11443/J XXV. GP

Eingelangt am 20.01.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend politische Interventionen im Strafverfahren 25 St 252/14p

BEGRÜNDUNG

 

Im "Kurier" vom 13.01.2017 ist auf Seite 17 folgender Zeitungsbericht erschienen:

 

„‘Wir sehen uns in einem Psychothriller‘

Vier Kinder klagen an. Arzt und Politiker-Bruder soll sie süchtig gemacht und gequält haben / Sorge um Interventionen

von Ricardo Peyerl

Als Sabine L. (alle Vornamen zum Schutz geändert) 18 Jahre alt war, rammte sich ihr Vater absichtlich einen Schraubenzieher in den Bauch. Er machte selbst Fotos davon, dann verlangte er von seiner Tochter, sie soll das Werkzeug aus seiner Bauchdecke ziehen. Sabine weigerte sich - und bekam ein Mal mehr zu hören, "wie dumm und hässlich und fett ich bin. Das hat mein Selbstwertgefühl ruiniert", erzählt die heute 26-jährige Studentin dem KURIER.

Ab heute, Freitag, wird dem Vater im Landesgericht Graz - nach Interventionsversuchen reichlich verspätet - der Prozess wegen des Verbrechens des Quälens Unmündiger mit schweren Dauerfolgen sowie Suchtgift-Missbrauchs gemacht. Zumindest zwei seiner Töchter soll Dr. L. drogenabhängig gemacht haben, indem er ihnen Morphium spritzte, starke Medikamente in hohen Dosierungen verabreichte und Suchtgift (Cannabiskraut) überließ. Wobei man sich auf der Zunge zergehen lassen muss, dass der 54-Jährige Arzt ist. Er war noch dazu der Hausarzt seiner Kinder.

Pistole am Kopf

Die Sache mit dem Schraubenzieher hatte der Vater damals von seiner Tochter Susanne erledigen lassen. Sie sei dergleichen schon gewohnt gewesen. Im Alter von vier Jahren habe sie mitansehen müssen, wie sich ihr Vater eine Pistole an die Schläfe hielt und erklärte: "Ich geh mich jetzt daschießen."

Und die dritte Tochter Maria erinnert sich, wie sich der Vater vor ihren Augen mit dem Kopf in eine aus Seilen gebundenen Schlinge fallen ließ: "Er war schon ganz rot", als sie ihn befreite.

So soll es im Haus Dr. L. in der Steiermark mit insgesamt vier Kindern zugegangen sein. Der Vater ließ sie alle im Volksschulalter Zigaretten (und sogar Zigarren) rauchen, weil er in einer Studie gelesen hatte, dass das im kindlichen Gehirn negativ abgespeichert wird und zum Nichtraucher "erzieht". Muss man erwähnen, dass der Plan nicht aufgegangen ist?

Die heute 23-jährige Susanne erzählt, dass ihr der Vater erstmals mit 12 Jahren Morphium gegen ihre Regelschmerzen gegeben habe. Mit 15 soll sie Schlafmittel erhalten haben, "von denen ich Halluzinationen bekommen habe. So kann ich mich erinnern, dass ich das Gefühl hatte, dass ein Feuerwerk passiert, Fäden herunterkommen, ich nach diesen Fäden greife ..." Mit 16 habe er ihr Injektionen verabreicht. Der Vater habe gesagt, "dass es mir gefallen wird."

Auch Maria, heute 25, soll im Alter von 16 Jahren medikamentenabhängig gemacht worden sein. "So schnell konnte ich gar nicht schauen, und ich war abhängig."

Todesangst

Die vier Kinder haben sich entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen, weil sie sagen: "Wir haben Todesangst vor unserem Vater. Wir sehen uns in einem Psychothriller." Und weil sie befürchten, dass das wahre Ausmaß des Falles unter den Teppich gekehrt wird.

Der Bruder ihres Vaters ist nämlich Politiker. Dass die Sorge vor Interventionen nicht unbegründet ist, zeigt der Brief eines als Sachverständigen beauftragten Gerichtspsychiaters an die Staatsanwaltschaft. Darin bittet der Gutachter Manfred Walzl um Enthebung, weil es "zu einer ganzen Reihe von Interventionsversuchen durch Kollegen, aber auch Politiker" gekommen sei.

