10630/J XXV. GP

Eingelangt am 20.10.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien

betreffend Intransparente Direktvergaben BMKKV

 

BEGRÜNDUNG

 

Rund 80 Prozent[1] des gesamten Auftragsvolumens öffentlicher Einrichtungen von 40[2] bis 70[3] Milliarden Euro im Jahr liegen im unterschwelligen Bereich und können weitgehend direkt vergeben werden.

Als Impuls für Österreichs Betriebe wurde kürzlich die Verlängerung der Schwellenwertverordnung bis Ende 2018 argumentiert. Die Ausschreibungspflicht gilt damit für öffentliche Stellen weiterhin ab einer Auftragshöhe von 100.000 Euro (in Einzelfällen sogar 500.000 Euro)[4] anstatt wie ursprünglich verordnet ab 50.000 Euro. Diese Maßnahme zur Beschleunigung der Verfahren und Stärkung der regionalen Wirtschaft hat laut einer Evaluierung einer ähnlichen Vorgangsweise in Deutschland durch den deutschen Rechnungshof weitreichende nachteilige Nebenwirkungen. Preise und Korruptionsanfälligkeit steigen bei Direktvergaben oder beschränkten Ausschreibungen deutlich. Daher ist es unverständlich, dass die Verlängerung der höheren Schwellenwerte ohne Evaluierung durchgeführt wurde.

Der deutsche Bundesrechnungshof evaluierte bereits im Jahr 2012 anhand von 16.000 Fällen die 2009 beschlossene Lockerung der EU-Vergaberegeln. Diese Lockerung wurde von der deutschen Regierung Ende 2010 (im Gegensatz zur bis heute fortgeschriebenen österreichischen Regel) beendet, was der Bundesrechnungshof würdigte. Die Prüfer stellten fest, dass es weder zu einer Beschleunigung noch zu einer Reduktion des Verwaltungsaufwands durch Vergaben ohne öffentliche Ausschreibung kam. Dafür wurde der Wettbewerb deutlich eingeschränkt. Die Zahl der Angebote ging – je nach Bereich – um bis zu 15 Prozent zurück. Beispielsweise wurden bei öffentlichen Ausschreibungen im Hochbau mehr als doppelt so viele Angebote eingereicht als bei beschränkten Ausschreibungen und fast dreimal so viele Offerte wie bei freihändigen Vergaben, vermerkt der Bericht. Vor allem hat letztlich die öffentliche Hand bzw. die steuerzahlende Bevölkerung  gravierende Nachteile: Die Preise liegen laut Bundesrechnungshof bei Aufträgen mit Vergabeerleichterungen um 13 Prozent[5] über jenen öffentlicher Ausschreibungen. Außerdem erleichtert mangelnde Transparenz bei öffentlichen Aufträgen Absprachen und Geschäfte unter Freunden. "Insbesondere die Beschränkung des Wettbewerbs und die Auswahl der aufzufordernden Unternehmen stellen Korruptions- und Manipulationsrisiken dar, die bei der öffentlichen Ausschreibung nicht bestehen", konstatieren die Prüfer des Bundesrechnungshofes. Auch im Bereich der Beschaffungen von Leistungen und Lieferungen erkennt der Bundesrechnungshof bereits 2011 „nur wenige und zudem vorwiegend "gefühlte" Vorteile (…), die in keinem angemessenen Verhältnis zu den damit einhergehenden Einschränkungen des Wettbewerbs und der Transparenz gehen.“[6]

Keinen Einwand bringt der Bericht gegen das Argument, Direktvergaben förderten die Wirtschaft im direkten Umfeld. Laut Rechnungshof sank die Entfernung der beauftragten Unternehmen seit Inkrafttreten der Lockerungen um 27 Prozent. Aus regionalwirtschaftlichen Überlegungen, zur Förderung strukturschwacher Gebiete und auch aus ökologischen Gründen mag es durchaus sinnvoll erscheinen, den Wettbewerb in vielen Fällen auf das jeweilige Gebiet zu beschränken. Dabei sollten aber gewisse Grundregeln einer Ausschreibung (wie transparentes Vergabeverfahren, Wettbewerb in einem ausreichend großen Gebiet etc.) befolgt werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.         Warum wurden die Auswirkungen der Erhöhung der Auftragssummen in der Schwellenwertverordnung nicht evaluiert?

 

2.         Waren Ihnen die Erkenntnisse des deutschen Bundesrechnungshofes bekannt?

 

3.         Wenn ja, warum nahmen Sie dann nicht Abstand von einer Verlängerung der höheren Werte in der Schwellenwertverordnung?

 

4.         Warum setzen Sie sich nicht für mehr Transparenz bei Vergaben im unterschwelligen Bereich ein?

 

5.         Planen Sie zumindest die Einführung einer nachgelagerten „Veröffentlichungspflicht“ für direkt vergebene Aufträge mit Minimalangaben (z.B. vergebende Stelle, Auftragnehmer, Auftragssumme) nach dem Vorbild anderer europäischer Länder?[7].



[1] Genaue Statistiken dazu liegen nicht vor – das Vergabevolumen in Österreich wird seit Jahren geschätzt. Der Rechnungshof berichtet beispielsweise von einem 73%igen Anteil von Direktvergaben am Vergabevolumen im Wirtschaftsressort selbst, in den Jahren 2011 bis 2013: http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/_jahre/2015/aktuelles/presse/kurzfassungen/bund/Kurzfassung_Bund_2015_06.pdf

[2] Die auf Vergaberecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei Heid-Schiefer geht von 48 Milliarden aus:  http://www.pressetext.com/news/20120305009

[3] Im Kurzleitfaden zum neuen EU-Vergaberecht, Österreichischer Städtebund, 2014 geht selbiger von einem Vergabevolumen von 19-20% des europäischen BIP aus. Bezogen auf das österreichische BIP von 2015 bedeutet dies bis zu 68 Mrd. Euro.

[4] Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung im Baubereich.

[5] https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/sonderberichte/langfassungen/2012-sonderbericht-auswirkungen-der-vergabeerleichterungen-des-konjunkturpakets-ii-auf-die-beschaffung-von-bauleistungen-und-freiberuflichen-leistungen-bei-den-bauvorhaben-des-bundes/view?searchterm=Vergabe

[6] https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/beratungsberichte/langfassungen/langfassungen-2011/2011-bericht-auswirkungen-der-vergaberechtslockerungen-im-rahmen-des-konjunkturpakets-11-auf-die-beschaffung-von-lieferungen-und-leistungen-durch-die-bundesverwaltung/view?searchterm=Vergabe

[7] In der Slowakei hingegen werden Vergabeverträge mit einem Wert von über 10.000 Euro müssen veröffentlicht (ohne Veröffentlichung sind sie ungültig). In Großbritannien werden Transaktionen über 500 Pfund publiziert: http://derstandard.at/2000017977431/Staat-oeffne-dich?_articlePage=1