11505/J XXV. GP

Eingelangt am 30.01.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Alev Korun, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Inneres

betreffend immer mehr Steuergelder für gewinnorientiertes Privatunternehmen ORS Service GmbH?

BEGRÜNDUNG

Die Tochtergesellschaft der Schweizer Betreiberfirma ORS Service AG, die ORS Service GmbH („ORS“), ist mittlerweile mit der gesamten österreichischen Bundesbetreuung für Asylsuchende betraut. Sie hat 2015 in Österreich ihren Gewinn laut Eigenangaben mehr als verdoppelt. Laut Jahresabschluss, der 2016 veröffentlicht wurde, konnte der Umsatz von 23,2 Mio. auf 66,6 Mio. Euro verdreifacht werden. Der Gewinn habe sich von einer Mio. Euro auf 2,5 Mio. Euro mehr als verdoppelt.

Der „Rahmenvertrag“ den das Innenministerium mit dieser Firma abgeschlossen hat, ist unbefristet. Bezüglich des Vertrags für die Erstaufnahmestelle Traiskirchen ist zudem bekannt, dass das Innenministerium der Firma – unabhängig von der Auslastung – einen monatlichen Sockelbetrag zusichert und bezahlt. Ein Luxus, in dessen Genuss andere, karitativ orientierte Betreuungsorganisationen jedoch nicht kommen. Und ein Genuss, den der Steuerzahler mitfinanziert, obwohl das Innenministerium der Öffentlichkeit gleichzeitig vorzuenthalten versucht, um welche konkreten Beträge es sich hier handelt.

Nunmehr wurde bekannt, dass auch der Flughafensozialdienst in Wien kurzfristig der ORS übertragen wurde – dies nach 13 Jahren, in denen die Caritas diese Aufgabe zur Zufriedenheit aller Beteiligten abgewickelt hatte. Begründung dafür wurde vom Innenministerium keine angegeben. Es ist anzunehmen, dass auch hier die SteuerzahlerInnen wieder ordentlich zur Kasse gebeten werden – freilich wieder mit der gleichzeitigen Weigerung des Innenministeriums und der ORS, die tatsächlichen Zahlungssummen bekannt zu geben.

Auch widerspricht die Beauftragung eines privaten, gewinnorientierten Unternehmens mit dem Flughafensozialdienst, der Betreuung und Unterbringung von Asylsuchenden beinhaltet, eindeutig Art 1 Abs.2 des Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden, wonach sich „Bund, Länder und Gemeinden – sofern diese die Unterbringung nicht selbst besorgen – nach Möglichkeit gemeinnütziger humanitärer oder kirchlicher Einrichtungen oder Institutionen der freien Wohlfahrtspflege bedienen“.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wann und in welcher Form wurde im Innenministerium die Entscheidung getroffen mit der Flughafenbetreuung nunmehr die ORS zu betrauen (Weisung, Beschluss)?

 

2)    Welche sachlichen Gründe führten zu dieser Entscheidung? Bitte um Aufzählung.

 

3)    Die Beauftragung eines gewinnorientierten Unternehmens widerspricht dem Wortlaut und auch den Zielen des Art 1 Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden, wonach gemeinnützigen Organisationen bei Betreuungs- und Unterbringungstätigkeiten der Vorzug zu geben ist. Was werden Sie gegen diese Rechtswidrigkeit unternehmen?

 

4)    Wer beim BMI zeichnet für diese Entscheidung letztverantwortlich?

 

5)    Gab es eine öffentliche Ausschreibung dieser Vergabe der Flughafenbetreuung? Falls ja, bitte um Beifügung dieser.

 

6)    Falls nein, weshalb nicht, zumal das Transparenzgebot dies für eine wirksame Vergabe voraussetzt?

 

7)    Wurde mit der ORS der Vertrag für die Flughafenbetreuung zu den gleichen Konditionen geschlossen wie zuvor mit der Caritas? Falls nein, inwiefern und wo gibt es Abweichungen?