Wo war eigentlich die Mutter der Kinder? "Meine Aufgabe während der Ehe war, dass er sich nicht umbringt", sagt sie. Damit habe er vor den Kindern ständig gedroht (und droht noch heute damit). "Und ich dachte damals, er ist der bessere Elternteil. Er kann sehr gut manipulieren." Nach "Horrorjahren" ließ sie sich scheiden, "und da fingen die Kinder ohne Ende zu erzählen an. Ich bin viel gewohnt, aber das waren Sachen außerhalb der Welt."

Bei Behörden und Gerichten wurde abgewiegelt, der Arzt - der alle Vorwürfe von sich weist - ist gut vernetzt. Jetzt stehen bis zu fünf Jahre Haft auf dem Spiel. Wobei das nur der Auftakt sein kann, da kommt noch viel mehr. Seine angeblichen Allmachtsfantasien, sein Interesse für Sprengstoff und ein Gewehr mit großer Wirkung ...“

 

Im "Kurier" vom 18.01.2017 ist zudem folgender Zeitungsbericht erschienen:

 

„Arzt vor Gericht: Justiz ermittelt wegen Polit-Interventionen

Kriminalfall: Nun wurde Verfahren wegen versuchter Beeinflussung eines Sachverständigen gestartet.

Ricardo Peyerl

Der Fall des steirischen Arztes Dr. Eduard Lopatka, der seine Kinder gequält und medikamenten- bzw. drogenabhängig gemacht haben soll, schlägt weiter Wellen. Und er bekommt auch eine politische Schlagseite. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Graz wegen versuchter Beeinflussung eines Gerichtsgutachters nach Interventionsversuchen.

Todesangst

Die Ex-Ehefrau und die vier inzwischen erwachsenen Kinder des Arztes wandten sich via KURIER an die Öffentlichkeit, weil sie Todesangst vor ihrem Vater haben. Und weil sie befürchteten, dass das wahre Ausmaß des Falles unter den Teppich gekehrt wird. Der als Sachverständiger beauftragte Psychiater Manfred Walzl hatte die Erstellung eines Gutachtens mit der Begründung abgelehnt, er sei – auch politischen – Interventionen ausgesetzt gewesen.

Die Familie von Dr. Eduard Lopatka recherchierte auf eigene Faust, von wem die versuchte Einflussnahme auf den Gutachter ausgegangen sein könnte und nannte der Staatsanwaltschaft jetzt eine Kommunalpolitikerin und einen ehemaligen Landtagsabgeordneten. Laut Ö1 Mittagsjournal wird ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Anstiftung des Sachverständigen zur falschen Beurkundung geführt, die genannten Politiker würden aber eine Intervention bestreiten. Der Arzt selbst sagt laut ORF, auch sein Bruder – ein Politiker – habe seines Wissens nicht interveniert.

Der Prozess gegen Eduard Lopatka wegen Quälens seiner damals noch unmündigen Kinder wurde am vergangenen Freitag unterbrochen. Der Arzt, er war auch Hausarzt der Kinder, hatte wiederholt damit gedroht, sich umzubringen. Er verstümmelte sich selbst und ließ die Kinder dabei zuschauen, er ließ sie im Volksschulalter rauchen (angeblich damit sie diese negative Erfahrung abspeichern können), zwei Töchter soll er in die Drogensucht getrieben haben.

Der Richter hält das alles für "nicht ganz gesund" und lässt über den Beschuldigten nun ein psychiatrischen Gutachten erstellen.

Zu den Akten gelegt ist einstweilen noch ein mysteriöser Todesfall in Lopatkas Nachbarschaft. Der Arzt hatte ein intimes Verhältnis mit einer Schulkollegin seiner Töchter begonnen, deren Vater wollte das beenden und wurde mit einem Kopfschuss aufgefunden. Er soll – mit einer Waffe, die zuvor Lopatka gehört hatte – Suizid begangen haben, obwohl er zu dem Zeitpunkt beide Arme wegen Verletzungen nicht hatte gebrauchen können.

