10915/J XXV. GP

Eingelangt am 23.11.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Ernennung von Ministersekretär zum Richter am Bundesverwaltungsgericht und allfällige Dienstzuteilung an das Ministerbüro

BEGRÜNDUNG

 

In der österreichischen Tageszeitung "Kurier" vom 19.10.2016 ist auf Seite 13 im Ressort Wirtschaft folgender Artikel erschienen:

Das Bundesversorgungsgericht

Verwaltungsrichter.Rekrutierung aus Ministerkabinetten / Richter ärgern sich über politnahe Bestellungen

Unter den Richtern des 2013 neu geschaffenen Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) gärt es heftig. Grund für den Unmut sind die Bestellungen der neuen Kolleginnen und Kollegen, die im September vom Ministerrat abgenickt wurden. "Da wurden Leute aus Ministerkabinetten und der Politik versorgt. Unser rot-schwarzes Präsidium hat sich das proporzmäßig ausgeschnapst, während gute Bewerber mit qualifizierter Berufserfahrung ausgebremst wurden", empören sich Richter gegenüber dem KURIER.

Das Interesse an den Richterjobs war groß, 350 Kandidaten hatten sich beworben. Ganz so daneben dürften die verärgerten Richter mit ihrer Kritik nicht liegen. Von 40 Bestellungen kommen vier direkt aus dem politischen Umfeld.

Etwa die ehemalige Justizministerin Karin Gastinger, früher FPÖ und dann BZÖ. Vor der Politik war sie in der Abteilung für Umweltschutzrecht in der Kärntner Landesregierung, zuletzt jobbte sie beim Berater PWC.

Mit 1. Jänner 2017 starten auch drei Mitarbeiter aus Ministerkabinetten. Tatjana Cardona und Ulrike Ruprecht werken derzeit noch im Kabinett von SPÖ-Kanzleramtsminister Thomas Drozda. Cardona kommt aus dem Kabinett von Drozdas Vorgänger Josef Ostermayer, Ruprecht war zuvor bei Ex-Staatssekretärin Sonja Steßl.


Aus dem Kabinett von ÖVP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter machte Stephan Wiener das Rennen. Auffallend auch, dass gleich drei leitende Mitarbeiter von ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner an das BVwG wechseln.

Gerichtspräsident Harald Perl hat sich selbst aus politischen Büros hinauf gearbeitet. Er jobbte für Franz Vranitzky und war später Kabinettschef von Viktor Klima. Sein präsidialer Vize Michael Sachs gilt als ÖVP-nahe.

Bereits zum Start des Gerichtes gab es den Vorwurf politischer Nähe. Damals wurden die Kabinettschefin von Gesundheitsminister Alois Stöger und die Vize-Kabinettschefin von Mitterlehner zu Richterinnen bestellt.

BVwG-Sprecherin Dagmar Strobel-Langpaul weist den Vorwurf politischer Postenbesetzungen zurück. Die Prüfung der Bewerber erfolge durch einen Personalsenat, "ein von der Vollversammlung der Richter des BVwG gewähltes Gremium". Dem Senat gehören Präsident und Vizepräsident sowie fünf Richter an. Das Gremium macht die Besetzungsvorschläge an den Ministerrat. Die Auswahl der Bewerber erfolge aufgrund ihrer Unterlagen und eines Hearings. Der breite Kreis der neuen Richter reiche von Rechtsanwälten bis zu Juristen aus Landesverwaltungen und Bezirkshauptmannschaften. Bewerber mit Verwaltungserfahrung hätten eine "gute Startposition". andrea.hodoschek

 


 „Kurier“ vom 19.10.2016, 17:56 ONLINE

Ressort: Politik / Inland

Neue Verwaltungsrichter: Karenzierung gleich zum Dienstantritt?

Christian Böhmer / Andrea Hodoschek 

 

Dass gleich vier der 40 neuen Kolleginnen und Kollegen am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) direkt aus dem politischen Umfeld kommen, sorgt unter den Richtern für ziemlichen Unmut. Jetzt stellt sich heraus, dass es noch gar nicht sicher ist, ob tatsächlich alle neuen Richter am 1. Jänner 2017 ihren Dienst antreten werden.

Insider meinen, dass zwei der bereits bestellten Richter um Karenzierung ansuchen könnten: Ulrike Ruprecht aus dem Kabinett von SPÖ-Kanzleramtsminister Thomas Drozda und Stephan Wiener aus dem Büro von ÖVP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Die Spekulation im Hintergrund: Für den Fall, dass die Chefs nach der voraussichtlich 2017 stattfindenden Nationalratswahl nicht mehr im Minister-Amt bleiben, hätten die Kabinetts-Mitarbeiter auf alle Fälle den sicheren Richter-Job in der Hinterhand. Was in den Ministerien natürlich heftig dementiert wird.

