10797/J XXV. GP

Eingelangt am 14.11.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen

an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

betreffend Folgen und Kosten von Diabetes mellitus als Volkskrankheit

 

Bereits im österreichischen Diabetesbericht 2013 erwähnt der damalige Bundesminister für Gesundheit, Alois Stöger, nicht nur das häufige Vorkommen von Diabetes mellitus, sondern auch die Herausforderungen von Folgeerkrankungen. Eine umfassende Diabetes-Studie der Joanneum Research Forschungsgesellschaft ergibt, dass die von Diabeteserkrankungen verursachten Kosten sich in Österreich auf rund 1,94 Milliarden Euro jährlich belaufen. Damit ist Diabetes nicht nur eine der häufigsten, sondern auch eine der teuersten Krankheiten Österreichs, insbesondere im Hinblick auf die Spätfolgen der Erkrankung. Dass mit Folgeerkrankungen wie Retinopathie, Nephropathie und Neuropathie nicht nur das Leiden der Patient_innen ansteigt, sondern auch das Gesundheitssystem kostentechnisch enorm belastet wird, ist eine Folge mangelhafter Primär-Prävention sowie zu später Diagnose, inadäquater Therapie und verzögerter Einstellung auf Insulin. Dies alles resultiert aus einer ungenügenden Aufklärung der Bevölkerung und einer damit hohen Dunkelziffer an Diabetikern. Die Zahl der Neuerkrankungen könnte jedoch durch effektive Primär-Präventionsmaßnahmen verringert werden, wie bereits wissenschaftliche Studien belegen (beispielsweise "Aziz et al. Implementation Science (2015) 10:172"). Hier ist zu erfragen, welche Maßnahmen sich das BMGF zum Ziel gesetzt hat, und vor allem, welche mit der angekündigten "Diabetes-Strategie" auch tatsächlich umgesetzt werden sollen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

 

1.    Das BMGF hat in seiner Beantwortung der Anfrage Anfrage Nr. 6205/J der Abgeordneten Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen vom 17.9.2015 eine Diabetes-Strategie für 2016 angekündigt. Wie ist der derzeitige Entwicklungsstand in dieser Sache?

a.    Aus welchen Gründen ist die Fertigstellung der Diabetes-Strategie auf 2017 verschoben worden?

2.    Wer wird in die inhaltliche Planung und Umsetzung der Diabetes-Strategie einbezogen?

a.    Wie werden Stakeholder und Interessenvertretungen in den Entwurf der Diabetes-Strategie mit einbezogen?

b.    Wann genau sind hier erste Veröffentlichungen und tatsächliche politische Umsetzungen zu erwarten?

c.    In der Anfragebeantwortung 6010/AB heißt es: "Da die Vorarbeiten zu der genannten Diabetes-Strategie noch nicht so weit fortgeschritten sind, wurde die Standesvertretung der Ärzteschaft derzeit noch nicht eingebunden." Welche Neuigkeiten gibt es diesbezüglich?

3.    Wird die Diabetes-Strategie sich auch speziell mit an Diabetes mellitus erkrankten Kindern befassen?

a.    Wie wird sichergestellt, dass nicht nur die medizinische Versorgung von Kindern gewährleistet wird, sondern auch Betreuung und Rechtssicherheit im Kindergarten- und Schulwesen in die Strategie mit einbezogen werden, um Kindern mit Diabetes mellitus eine gleichwertige Bildung zu ermöglichen und vor Diskriminierung im Alltag zu schützen?

b.    Wird eine Risikoerkennung oder ähnliches für den neuen Mutter-Kind Pass angedacht?

                                  i.    Wenn ja, wie soll diese Risikoerkennung erfolgen?

                                ii.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Wie verläuft die Abstimmung zwischen BMGF und Bundesministerium für Bildung sowie Sozialministeriumin dieser Sache?

