11159/J XXV. GP

Eingelangt am 15.12.2016
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

betreffend Gesundheitsreform: Das wollen die Patienten

 

Gesundheitsreform: Das wollen die Patienten

 

Utl.: Politik agiert an Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei =

 

Wien (OTS) - „Wir Ärzte wissen, wo der Schuh drückt, und kennen nicht nur die Notwendigkeiten der Medizin sondern auch die Bedürfnisse der Bevölkerung“, untermauert Artur Wechselberger, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), im Zuge eines Pressegesprächs am Dienstag neuerlich die Forderung der österreichischen Ärztevertretung nach mehr Mitsprache bei den Reformprozessen im Gesundheitswesen. „Es ist den Einsatz wert, geschlossen gegen die geplante gesundheitspolitische Entwicklung aufzutreten“, sieht sich der Kammerpräsident durch das jüngste Befragungsergebnis zur gesundheitspolitischen Entwicklung in Österreich bestätigt.

 

Im Zuge der Informationskampagne „Gesundheit! Weniger ist NICHT mehr“ wurde ein Forderungsprogramm der Ärzteschaft ausgearbeitet, das den Wünschen der Bevölkerung entspricht:

 

• Keine weiteren Einsparungen!

• Ein breites wohnortnahes Angebot und individuelle Wahlmöglichkeiten statt einheitlicher Staatsmedizin!

• Das, was im Gesundheitssystem gut funktioniert, endlich ausbauen und weiterentwickeln!

 

Vor dem Hintergrund der aktuellen „Gesundheitsreform“ und den damit verbundenen Auswirkungen ließ die ÖÄK Patientinnen und Patienten befragen. Im Mittelpunkt des Interesses standen unter anderem die Zufriedenheit mit dem Gesundheitswesen, Sorgen und Vorstellungen der Patientinnen und Patienten im Hinblick auf die Zukunft, aber auch Detailaspekte wie die Wichtigkeit des Hausarztes oder der freien Arztwahl.

 

Zwtl.: Hohe Zufriedenheit, aber Sorge über künftige Entwicklungen


 „Die Befragung zeigt eines ganz klar: Die Österreicherinnen und Österreicher sind mit dem Status Quo des heimischen Gesundheitssystems eher oder sehr zufrieden. Mit insgesamt 81 Prozent Zustimmung ist die Zufriedenheit sehr hoch. Gleichzeitig gilt es aber, jene 19 Prozent, die nicht zufrieden oder unsicher sind, abzuholen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen“, fasste ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger die Ergebnisse zusammen.

 

Gleichzeitig hätte aber auch mehr als die Hälfte der Befragten Sorge über die Entwicklungen im Gesundheitswesen geäußert, so Wechselberger weiter: „Das sollte uns allen zu denken geben. Wenn 51 Prozent glauben, dass sich das System in die falsche Richtung entwickelt, dann muss man das ernst nehmen, erst recht, wenn lediglich ein Drittel der Befragten die aktuellen Entwicklungen als richtig einstuft.“

 

Ein Großteil der Befragten mache sich vor allem Sorgen um die Zukunft und befürchte starke Einsparungen sowie Leistungskürzungen, so der ÖÄK-Präsident weiter. Diese würden mit der Umsetzung der Art. 15a-Vereinbarungen langfristig auch Realität werden. Wechselberger: „Dann muss die Bevölkerung mit einer Verknappung des Angebots und einem erschwerten Zugang zur Versorgung rechnen. Das reicht von Leistungseinschränkungen in vielen Krankenhäusern, Verlängerung von Wartezeiten und Wegstrecken bis hin zum Aussterben des klassischen Hausarztes vor allem in der Peripherie.“

 

Die Stärkung der Primärversorgung sei zwar grundsätzlich begrüßenswert, auch die engere Kooperation verschiedener Fachbereiche bzw. der Ärzteschaft mit anderen Gesundheitsberufen könne für die Patienten positiv sein. Aber: „Zusammenarbeit darf nicht Zentralisierung und Ersatz von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten durch Ambulatorien bedeuten. Vor allem kleinere Gemeinden könnten sonst langfristig auf der Strecke bleiben“, betonte Wechselberger.

 

 

Zwtl.: Wichtig: Hausarzt und Wohnortnähe

 

Abgefragt wurden auch Details rund um den Haus- und Facharzt, ergänzte Studienleiter Peter Hajek. „Für 75 Prozent der Patienten ist die freie Arztwahl besonders wichtig. Insgesamt gaben 68 Prozent an, nach Möglichkeit immer zum selben Arzt gehen zu wollen“, führte Hajek aus. Die Wohnortnähe war zwei Drittel der Befragten wichtig; ebenso viele gaben den Hausarzt als erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen an.