Durchgefallen

Weder Ruprecht noch Wiener haben bis dato allerdings einen Antrag auf Karenzierung gestellt. Ob Ruprecht ansuchen wird, ist derzeit noch offen. Wie zu hören ist, möchte die im Kabinett für Asyl-Themen zuständige Juristin gerne an das 2013 neu geschaffene Bundesverwaltungsgericht wechseln. Sie hatte sich bereits einmal beworben, fiel aber durch, weil der Personalsenat des BvWG das Gerichtsjahr nicht zu den vorgeschriebenen fünf Jahren an juristischer Diensterfahrung rechnete. Andererseits hört man aus dem Ministerium, Drozda wolle auf die Expertise seiner Mitarbeiterin nicht verzichten.

Im Fall des Kollegen Wiener erklärt eine Sprecherin von Minister Rupprechter, eine Karenzierung "sei nicht geplant". Im Amtsdeutsch spricht man nicht von Karenzierung, sondern von Dienstzuteilung. Darüber entscheidet derselbe Personalsenat, der die 350 Bewerber geprüft hat und dem Ministerrat die Besetzungsvorschläge präsentierte. Dem Gremium gehören das rot-schwarz ausbalancierte Gerichtspräsidium sowie fünf Richter an.

In Richterkreisen wird dem Senat wie berichtet vorgeworfen, die Kandidaten nach parteipolitischen Überlegungen auszuwählen. Mit starkem Überhang in Richtung des schwarzen Cartellverbandes (CV).

Am BVwG wird jedenfalls fix damit gerechnet, dass die beiden neuen Richter pünktlich mit Jahresbeginn 2017 erscheinen. Der Geschäftsverteilungsausschuss hat die Zuständigkeiten für alle insgesamt 220 Richter bereits genau festgelegt, die Akten sind schon zugeteilt.

(kurier)  Erstellt am 19.10.2016, 17:56

 

Art 134 Abs 3 B-VG macht zur Besetzung  des Bundesverwaltungsgerichts folgende Vorgaben:

„Den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die sonstigen Mitglieder der Verwaltungsgerichte des Bundes ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung; diese hat, soweit es sich nicht um die Stelle des Präsidenten oder des Vizepräsidenten handelt, Dreiervorschläge der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtes oder eines aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschusses, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und mindestens fünf sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes des Bundes zu bestehen hat, einzuholen. Die Mitglieder des Verwaltungsgerichtes des Bundes müssen das Studium der Rechtswissenschaften oder die rechts- und staatswissenschaftlichen Studien abgeschlossen haben und über eine fünfjährige juristische Berufserfahrung verfügen..“

Gemäß § 2 Abs 4 BundesverwaltungsgerichtsG hat die Bundesregierung Dreiervorschläge des Personalsenats einzuholen. Gemäß § 10 besteht der Personalsenat aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und fünf von der Vollversammlung aus ihrer Mitte gewählten Mitgliedern.

Über den budgetären Rahmen des Bundesverwaltungsgerichts (Anzahl der RichterInnen und des sonstigen Personals, Räumlichkeiten, EDV, etc) entscheidet zunächst das ressortzuständige Regierungsmitglied bzw die Regierung und in weiterer Folge im Wege des BundesfinanzG der Nationalrat.


So beschloss der Ministerrat am 26. April 2016 eine personelle Aufstockung des BVwG und die notwendige räumliche Erweiterung:60 Planstellen am 1.9.2016 und 60 Planstellen ab 1.1.2017.

Der Ministerratsvortrag vom 5.9.2016 (GZ BKA-124.070/0040-I/2/2016)  begründete die Besetzung von 40 RichterInnen-Planstellen mit der „steigenden Anzahl an Beschwerdeverfahren, insbesondere im Bereich marktordnungsgesetzlicher Verfahren sowie im Asyl- und Fremdenrechtsbereich“. Insgesamt sind somit für das Jahr 2017 218 Richterplanstellen vorgesehen. Aufgrund des hohen Beschwerdeanfalls kommt es auf jede Planstelle an.