4.    In seiner "Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie" setzt das BMGF Maßnahmen und Ziele zur gesundheitlichen Chancengleichheit. Ein Punkt lautet hier: "Thema in relevanten Ausbildungen verstärkt berücksichtigen bzw. explizit machen (Gesundheitsberufe, Psychologinnen/Psychologen, Pädagogin- nen/Pädagogen, andere für Kindergesundheit relevante Berufsfelder), z. B. „Child Advocacy“ (= Rechte, Bedürfnisse der Kinder/Jugendlichen erkennen und dafür eintreten)". Laut BMGF ist dieser Punkt seit 2014 in Umsetzung. Bezieht sich dieses Ziel auch auf Kinder, welche an Diabetes mellitus erkrankt sind?

a.    Wenn ja, welche Maßnahmen wurden im Bereich Diabetes mellitus bei Kindern bereits umgesetzt, um insbesondere Pädagoginnen und Pädagogen über Diabetes mellitus bei Kindern aufzuklären?

b.    Welche Maßnahmen sind derzeit in Planung und wurden noch nicht umgesetzt?

c.    Beinhaltet die bessere Aufklärung von Pädagoginnen und Pädagogen auch den Bereich der Rechtssicherheit im Umgang mit kranken Kindern, speziell bezogen auf Diabetes mellitus?

                                  i.    Wenn nein, warum sieht das BMGF das Thema Rechtssicherheit von Pädagoginnen und Pädagogen nicht als Teil der Aufklärung von Pädagoginnen und Pädagogen über den Umgang mit an Diabetes mellitus erkrankten Kindern?

5.    Laut Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie 2014 ist die "Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen als relevante Zielgruppe bei Strategien, Plänen etc." bereits in der Umsetzung. Ist seitens des BMGF ein Nationaler Aktionsplan für chronisch kranke Kinder bzw. Kinder mit Diabetes mellitus in Umsetzung?

a.    Wenn ja, wie ist der aktuelle Stand dieser Planung?

b.    Wenn ja, wann können erste Ergebnisse und tatsächliche Umsetzungen erwartet werden?

c.    Wenn nein, ist solch ein Nationaler Aktionsplan eine sinnvolle Maßnahme, um an Diabetes mellitus erkrankten Kindern Chancengleichheit zu ermöglichen und Diskriminierung in Alltag und Schulwesen zu bekämpfen?

d.    Gerade Schulungen, die explizit Kinder oder Jugendliche ansprechen, werden meist durch die Selbsthilfe wahrgenommen (wie bspw. dem Verein cuko Care). Wie plant das BMGF, sich hier mit eigenen Maßnahmen und Strategien einzubringen?

6.    Im Diabetesbericht 2013 wird ein Tiroler Diabetesregister erwähnt. Gibt es noch weitere Register oder Registervorhaben außer in Tirol?

a.    Wenn ja, wo und von wem können diese eingesehen werden?

b.    Wenn nein, warum nicht und bis wann wird es diese geben?

7.    Im Diabetesbericht 2013 wurde eine Erhebung zur Versorgungsqualität von Patienten mit Diabetes angedacht. Gibt es solch eine Erhebung mittlerweile?

a.    Wenn ja, wo kann diese eingesehen werden?

b.    Wenn nein, warum nicht?

8.    Im österreichischen Patientenbericht, der 2008 veröffentlicht wurde, wurden im Rahmen eines Projektes Fragebögen an Diabetespatienten ausgewertet. Ist geplant, eine solche Erhebung methodisch stärker zu wiederholen, beispielsweise im Rahmen eines Nationalen Aktionsplans für Diabetes?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

9.    Verschiedentlich bieten Apotheken ihren Kundinnen und Kunden eine Blutzuckeruntersuchung an:

a.    Wie beurteilt das Ministerium dieses Angebot im Hinblick auf die hohe Dunkelziffer an Diabeteskranken?

b.    Wie beurteilt das Ministerium die Rechtssicherheit von Apotheker_innen in Bezug auf die Vornahme dieser Untersuchung?

                                  i.    Gibt es seitens des Ministeriums Pläne, die Kompetenzen und die Rechtssicherheit von Apotheker_innen zu erhöhen, sodass diese durch Blutzuckermessungen an Freiwilligen niederschwelliges Angebot schaffen und ggf. zur Aufklärung der Dunkelziffer an Diabeteskranken beitragen können?

c.    Werden seitens des Ministeriums Planungen angestellt, diese Blutzuckeruntersuchungen bundesweit zu ermöglichen?

                                  i.    Wenn ja, wie weit sind diese Pläne und wie sollen sie verwirklicht werden?

