Fälle sind Ihnen in den Jahren 2013, 2014, 2015 und 2016 bis zum Einlangen dieser Anfrage bekannt geworden?