Um die notwendige Unabhängigkeit der RichterInnen an den Verwaltungsgerichten zu gewährleisten, beschloss der Verfassungsgesetzgeber mit Art 134 Abs 5 B-VG folgende Unvereinbarkeitsregelung:

„Den Verwaltungsgerichten und dem Verwaltungsgerichtshof können Mitglieder der Bundesregierung, einer Landesregierung, des Nationalrates, des Bundesrates, eines Landtages oder des Europäischen Parlaments nicht angehören, dem Verwaltungsgerichtshof ferner Mitglieder eines sonstigen allgemeinen Vertretungskörpers; für Mitglieder eines allgemeinen Vertretungskörpers oder des Europäischen Parlaments, die auf eine bestimmte Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode gewählt wurden, dauert die Unvereinbarkeit auch bei vorzeitigem Verzicht auf das Mandat bis zum Ablauf der Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode fort.“

Es ist schon verwunderlich, dass gleich drei Personen aus den Ministerkabinetten von der Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Ernennung für das Bundesverwaltungsgericht vorgeschlagen wurden, noch verwunderlicher ist es, dass zwei Personen wieder weiter in den Kabinetten arbeiten sollen. Diese Politiknähe würde das Unabhängigkeitspostulat verletzen und zu Verlust von Arbeitsressourcen führen, da Richterstellen unbesetzt bleiben würden. Auch der Dachverband der österr. VerwaltungsrichterInnen ist der Auffassung, dass eine Weiterbeschäftigung ernannter RichterInnen in einem Ministerbüro „- im Hinblick auf mögliche Unvereinbarkeiten –„ „sehr kritisch zu betrachten“ wäre[1].

Ministersekretären und –sekretärinnen ist nicht vorab die Eignung abzusprechen[2] allerdings besteht ein größerer Legitimations- und Transparenzbedarf, welche besseren Qualifikationen gegenüber anderen MitbewerberInnen gegeben waren. Für das Bundesverwaltungsgericht sind insbesondere verfahrensrechtliche Praxis im Verwaltungs- oder Gerichtsbereich, alternativ oder ergänzend rechtswissenschaftliche Expertise und Erfahrung sowie Kenntnis der im BVwG relevanten Fachmaterien zu fordern.


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

  1. Hat jener Mitarbeiter, der aus Ihrem Kabinett kommt, um Karenzierung von seiner Tätigkeit als frisch bestellter Richter des Bundesverwaltungsgerichts (andere Dienstzuteilung) angesucht bzw. zu einem späteren Zeitpunkt so einen Antrag wieder zurückgezogen bzw haben Sie als anfordernde Dienststelle ein solchen Antrag an das Bundesverwaltungsgericht gerichtet?
  2. Wenn ja, (für) welchen Mitarbeiter und warum?
  3. Wie lange erfolgt die Karenzierung (andere Dienstzuteilung)?
  4. War Ihnen bekannt, dass sich ein Mitarbeiter Ihres Kabinetts für eine Stelle beim Bundesverwaltungsgericht bewirbt, um sich nach der Bestellung wiederum für die Kabinettsarbeit karenzieren/dienstzuteilen zu lassen bzw war ein solcher Dienstzuteilungsantrag mit Ihnen vereinbart?
  5. Haben Sie mit VerteterInnen des Koalitionspartners oder Entscheidungsträgern ihrer eigenen Partei Gespräche geführt, die Fragen der Besetzung von RichterInnenstellen beim Bundesverwaltungsgericht zum Inhalt hatten?
  6. Wenn ja, mit wem, was war der Inhalt und haben Sie bei diesen für Ihren Kabinettsmitarbeiter interveniert, damit sich seine Chancen beim Besetzungsprozess beim  Bundesverwaltungsgericht erhöhen?
  7. Haben Sie mit dem Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts, dem Vizepräsidenten oder den Mitgliedern des Personalsenats des Bundesverwaltungsgerichts Gespräche geführt, die Fragen der Besetzung von RichterInnenstellen beim Bundesverwaltungsgericht zum Inhalt hatten?
  8.  Wenn, ja mit wem, was war der Inhalt bzw. haben Sie bei diesen für Ihren Kabinettsmitarbeiter interveniert, damit sich seine Chancen im Besetzungsprozess beim  Bundesverwaltungsgericht erhöhen?
  9. Haben leitende BeamtInnen oder Kabinettsmitglieder Gespräche mit dem Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts, dem Vizepräsidenten oder den Mitgliedern des Personalsenats des Bundesverwaltungsgerichts geführt, die Fragen der Besetzung von RichterInnenstellen beim Bundesverwaltungsgericht zum Inhalt hatten?
  10. Wenn ja, mit wem,  was war der Inhalt bzw. haben diese für Ihren Kabinettsmitarbeiter interveniert, damit sich seine Chancen im Besetzungsprozess beim  Bundesverwaltungsgericht erhöhen?


[1] Siehe Stellungnahme vom 4. 11. 2016: http://www.verwaltungsrichter.at/

[2] Siehe so schon Anfrage der Abg Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Richterbestellungen für das Bundesverwaltungsgericht aus dem Jahre 2013:

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/J/J_15832/imfname_319542.pdf