 

8)    Wie viel bekommt die ORS laut Vertrag pro Monat für die Flughafenbetreuung bezahlt?

 

9)    Handelt es sich hier um monatlich pauschalierte Beträge, Sockelbeträge oder je nach Betreuungsaufwand variable Beträge?

 

10)  Mit wie vielen MitarbeiterInnen verpflichtet sich die ORS im Vertrag vor Ort zu sein? Wie viele MitarbeiterInnen stellte 2016 die Caritas für diese Aufgabe?

 

11) Welche Aufgaben übernehmen die MitarbeiterInnen der ORS bei der Flughafenbetreuung? Sind diese deckungsgleich formuliert mit den bisherigen der Caritas-MitarbeiterInnen? Bitte um Beifügung des konkreten Vertrags zur Flughafenbetreuung zwischen BM und ORS Gmbh.

 

12) Wurde die Arbeit der Flughafenbetreuung der Caritas die letzten Jahre evaluiert? Falls ja, was war das Ergebnis? Bitte um Beifügung der Evaluierungsergebnisse.

 

13) Wie viel bezahlte das Innenministerium an die ORS GmbH in den Jahren 2014, 2015 und 2016, jeweils aufgegliedert auf die einzelnen Bundesbetreuungsstellen, aus?

 

14) Wie hoch waren die Auslastungszahlen dieser obengenannten Bundesbetreuungsstellen jeweils 2014, 2015 und 2016? Bitte um monatliche Aufschlüsselung.

 

15) Wurde die Arbeit der ORS in den Bundesbetreuungsstellen evaluiert? Falls ja, was war das Ergebnis? Bitte um Beifügung der Evaluierungsergebnisse.

 

16) Wie hoch ist der Sockelbetrag laut Punkt 12 des Vertrags, den die ORS 2014, 2015 und 2016 jeweils monatlich für die Betreuung der EAST Traiskirchen ausgezahlt bekam?

 

17) Weshalb wurde im „Betreuungsvertrag Asylwerberbetreuung GZ. BMI-FW1600/0037-IV/5/2011“ eine Geheimhaltungsklausel aufgenommen, wenngleich das Innenministerium die Vergütungen an die ORS mit Steuergeldern der österreichischen Bevölkerung bezahlt?

 

18)  Inwiefern widerspricht diese Geheimhaltung Art. 20 Abs. 4 B-VG, der eindeutig „alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts“ dazu verpflichtet über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht“?

 

19) Wurde derselbe Sockelbetrag auch im Jahr 2015, als es zur Massenobdachlosigkeit und mangelhafter Betreuung in Traiskirchen aufgrund der Fluchtbewegungen nach bzw. durch Österreich kam, an die ORS ausgezahlt?

 

20) Falls ja, wie hoch war dieser Sockelbetrag in den jeweiligen Monaten Juli, August, September, Oktober, November und Dezember 2015?

 

21) Falls ja, weshalb wurde der volle Betrag ausgezahlt, wo doch die ORS nachweislich ihren Betreuungspflichten (die auch die Bereitstellung von dem „notwendigen Ausmaß von Betten für „Noteinquartierungen“ (RZ125), sowie eigene Unterbringung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (RZ 121) vorsieht) nicht nachkam?

 

22) Hat das Innenministerium mit irgendeiner anderen Betreuungsorganisation für Asylsuchende ähnliche Sockelbeträge vereinbart? Falls ja, bitte um Aufzählung.

 

23) Falls nein, weshalb werden karitative Organisationen hier schlechter behandelt als gewinnorientierte Privatfirmen?

 

24) Wieviel zahlt das Innenministerium für die Betreuung eines erwachsenen Asylwerbers ohne Betreuungsbedarf pro Tag (organisierte Unterbringung und Betreuung) im Durchschnitt an Betreuungsorganisationen?

 

25) Gibt es in Bezug auf Frage 24 finanzielle Unterschiede zwischen den einzelnen Sätzen, die an Betreuungsorganisationen gezahlt werden, die organisierte Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden anbieten?