10814/J XXV. GP

Eingelangt am 17.11.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Video-Überwachungsanlagen in ÖBB-Zügen

 

 

Aktuell wird die Bevölkerung ebenso wie die Mitarbeiter von Eisenbahn-Verkehrsunternehmungen mit einer Serie von gewalttätigen Übergriffen in Zügen konfrontiert. Am 16.8.2016 rastete ein laut Polizei geistig verwirrter deutscher Staatsbürger in einem Regionalzug in Vorarlberg aus und stach mit einem Messer auf zwei Fahrgäste ein. Zwei Personen wurden dabei verletzt. Der sechzigjährige Täter konnte noch im Zug festgenommen werden.

 

Die Attacke reiht sich ein in eine Serie gewalttätiger, internationaler Zwischenfälle in Zügen. Nur zehn Kilometer entfernt hatte am 13.8.2016 ein 27-Jähriger in einem Schweizer Regionalzug Passagiere attackiert und im Zuge seiner Schreckenstat eine Frau getötet.

 

Am Abend des 19.7.2016 griff ein Jugendlicher Fahrgäste der Regionalbahn RB 58130 auf dem Weg von Treuchtlingen nach Würzburg an. Er war nach Angaben der Polizei mit einer Axt und einem Messer bewaffnet. Der Zug wurde im Würzburger Stadtteil Heidingsfeld durch das Ziehen der Notbremse gestoppt. Der Angreifer verletzte vier Menschen schwer, eine weitere Person wurde leicht verletzt, wie die Staatsanwaltschaft Unterfranken mitteilte. 14 Menschen erlitten einen Schock.

Es stellt sich die Frage, inwieweit die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel unter derartigen Rahmenbedingungen noch generell als sicher bezeichnet werden kann. Tatsächlich wurden zur Hebung der Fahrgastsicherheit Videokameras als wichtiger Teil des ÖBB-Sicherheitskonzepts installiert – seit dem Jahr 2007 auch in Fahrzeugen, wie erstmals im Triebwagen „Talent“.

 

Der Zweck der Videoüberwachung ist der Schutz des Eigentums der ÖBB-Personenverkehrsgesellschaft - insbesondere gegen Vandalismus - sowie der Schutz von Mitarbeitern und Personen, denen gegenüber das Unternehmen zu besonderer Verantwortung verpflichtet ist. Das sind insbesondere Fahrgäste.

 

Es werden ausschließlich Bilddaten der in den Nahverkehrstriebwagen des Typs „Talent“ und „Cityjet“ befindlichen Personen gespeichert. Eine Auswertung der Videodaten erfolgt nur im Falle von Vandalismusschäden bzw. bei Verdacht von strafrechtlich relevanten Vorfällen und nur in dem für die Beweiszecke erforderlichen Umfang. Die Bilddaten werden ausschließlich an Sicherheitsbehörden, Gerichte oder Staatsanwaltschaften übermittelt.

 

Die ÖBB sind gesetzlich verpflichtet, der Polizei Videodaten zur Aufklärung von Straftaten zur Verfügung zu stellen. Dies kann nur mittels einer staatsanwaltlichen Anordnung zur Beschlagnahmung bestimmter Videos geschehen. In der Praxis wird den Ermittlern eine Festplatte gegen eine Übernahmebestätigung übergeben.

 

Leider wiegen die ÖBB ihre rund 470 Millionen Fahrgäste pro Jahr hier in Scheinsicherheit: Einerseits sind bislang nur zwei Typen von Nahverkehrszügen (Talent und Cityjet) mit Videoüberwachungssystemen ausgestattet, andererseits beschränkt sich die Videoüberwachung exklusiv auf die Türbereiche. Damit können Übergriffe, die in toten Winkeln stattfindenden – die rund 50 Prozent des Fahrgastraumes ausmachen - nicht nachträglich ausgewertet werden.

 

Besonders prekär gestaltet sich hierbei auch die Situation der Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführer im schaffnerlosen 0:0-Betrieb. Sie sind angehalten, für Sicherheit und Ordnung im Zug zu sorgen, ohne jedoch über die gesetzlichen Kompetenzen eines Eisenbahnaufsichtsorgans zu verfügen.

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie folgende

 

 

ANFRAGE

 

1.     Gedenken Sie trotz dieser Probleme und Sicherheitsbedenken sowie der angeführten Anschläge in Zügen am schaffnerlosen 0:0-Betrieb festzuhalten?

2.     Wie viele Zwischenfälle und Übergriffe auf Fahrgäste im Zug wurden seit der Einführung des 0:0-Betriebes von den ÖBB bzw. vom BMVIT registriert?

3.     Wie viele Zwischenfälle und Übergriffe auf ÖBB-Personal im Zug (aufgeschlüsselt nach Zugbegleiter, Triebfahrzeugführer und sonstiges ÖBB Personal) wurden seit der Einführung des 0:0-Betriebes von den ÖBB bzw. vom BMVIT registriert?

4.     Welcher Prozentsatz des Fahrgastraums wird in der Baureihe „Cityjet“ überwacht?

5.     Warum wurde die Baureihe 4020 im Zuge der technischen Adaptierung für den 0:0-Betrieb nicht mit einer Videoüberwachungsanlage nachgerüstet?

6.     Warum wurde bislang auf die Ausstattung der Doppelstock-Waggons mit Videoüberwachung verzichtet?

7.     Die Aufzeichnung der Videoüberwachung in der Baureihe „Talent“ erfolgt digital; in welchem Format wird die Aufzeichnung auf der Festplatte abgelegt?

8.     Wird die Aufzeichnung verschlüsselt abgelegt?

9.     Welcher Personenkreis innerhalb der ÖBB (Anzahl, Geschäftsbereich) und des BMVIT hat Berechtigung, diese Festplatte auszubauen bzw. einzusehen?

10.  In wie vielen Fällen der letzten Jahre wurde den Ermittlern eine Festplatte gegen eine Übernahmebestätigung übergeben?

11.  In wie vielen Fällen der letzten Jahre wurde nach Entnahme der Festplatte festgestellt, dass sich die jeweils gegenständliche Videodatei aufgrund technischer Probleme nicht öffnen ließ?

12.  Wodurch kann sichergestellt werden, dass aufgezeichnete Videodateien in technisch einwandfreiem Zustand der Behörde übergeben werden können?