 

Was die Gruppenpraxen von Fachärzten betreffe, gebe es von 45 Prozent der Befragten Zustimmung. Hajek: „Sie sehen den Vorteil darin, nicht mehr von Pontius zu Pilatus laufen zu müssen, sondern alles unter einem Dach zu haben.“

 

Zwtl.: Verständnis für Protest der Ärzte, hohes Vertrauen

 

Auch die geplanten Protestmaßnahmen der Ärzteschaft waren Thema der Befragung. „Die Zustimmung ist überraschend hoch“, sagte ÖÄK-Präsident Wechselberger. 66 Prozent hätten angegeben, für die geplanten Maßnahmen Verständnis zu haben. Die Frage, ob für weitere Proteste ebenfalls Verständnis vorhanden sei, hätten immerhin noch 54 Prozent positiv beantwortet. Wechselberger: „Das gibt uns natürlich Rückenwind, wenn wir wissen: Zwei Drittel der Bevölkerung stehen hinter uns und unseren Anliegen, sie verstehen, warum wir protestieren und uns gegen die Reform in der geplanten Form aussprechen.“ Auch der Umstand, dass 86 Prozent der Befragten Vertrauen in die Ärztinnen und Ärzte setzten, sei überaus erfreulich und positiv zu werten. Und selbst die Ärztekammer genießt mit 53 Prozent noch deutlich mehr Vertrauen als andere Institutionen. Nur eine Minderheit vertraut den politischen Akteuren in der Bundesregierung oder in den Krankenkassen, zeigte Wechselberger auf.

 

Zwtl.: Daten und Fakten

 

- Zwischen Ende November und Anfang Dezember 2016 wurden insgesamt 1.000 Österreicherinnen und Österreicher ab 16 Jahren befragt. Die Befragung erfolgte telefonisch und online.

 

- 22 Prozent gaben an, mit dem österreichischen Gesundheitssystem sehr zufrieden zu sein, 59 Prozent sind „eher zufrieden“. Die Zufriedenheit ist also mit insgesamt 81 Prozent sehr hoch.

 

- Gleichzeitig glauben 51 Prozent der Befragten, dass sich das System in die falsche Richtung entwickelt. Nur 34 Prozent sehen eine richtige Entwicklung.

 

- Insgesamt machen sich 69 Prozent Sorgen, dass es in Zukunft zu starken Einsparungen und Leistungskürzungen kommen könnte.

 

- Der Hausarzt wird am öftesten aufgesucht: 78 Prozent gaben an, im vergangenen Halbjahr beim praktischen Arzt gewesen zu sein.

 

- Für 75 Prozent ist es sehr wichtig, den Haus- bzw. Facharzt selbst aussuchen zu können. Nach Möglichkeit möchten 68 Prozent immer vom selben Arzt behandelt bzw. untersucht werden.

 

- Auch die Wohnortnähe ist 60 Prozent sehr wichtig, weiteren 30 Prozent immerhin noch wichtig, der Hausarzt ist die erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen.

 

- Zustimmung zu Gruppenpraxen mit unterschiedlichen Fachärzten gab es von 45 Prozent der Befragten. Sie sehen den Vorteil darin, nicht „von Pontius zu Pilatus“ laufen zu müssen.

 

- Überraschend hoch ist die Zustimmung zu den geplanten Protestmaßnahmen der Ärzteschaft: Insgesamt zeigten 66 Prozent Verständnis; 54 Prozent hätten auch Verständnis für weitere Protestmaßnahmen.

 

- Abgefragt wurde weiters das Vertrauen in Akteure in der Gesundheitspolitik. Am meisten Vertrauen haben die Patientinnen und Patienten dabei in die Ärzteschaft selbst (86 Prozent), am wenigsten in die Bundesregierung (27 Prozent).


In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen folgende

 

Anfrage

 

1.    Wie beurteilen Sie das Ergebnis der Zufriedenheit mit dem österreichischen Gesundheitssystem durch die Patienten?

2.    Wie beurteilen Sie die Überzeugung der Patienten, dass das Gesundheitssystem in die falsche Richtung geht?

3.    Wie beurteilen Sie die Einschätzung der Patienten, dass es in Zukunft zu starken Einsparungen und Leistungskürzungen kommen wird?

4.    Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass 78 Prozent im letzten Halbjahr den Hausarzt bei Gesundheitsproblemen konsultiert haben?

5.    Wie beurteilen Sie die Haltung der Patienten, dass es für sie zu 75 Prozent sehr wichtig ist, sich den Haus- und Facharzt selbst aussuchen zu können?

6.    Wie beurteilen Sie die Haltung der Patienten, dass es für sie zu 68 Prozent sehr wichtig ist, nach Möglichkeit immer vom selben Arzt behandelt bzw. untersucht zu werden?

7.    Wie beurteilen Sie die Meinung der Patienten, dass sie zu 45 Prozent Gruppenpraxen mit unterschiedlichen Fachärzten zustimmen?

8.    Wie beurteilen Sie die Überzeugung der Patienten, dass sie zu 66 Prozent den Protestmaßnahmen der Ärzte zustimmen?

9.    Wie beurteilen Sie die Meinung der Patienten, dass sie zu 86 Prozent den Ärzten als Akteure in der Gesundheitspolitik Vertrauen schenken, aber nur zu 27 Prozent der Bundesregierung?