                                ii.    Wenn ja, wie werden Apothekerschaft, Ärzteschaft, Pharmabranche und andere Interessensgruppen in diesen Prozess mit einbezogen, um mehr Expertise zu akkumulieren?

                               iii.    Wenn nein, warum nicht?

d.    Erhalten die Apotheker_innen eine Vergütung für die Durchführung einer Messung des Blutzuckers?

                                  i.    Wenn ja, von wem?

                                ii.    Wenn nein, warum nicht?

e.    Werden die Primärversorgungszentren (PHCs) auch in Zukunft so aufgestellt sein, dass sie Diabetes-Behandlungen inkl. Insulineinstellung und Betreuung insulinpflichtiger Patienten übernehmen können?

                                  i.    Was muss dafür berücksichtigt werden?

f.      Wie können Primärversorgungszentren (PHC) dazu beitragen, die Aufklärungsrate und Primär-Prävention von Diabetes mellitus in der Bevölkerung zu erhöhen?

10. Ist mit der seit dem Berichtsjahr 2015 stattfindenden Pseudonymisierung der Daten mittlerweile möglich, Rückschlüsse über die medizinischen Folgen von Diabeteserkrankungen zu ziehen?

a.    Wenn ja, welche Angaben können inzwischen über die durch Diabetes verursachten Amputationen gemacht werden?

                                  i.    Gibt es bereits eine Schätzung darüber, wie viele der jährlich durchgeführten Amputationen in Österreich auf Diabetes zurück zu führen sind?

11. Gibt es eine Einschätzung der durch Diabetes verursachten jährlichen Kosten seitens des BMGF?

a.    Kann die Summe der direkten und indirekten Kosten der Joanneum-Studie von 1,94 Milliarden Euro jährlich vom BMGF bestätigt werden?

                                  i.    Wenn nein, wie hoch schätzt das BMGF die durch Diabetes mellitus verursachten jährlichen direkten und indirekten Kosten dann ein?

                                ii.    Wie schätzt das BMGF die Entwicklung der durch Diabetes mellitus verursachten jährlichen Kosten ein?

b.    Wie plant das BMGF, die Kosten dieser weit verbreiteten Krankheit zu senken?

c.    Sind hier bereits erste konkrete Maßnahmen umgesetzt worden?

                                  i.    Wenn ja, welche?

                                ii.    Wenn nein, warum nicht?

12. Die österreichischen Sozialversicherungen haben bereits ein so genanntes "Disease Management Programm" (DMP) für diabeteskranke Menschen entworfen. Dieser Betreuungsplan könnte zur Vermeidung von Spätkomplikationen beitragen.

a.    Warum sind derzeit nur etwa 50.000 Diabetiker_innen in das Programm eingeschrieben und nicht mehr?

b.    Wird das DMP "Therapie Aktiv - Diabetes im Griff" in allen Bundesländern flächendeckend und zu gleichen Konditionen angeboten?

                                  i.    Wenn nein, warum nicht?

13. Gibt es bei der Anzahl von diagnostizierten Diabetes mellitus Patienten einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?

14. Laut österreichischem Diabetes-Bericht 2013 "wurde im Jahr 2011 in Österreich bei rund 2.900 Verstorbenen Diabetes mellitus als Todesursache dokumentiert; bei Männern häufiger als bei Frauen"

a.    Wie ist dieser Unterschied zwischen Männern und Frauen zu erklären?

15. Weiters folgt "Die Diabetes-Mortalität [folgt...] zudem einem regionalen Muster, wonach die altersstandardisierte Mortalität in östlichen Bundesländern bzw. in grenznahen Bezirken in Niederösterreich und im Burgenland am höchsten, in westlichen Bundesländern tendenziell am geringsten ausfällt."

a.    Gibt es in Österreich eine für alle Bundesländer gleiche Behandlungsmaßnahme?

                                  i.    Wenn nein, wer entscheidet über die Behandlung von Diabetes mellitus in den einzelnen Bundesländern?

16. Wie viele mit Diabetes mellitus begründete Kuraufenthalte gab es in den einzelnen Krankenversicherungsträgern? (2010 - 2015, bitte getrennt nach Jahren und Krankenversicherungsträger)