10644/J XXV. GP

Eingelangt am 27.10.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien

betreffend Dachausbau trotz Denkmalschutz

BEGRÜNDUNG

 

Das barocke Haus „Zu den sieben Schwertern“ in der Wiener Innenstadt, Schwertgasse Nr.3 ist seit dem Jahr 1924 denkmalgeschützt und gehört damit zu den ersten Häusern in Wien, die seit Inkrafttreten des Denkmalschutzgesetzes zukünftigen Generationen erhalten werden sollten.

Es ist mit einem mehrschichtigen, "liegenden“ Pfettendachstuhl gedeckt, einem Meisterstück barocker Zimmermannskunst, mit Mansarden und Zimmermannszierschnitten.

Als Haus in der Umgebung der Kirche „Maria am Gestade“ genießt es auch Ensembleschutz. Es befindet sich in der Schutz- und Wohnzone der Gemeinde Wien, ist im „historischen Zentrum von Wien“ Teil des UNESCO Weltkulturerbes und seit dem Jahr 2015 wird es durch die Europarat-FARO-Konvention geschützt.

Offenbar bietet das alles keinen tatsächlichen Schutz. Der Eigentümer möchte in den barocken Dachstuhl Luxuswohnungen einbauen. Ein erstes Umbauprojekt musste er 2014 zwar wieder zurückziehen, weil es von zwei amtlichen Gutachten negativ beurteilt worden war. Die Magistratsabteilung 19 der Stadt Wien hat keinen Vorteil für die Öffentlichkeit erkennen können und Univ.-Prof. Richard Fritze hat gegenüber dem Bundeskanzleramt erhebliche denkmalschützerische Bedenken geäußert und auf die Notwendigkeit einer bauhistorischen Begutachtung hingewiesen.

Die damals im Bundeskanzleramt zuständige Beamtin MR Dr. Brunner schrieb dazu: "In diesem Verfahren wird das vorliegende Projekt vom Bundesdenkmalamt an Hand der neuen Standards der Baudenkmalpflege bearbeitet.“ Mit den angesprochenen neuen Standards waren die „Standards zur Baudenkmalpflege“ gemeint, die wenige Tage davor vom Bundesdenkmalamt veröffentlicht worden waren und nach Angabe der Behörde ein Werkzeug sein sollten, „für die MitarbeiterInnen des Bundesdenkmalamtes, um die Entscheidungswege bundesweit einheitlich und klar zu gestalten“ (S.8)

Auf Seite 269 der Standards findet sich der Grundsatz: „Bei Dachstühlen bzw. Dachböden von besonderer Bedeutung ist aus Gründen der bautechnisch wie bauphysikalisch gesicherten Bestandserhaltung sowie aus historisch-ästhetischen Gründen ein Dachgeschoßausbau denkmalfachlich nicht vertretbar. Die Bedeutung bemisst sich am konkreten bauhistorischen Stellenwert, an der Repräsentanz eines bestimmten Konstruktionstyps bzw. einer bestimmten Zeitstellung und an der handwerkstechnischen Ausführungsart bis hin zu zimmermannstechnischem Zierrat. Im Einzelfall sind zur Bewertung im Vorfeld bauhistorische wie naturwissenschaftliche Untersuchungen notwendig“. Und auf der folgenden Seite steht:„... selbst wenn ein Dachgeschoßausbau irgendwo, ohne besonderer historischen Qualität des Dachstuhles, von den Behörden genehmigt wird: soll der Dachstuhl grundsätzlich in allen historischen Konstruktionsteilen erhalten werden. Dem Ausbau sollen keine primären Konstruktionselement zum Opfer fallen wie z. B. durch das Ausschneiden von charakteristischen Konstruktionsteilen zur Erreichung von Durchgangslichten etc. (z.B. Erhaltung der durchgehenden Bundträme etc.)“ Eine Durchtrennung und Aussparung der Längsbalken zur besseren Belichtung durch Dachflächenfenster ist aus denkmalschützerischer Sicht daher nicht möglich. In einem Interview in der Zeitung „Der Standard“ am 8. August 2014 ergänzt der Fachdirektor des Bundesdenkmalamtes Bernd Euler-Rolle: „Wenn es sich um einen entstehungszeitlichen barocken Dachstuhl mit Zimmermannszierschnitten handelt, dann wird man sagen müssen: Da geht es nicht.“

