10662/J XXV. GP

Eingelangt am 04.11.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Karl Öllinger, Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend Gaskammer-Leugnung Mauthausen

BEGRÜNDUNG

 

Am 18. März 2016 fand in Wels ein Schwurgerichtsprozess wegen Wiederbetätigung gegen einen 33-Jährigen statt, „der via Internet in diversen Foren rechtsextreme Postings versendet haben soll. Unter anderem schrieb er, er würde sich als „erster Heizer“ in Konzentrationslagern zur Verfügung stellen“, berichten die „Salzburger Nachrichten“ am 29.10.2016 und schreiben weiter, dass in diesem Prozess der Pflichtverteidiger des Angeklagten in seinem Schlussplädoyer die Existenz einer Gaskammer im KZ Mauthausen in Frage stellte. Wörtlich soll der Strafverteidiger gesagt haben:

„Es ist strittig, ob in Mauthausen Vergasungen und Verbrennungen stattgefunden haben [...] Was man seinerzeit in Mauthausen zu Gesicht bekommen hat, ist eine sogenannte Gaskammer, die nachträglich eingebaut wurde [...] Unbekannt ist, ob dort jemals eine Gaskammer vorhanden war“.

Auf Grundlage dieser Aussage hat die Staatsanwaltschaft Wels Ermittlungen gegen den Verteidiger geführt, wobei dieser – so die „Salzburger Nachrichten“ – bei einem Verhör vor der Polizei „seine Sicht der Vergangenheit wiederholt haben“ soll.

Die Staatsanwaltschaft Wels hat aufgrund ihrer Ermittlungen in ihrem Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft Linz für eine Anklage wegen Wiederbetätigung plädiert. Nachdem die Oberstaatsanwaltschaft Linz dem Vorhaben der Anklage zugestimmt hat, erhob die Staatsanwaltschaft Wels Anklage, die – so die „Salzburger Nachrichten“ bereits rechtskräftig war, bevor das Justizministerium nach einer Beratung durch den Weisungsrat die Oberstaatsanwaltschaft Linz anwies, die Anklage gegen den Welser Strafverteidiger einzustellen.

Da es sich beim Verdacht auf Wiederbetätigung jedenfalls um ein gegenüber dem Justizministerium vorhabensberichtspflichtiges Verfahren handelt, war das Justizministerium wohl in alle wesentlichen Verfahrensschritte eingebunden. Es ist daher sehr auffällig und auch merkwürdig, dass das Ministerium bzw. der Bundesminister anscheinend in allerletzter Minute – vor der Festsetzung einer Hauptverhandlung die Notbremse gezogen und den Weisungsrat mit der Causa befasst hat.

Die Äußerung des Weisungsrates in dieser Causa hat das Bundesministerium bzw. Bundesminister Brandstetter dazu veranlasst, die Oberstaatsanwaltschaft mit der Einstellung des Verfahrens zu beauftragen eine Weisung, die zu heftiger öffentlicher Kritik geführt hat. „Unverständlich“, urteilte das „Neue Volksblatt“ (31.10.2016), das die Äußerung des Weisungsrates bzw. die Weisung des Justizministeriums als „Schlag ins Gesicht der Nachkommen von Holocaust-Opfern“ bezeichnete.

Für diese Kritik ist zum einen die Aussage des Vorsitzenden des Weisungsrates verantwortlich, der die Erklärung des Verteidigers verharmlosend als „Blödsinn“ bezeichnete und die Äußerung des Weisungsrates auch damit argumentierte, dass der Verteidiger nicht den Holocaust an sich geleugnet habe, weil er Gaskammern in Hartheim „eingeräumt“ habe (OÖN, 29.10.2016).

Sollte der Weisungsrat tatsächlich der Meinung gewesen sein, dass eine partielle Leugnung von Verbrechen des Nationalsozialismus wie etwa die der Existenz und Nutzung einer Gaskammer zum Zwecke der Tötung bzw. Ermordung von Menschen im KZ Mauthausen nicht unter die Strafbestimmung des § 3 h Verbotsgesetz fallen muss, wenn und sofern andererseits die Existenz bzw. das Betreiben von Vernichtungslagern durch das nationalsozialistische Regime nicht generell bestritten wird, so wäre dies – milde interpretiert - eine sehr gewagte Darstellung des § 3 h Verbotsgesetz. So wird der Vorsitzende des Weisungsrates in den „Salzburger Nachrichten“ (29.10.2016) so zitiert:

„Der Anwalt leugnet aber nicht den Holocaust an sich, da er in seinem Plädoyer auch einräumte, dass es in Hartheim Gaskammern gab“.

Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass zum Beispiel der frühere FPÖ-Bundesrat John Gudenus auch deswegen wegen Wiederbetätigung verurteilt wurde, weil er die Existenz von Gaskammern zwar nicht prinzipiell, aber in den Grenzen des Dritten Reiches bestritten hat. John Gudenus damals:

„Es gab Gaskammern, aber nicht im Dritten Reich. Sondern in Polen. So steht das auch in Schulbüchern. Ich habe nie gesagt, dass ich prinzipiell Gaskammern anzweifle“. (Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/John_Gudenus).

Ein weiterer Kritikpunkt an der Entscheidung des Justizministeriums betrifft aber auch den Umstand, dass es sich bei dem der Wiederbetätigung verdächtigten Strafverteidiger um den Bruder des Vizepräsidenten der oö. Anwaltskammer gehandelt hat (Kurier, 29.10.2016) und deshalb das „Krähe-Auge-Syndrom“ (Der Standard, 2.11.2016) bei der Entscheidung möglicherweise eine Rolle gespielt hat.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

1)    In welchen Verfahren nach dem Verbotsgesetz bzw. dessen § 3 h wurde seit 2006 die Existenz einer Gaskammer in Mauthausen bestritten und welche Urteile wurden dabei getroffen?

2)    Teilen Sie die Ansicht, die offensichtlich vom Weisungsrat vertreten wurde, wonach eine partielle Leugnung von Verbrechen des NS- Regimes, insbesondere die Leugnung der Existenz einer Gaskammer im KZ Mauthausen und damit die Leugnung eines nationalsozialistischen Verbrechens dann straffrei bzw. nicht anklagewürdig sei, wenn andere Verbrechen des Nationalsozialismus nicht bestritten werden?

3)    Wann wurde das Ermittlungsverfahren in der Causa des Welser Strafverteidigers eröffnet?

4)    Wann und wie oft wurde im Verfahren jeweils an die übergeordneten Behörden berichtet? Bitte um detaillierte Darstellung,

a.    wann an die Oberstaatsanwaltschaft Linz und

b.    an das Justizministerium berichtet wurde und

c.    was jeweils berichtet und zurückgemeldet wurde.

5)    Fanden in der Sache auch Dienstbesprechungen statt?

6)    Wenn ja, wann und mit welchen Beteiligten?

7)    Beabsichtigte die Staatsanwaltschaft Wels in der Sache Anklage wegen Wiederbetätigung zu erheben bzw. wann hat sie dieses Vorhaben an die Oberstaatsanwaltschaft und das Justizministerium berichtet?

8)    Hat die Oberstaatsanwaltschaft Linz in ihrer Stellungnahme Einwände gegen dieses Vorhaben der Staatsanwaltschaft Wels geäußert?

a.    Wenn ja, inwiefern?

9)    Wann und warum bzw. nach welcher Bestimmung des Staatsanwaltschafts-gesetzes wurde der Weisungsrat mit dieser Sache befasst?

10)  Wurde der Weisungsrat auf Grundlage von § 29c Abs 1 Z1 oder Z3 StAG mit der Sache befasst?

11) Wann traf der Weisungsrat seine Entscheidung?

12)  Mit welcher Begründung traf der Weisungsrat seine Entscheidung?

13)  Wie oft wurde der Weisungsrat in diesem Jahr bereits mit Entscheidungen bzw. Vorhaben zum Verbotsgesetz befasst?

14)  Wie oft wurde der Weisungsrat in diesem Jahr auf Grundlage von § 29c Abs 1 Z1 StAG befasst?

15)  Wie oft wurde der Weisungsrat in diesem Jahr auf Grundlage von § 29c Abs 1 Z2 StAG befasst?

16)  Wie oft wurde der Weisungsrat in diesem Jahr auf Grundlage von § 29c Abs 1 Z3 StAG befasst?

17)  Wie oft wurde der Weisungsrat in diesem Jahr in Zusammenhang mit Strafverfahren wegen des Verdachts der Begehung von strafbaren Handlungen gegen das Verbotsgesetz befasst (Aufgliederung nach Tatbeständen)?

18)  Auf welcher Grundlage (§ 29c Abs 1 Z1 bis Z3 StAG) erfolgte die Befassung in den oben genannten Fällen?

19) Welche Erledigung sah Ihr Erledigungsentwurf an den Weisungsrat vor und wie wurde diese begründet?

20) Wurde in der Causa nach der Einstellung des Verfahrens der Rechtsschutz-beauftragte des BMJ nach § 194 (3)StPO verständigt?

21)  Hat der Rechtsschutzbeauftragte des BMJ den Ermittlungsakt verlangt?

22)  Hat der Rechtsschutzbeauftragte des BMJ einen Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens nach § 195 StPO gestellt?