11445/J XXV. GP
Eingelangt am 23.01.2017
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ANFRAGE
der Abgeordneten Ing. Lugar,
Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend „Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)“
Dr. Peter Kastner, stellvertretender Geschäftsbereichsleiter in der Volksanwaltschaft, berichtete in einem im Juni 2016 erschienen Artikel von den Rechten inhaftierter Personen:
„Gliedstaatsverträge richten sich an die Vertragsparteien. Sie sind zur Umsetzung und Einhaltung des Vereinbarten verpflichtet. Subjektive Rechte des Einzelnen sind aus ihnen ebenso wenig abzuleiten wie korrespondierend dazu durchsetzbare Ansprüche gegen Bund oder Länder. Dementsprechend harsch fiel denn auch die Kritik im Fachschrifttum aus. Die Patientencharta habe nicht mehr als eine „politische Signalwirkung". Sie diene der „Beruhigung des Laienpublikums" und erfülle nur mediale Erwartungshaltungen. Das Bundesgesetzblatt dürfe nicht zum „Infofolder" verkommen und als „Werbeprospekt der Politik" zweckentfremdet werden.“[1]
Und weiter heißt es:
„Die Patientencharta nimmt von ihrem Geltungsbereich Personen, die sich in Untersuchungs- oder Strafhaft befinden, nicht aus. Das wäre auch aus gleichheitsrechtlichen Gründen weder wünschenswert noch hinnehmbar. Demnach ist Träger von Patientenrechten „jede Person, die Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens in Anspruch nimmt oder ihrer auf Grund ihres Gesundheitszustandes bedarf (Art 1 Abs 2).“[2]
Die im Jahr 2002 in Kraft getretene Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) definiert ihre Zielsetzung folgendermaßen:
Artikel 1
(1) Die Vertragsparteien verpflichten sich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit in Gesetzgebung und Vollziehung dafür zu sorgen, dass die folgenden Patientenrechte sichergestellt sind.
(2) Träger von Patientenrechten im Sinne dieser Vereinbarung ist jede Person, die Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens in Anspruch nimmt oder ihrer auf Grund ihres Gesundheitszustandes bedarf.
(3) Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens werden durch freiberuflich tätige Angehörige der Gesundheitsberufe und Einrichtungen erbracht, die der Erhaltung und dem Schutz der Gesundheit, der Feststellung des Gesundheitszustandes, der Behandlung von Krankheiten, der Vornahme operativer Eingriffe, der Geburtshilfe sowie der Pflege und Betreuung von Kranken und Genesenden dienen.
Abschnitt 4
Recht auf Selbstbestimmung und Information
Artikel 16
(1) Patienten und Patientinnen haben das Recht, im Vorhinein über mögliche Diagnose- und Behandlungsarten sowie deren Risken und Folgen aufgeklärt zu werden. Sie haben das Recht auf Aufklärung über ihren Gesundheitszustand, weiters sind sie über ihre erforderliche Mitwirkung bei der Behandlung sowie eine therapieunterstützende Lebensführung aufzuklären.
(2) Die Art der Aufklärung hat der Persönlichkeitsstruktur und dem Bildungsstand der Patienten und Patientinnen angepasst und den Umständen des Falles entsprechend zu erfolgen.
(3) Ist eine Behandlung dringend geboten und würde nach den besonderen Umständen des Einzelfalles durch eine umfassende Aufklärung das Wohl des Patienten oder der Patientin gefährdet werden, so hat sich der Umfang der Aufklärung am Wohl des Patienten oder der Patientin zu orientieren.
(4) Auf die Aufklärung kann von den Patienten und Patientinnen verzichtet werden; sie dürfen zu einem Verzicht nicht beeinflusst werden.
(5) Patienten und Patientinnen sind im Vorhinein über die sie voraussichtlich treffenden Kosten zu informieren.
Artikel 19
(1) Das Recht der Patienten und Patientinnen auf Einsichtnahme in die über sie geführte Dokumentation der diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen einschließlich allfälliger Beilagen, wie Röntgenbilder, ist sicherzustellen.
(2) Einschränkungen sind nur insoweit zulässig, als sie auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles zum Wohl des Patienten oder der Patientin unvermeidlich sind. Einem Vertreter des Patienten oder der Patientin kommt auch in einem solchen Fall ein uneingeschränktes Einsichtsrecht zu, sofern der Patient oder die Patientin dies nicht ausgeschlossen hat.