Im April 2016 hat der Eigentümer der Liegenschaft Schwertgasse 3 neuerlich ein Projekt zum Umbau des Dachstuhls eingereicht. Diese Einreichung sieht keine neuen Laubengänge im Innenhof mehr vor und auch die Maisonettenzugänge in den Dachausbau sind nicht mehr geplant.

Dennoch soll, wie schon bei der ersten Einreichung, der dreihundert Jahre alte Dachstuhl von einer Stahlrahmenkonstruktion entlastet werden. Der Dachstuhl wird zur funktionsuntauglichen Dekoration. Durchgehende Bundträme und Sparren sollen durchtrennt, die Dachhaut durchstoßen, der halbe Spitzbogen des Daches für eine Terrasse geopfert, die Dachform und deren Kontur verändert und Rauchfangkehrerstege aufgesetzt werden.

Ein Jahr davor hat die UNESCO im „Barbatobericht“ explizit auf eine drohende Gefährdung der Authentizität dieses Objekts hingewiesen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Welche Rolle hat das Bundeskanzleramt als Aufsichtsbehörde und sachlich zuständige Oberbehörde des Bundesdenkmalamts beim Dachbodenausbauprojekt in der Schwertgasse 3 und wie wird diese Aufsicht wahrgenommen?

2.    Wurden Sie von der UNESCO auf die Gefahr zum Bestand des Weltkulturerbes aufmerksam gemacht, die durch einen Umbau am Haus Schwertgasse 3 entstehen könnte?

3.    Was unternehmen Sie, um die verschärfte Situation, in der sich Österreich mit einem angedachten Hochhausbau in der Kernzone Wien und dem dadurch drohenden Verlust des Weltkulturerbes zur Zeit ohnehin schon befindet, nicht zusätzlich noch durch weitere Projekte anzuheizen?

4.    Wie agieren Sie grundsätzlich angesichts von Projekten, die mit der Zerstörung denkmalgeschützter Teile einhergehen oder das Weltkulturerbe aufs Spiel setzen?

5.    Wie wurden die beiden Anfragen der UNESCO-Paris zum aktuellen Dachausbau-Projekt in der Schwertgasse 3 beantwortet?

6.    Warum werden vom Bundesdenkmalamt entwickelte Standards seitens des Bundesdenkmalamts beim Projekt Schwertgasse 3 ignoriert?

7.    Sie wollten sich regelmäßig über den Stand des Projekts informieren lassen und der UNESCO darüber berichten. Sind Sie über die aktuellen Pläne zum Dachbodenausbauprojekt in der Schwertgasse 3 informiert und haben Sie der UNESCO von diesen Plänen berichtet?

8.    Was hat die UNESCO geantwortet?

9.    Wird zur Beurteilung des aktuellen Umbauplans in der Schwertgasse 3 ein sachverständiger Gutachter der UNESCO beigezogen und wenn nein, warum nicht?

10. Wird zur Beurteilung des aktuellen Umbauplans in der Schwertgasse 3 seitens des Bundeskanzleramts wieder der sachverständige Gutachter Prof. Fritze hinzugezogen, der das Bauwerk mittlerweile gut kennt? Wenn nein, warum nicht?

11. Welchen Stellenwert genießt der Denkmalschutz in Österreich allgemein und in Ihrem Ministerium im Besonderen angesichts der Häufung von Fällen, in denen kurzfristige wirtschaftliche Vorteile von privaten Investoren den lange anhaltenden kulturhistorischen Interessen der Gemeinschaft vorgezogen werden?

12. Werden Erkenntnisse des Gutachtens von Prof. Fritze aus der ersten Einreichung auch für die aktuelle Einreichung angewendet?

13. Wie wird die bauhistorische Bedeutung des Hauses in der Schwertgasse ein für alle Mal geklärt?