Die Tochter des Toten, die sich mittlerweile von Lopatka getrennt hatte, ist überzeugt, dass der Vater nicht Suizid begangen habe. Sie zeigte ihren Ex-Liebhaber wegen Vergewaltigung und Drohung an, dieses Verfahren wurde inzwischen eingestellt.

Neffe als Zeuge?

Nun nährt aber auch der Neffe von Lopatka Zweifel an der Suizidtheorie: Auf Facebook lässt er sich darüber aus, was der Onkel mit seiner Ex-Geliebten angestellt habe und dass deren Vater mit der Waffe seines Onkels erschossen in seiner Wohnung aufgefunden wurde. Angeblich hat der Neffe Beobachtungen gemacht, welche er der Staatsanwaltschaft Graz übermittelt haben soll.“

 

In beiden Artikeln wird die versuchte politische Einflussnahme gegenüber einem gerichtlich bestellten Sachverständigen thematisiert. Das ist eine Grenzüberschreitung gegenüber der Justiz, die inakzeptabel ist und unseren Rechtsstaat in schweren Verruf bringen kann. Geklärt werden soll, welche Schritte die Justiz unternommen hat, um die versuchte Beeinflussung aufzuklären und gegebenenfalls zu verfolgen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Bestand im angesprochenen Ermittlungsverfahren (25 St 252/14p) eine Berichtspflicht?

2.    Wenn ja, wann wurde an welche Stelle jeweils berichtet?

3.    Gab es im Zusammenhang mit diesem Verfahren Dienstbesprechungen gemäß §§ 29 Abs 2 und/oder 29 Abs 2a StAG?

4.    Wenn ja, wer hat an diesen Besprechungen teilgenommen?

5.    Was war Thema der Dienstbesprechungen?

6.    Hat es in diesem Verfahren staatsanwaltschaftliche Weisungen gegeben?

7.    Wenn ja von welcher Stelle, mit welchem Inhalt?

8.    Hat es in diesem Verfahren Nachfragen oder sonstige Kontaktaufnahmen von Personen außerhalb der justizinternen Weisungskette mit der Staatsanwaltschaft Graz gegeben?

9.    Wenn ja, von wem mit welchem Ziel?

10. Hat es in diesem Verfahren politische Interventionen bei der Staatsanwaltschaft Graz gegeben?

11. Wenn ja, wer hat mit welchem Ziel interveniert?

12. Hat es in diesem Verfahren Nachfragen oder sonstige Kontaktaufnahmen informeller Natur bei Ihnen als Justizminister und oberste Weisungsspitze der Staatsanwaltschaft gegeben?

13. Wenn ja, von wem?

14. Was war Inhalt und Ziel der Nachfrage?

15. Wie war Ihre Reaktion auf diese Nachfrage?

16. Hat es in diesem Verfahren politische Interventionen bei Ihnen als Justizminister und oberste Weisungsspitze der Staatsanwaltschaft gegeben?

17. Wenn ja, von wem und mit welchem Ziel?

18. Ist es richtig, dass ein bestellter gerichtlicher Sachverständiger die Zurücklegung seines gerichtlichen Auftrags mit Interventionen von Politikern und FachkollegInnen begründet hat?

19. Wie wurde seitens der Staatsanwaltschaft mit dieser Information umgegangen?

20. Wurde unmittelbar nach Bekanntwerden der Mitteilung des Sachverständigen durch die Staatsanwaltschaft von Amts wegen ein Strafverfahren wegen versuchter Bestimmung zur falschen Beweisaussage oder anderer Strafbestimmungen eingeleitet?

21. Wenn nein, warum nicht?

22. Wenn ja, wann?

23. Wurde ein Strafverfahren auf Grund einer Anzeige oder Sachverhaltsdarstellung Dritter eingeleitet?

24. Welche Maßnahmen wurden von Seiten der zuständigen Staatsanwaltschaft unternommen, um mögliche Bestimmungstäter auszuforschen?

25. Ist der Staatsanwaltschaft bereits bekannt, wer bei besagtem Sachverständigen interveniert hat?

26. Gegen welche Beschuldigten wird nach welchen Strafbestimmungen derzeit in diesem Zusammenhang ermittelt?

27. Wie ist der Stand dieses Verfahrens?

28. Im Falle einer Einstellung: Warum wurde das Verfahren eingestellt?