Abschnitt 7
Vertretung von Patienteninteressen
Artikel 29
(1) Zur Vertretung von Patienteninteressen sind unabhängige Patientenvertretungen einzurichten und mit den notwendigen Personal- und Sacherfordernissen auszustatten. Die unabhängigen Patientenvertretungen sind bei ihrer Tätigkeit weisungsfrei zu stellen und zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Es ist ihnen die Behandlung von Beschwerden von Patienten und Patientinnen und Angehörigen, die Aufklärung von Mängeln und Missständen und die Erteilung von Auskünften zu übertragen. Patientenvertretungen können Empfehlungen abgeben.
(2) Die unabhängigen Patientenvertretungen haben mit Patientenselbsthilfegruppen, die Patienteninteressen wahrnehmen, die Zusammenarbeit zu suchen.
(3) Patienten und Patientinnen haben das Recht auf Prüfung ihrer Beschwerden und auf Vertretung ihrer Interessen durch die unabhängigen Patientenvertretungen. Sie sind vom Ergebnis der Überprüfung zu informieren. Die Inanspruchnahme der Patientenvertretungen ist für die Patienten und Patientinnen mit keinen Kosten verbunden.
Kastner führt weiter aus:
„Echte Vertretungsmacht haben demgegenüber jene Personen, die sich um psychisch Kranke kümmern, die ohne ihr Verlangen, meist gegen ihren Willen, auf einer psychiatrischen Abteilung einer Krankenanstalt aufgenommen wurden und dort angehalten werden. (…)
Die Patientenanwälte fungieren als gesetzliche Vertreter jener Kranken, die ohne oder gegen ihren Willen eingewiesen wurden oder während der Dauer ihres Aufenthalts Zwang unterworfen werden. (...)
Das Attest über die Erstuntersuchung erhalten die Patientenanwälte automatisch mit der Verständigung von der Aufnahme eines neu eingewiesenen Patienten. Darüber hinaus können sie jederzeit in die Krankengeschichte Einsicht nehmen und sich Auszüge daraus erstellen lassen. Auf Verlangen ist ihnen das Parère vorzulegen. Zudem machen sie sich ein Bild, wie es sich aus den Daten der Aufnahmeuntersuchung, aus dem Medikamentenblatt und der Pflegedokumentation ergibt.
Sodann suchen sie das persönliche Gespräch mit ihrem Klienten, um sich einen Ersteindruck zu verschaffen. Sie erläutern dem Untergebrachten den weiteren Gang des Verfahrens, informieren ihn über seine Rechte (…).
Über den Krankheitsverlauf und den Heilungsprozess ist der Patientenanwalt auf Wunsch zu informieren. Er kann jederzeit bezüglich der Medikation oder Therapien das Gespräch mit den behandelnden Ärzten suchen und auch sonst alle Erleichterungen empfehlen, die dem Untergebrachten seinen Aufenthalt im Spital erträglicher machen. (…) Diese umfasst seit Juli 2010 auch die Pflicht, Angehörigen für allgemeine Auskünfte über die Unterbringung oder den Aufenthalt in einer psychiatrischen Abteilung zur Verfügung zu stehen.
(…) All diese Möglichkeiten stehen den Insassen des Straf-und Maßnahmenvollzugs nicht offen. Sie sind, so sie nicht über die entsprechenden Mittel für einen gewillkürten Vertreter verfügen, auf sich gestellt. Patienten-Vertretungen der Länder sind für den Bereich der hoheitlichen Vollziehung des Bundes nicht zuständig. (…)
Und die Vertretungsmacht der Patientenanwälte beschränkt sich auf Angehaltene in einer Psychiatrie.
Hinzu kommt, dass Strafgefangene über die Art der ärztlichen Behandlung nur eine Aufsichtsbeschwerde erheben können. Auf deren Erledigung besteht kein Rechtsanspruch. Auch erhält der Insasse keine im Rechtsmittelweg bekämpfbare Entscheidung.“[3]
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Herrn Bundesminister für Justiz nachstehende
Anfrage
a. von wem?
b. wird dieser Vorgang dokumentiert?
c. wenn nein, warum nicht?
a. von wem?
b. wird dieser Vorgang dokumentiert?
c. wenn nein, warum nicht?
a. sind Ihnen Beschwerden(z.B. bei der Volksanwaltschaft) bekannt, wenn ja, welche?
b. was passiert konkret im Maßnahmenvollzug, wenn solche Beschwerden an die Volksanwaltschaft herangetragen werden und wie lautet die Abfolge der Dokumentation?
c. welche Auswirkungen haben diese Beschwerden auf die Behandlungsart dieser Patientinnen?
d. wie lautet die Abfolge der Dokumentation, wenn ein Patient NICHT einwilligt und wo werden diese Unterlagen wie lange aufbewahrt?
e. wer alles kann in diese Unterlagen Einsicht nehmen?