11639/J XXV. GP

Eingelangt am 01.02.2017
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Anfrage

des Abgeordneten Mayer, Jarolim, Genossinnen & Genossen an den Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter

betreffend

Mögliche Wahlmanipulationen und damit zusammenhängende Verfahren u.a. wegen Amtsmissbrauches gegen den Bürgermeister der Stadt Bludenz

Vor fast zwei Jahren entschied der Verfassungsgerichtshof, dass die Stichwahl in Bludenz aufgrund grober Verstöße bei der Ausgabe von Wahlkarten wiederholt werden muss. In gro­ßer Anzahl wurden ohne rechtmäßigen Antrag und ohne Vollmacht der Wahlberechtigten Wahlkarten von Wahlhelfern für Heimbewohner und Familienangehörige beantragt. ÖVP- Wahlhelfer hatten sogar per E-Mail bei der zuständigen Beamtin im Amt der Stadt Bludenz Wahlkarten angefordert, ohne auch nur im Entferntesten dazu berechtigt gewesen zu sein. Nahezu 100 Fälle wurden bekannt, in denen Wahlkarten von Parteifunktionären - ohne jegli­chen Auftrag der Wahlberechtigten - in dreister Form, für andere Personen beantragt, be­stellt und bezogen wurden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nunmehr seit März 2015 und führt nach anfänglich zwei Verdächtigen mittlerweile sechs bis sieben Verdächtige aus Bludenz. Laut Bericht des öster­reichischen Ablegers der Neuen Zürcher Zeitung (https://nzz.at/oesterreich/republik/eine- wahlkartenaffaere) wurden, wie aus den Vernehmungen hervorgeht, nicht nur rechtswidrig Wahlkarten bestellt, abgeholt und verteilt, sondern auch vorsätzlich der Wählerwille körper­lich bzw. psychisch beeinträchtigter Personen manipuliert. Aus einer Einvernahme geht bei­spielsweise hervor, dass einem Wahlberechtigten, der unter einer 70 prozentigen kognitiven Einschränkung leidet, von einem Wahlhelfer der ÖVP nahegelegt wurde, für den ÖVP Kan­didaten zu stimmen, obwohl dieser den Kandidaten der SPÖ wählen wollte. In diesem Fall wurde auch das Wahlgeheimnis gebrochen, in dem der ÖVP-Wahlhelfer die Stimmabgabe sogar überwachte um so sicherzustellen, dass die von ihm „beaufsichtigte“ Person ja nicht ihren eigenen Wahlwillen umsetzen konnte. Auch soll der Wahlhelfer Wahlkarten, die er selbst beantragt hat, seiner Frau, Mitarbeiterin bei der Caritas, weitergegeben haben. Seine Frau ließ die Karten von den betreuten Personen unterschreiben und gab sie dem Wahlhel­fer. Angesichts der soeben dargestellten Brutalität ist zu vermuten, wie diese „Serviceleis­tungen“ ausgesehen haben mögen.

Bgm. Josef Katzenmayer wurde von mehreren Personen beobachtet, wie er im Vorfeld im­mer wieder Wahlkarten (!!) sortierte. Offenbar unterband die zuständige Beamtin im Amt die­sen eklatanten Bruch des Wahlgeheimnisses nicht. Es ist bekannt, dass über 1.200 Wahlkar­ten in nicht verschlossenen Wahlbehältnissen offen im Amt der Stadt Bludenz verwahrt wa­ren und schon alleine deshalb die Wahlordnung nicht eingehalten wurde. Als oberstes Organ der Gemeindewahlbehörde hat der Bürgermeister die Einhaltung der Wahlordnung zu über­wachen und sicherzustellen, nicht aber - gelinde gesagt - zu gefährden. Somit hatte Bür­germeister Katzenmayer auch jederzeit die Möglichkeit, abgegebene Wahlkarten zu sichten und die Entscheidung der Wähler zu „überprüfen“. Ein heftigerer Bruch des Wahlgeheimnis­ses ist eigentlich kaum mehr vorstellbar.

Das freie Wahlrecht ist eines der zentralen und höchsten Güter einer demokratischen Ge­meinschaft. Es muss die Aufgabe der Staatsanwaltschaft und auch des Ministeriums sein, gegen Missbrauch des Wahlrechts und Wahlmanipulierung mit allen Mitteln des Rechtsstaa­tes vorzugehen. Diese Vehemenz vermisst man in dieser Causa, was auch eine Befassung damit im besonderen Ausmaß nahelegt.

Die Unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz folgende

Anfrage:

1.  Welcher Ermittlungsstand liegt dem Bundesministerium in der Causa Bludenz vor?

a.     Gegen wen werden Ermittlungen geführt?

b.     Welche Tatbestände werden den Beschuldigten zur Last gelegt?

c.     Seit wann werden gegen die jeweils Beschuldigten Ermittlungen geführt?

 

2.   Bürgermeister Josef Katzenmayer wurde „mangels Anfangsverdacht“ bis vor kurzem

nicht als Beschuldigter geführt

a.     Weshalb gab es bei der Staatsanwaltschaft ein Umdenken?

b.     Gab es hierfür eine Weisung an die Staatsanwaltschaft?

Wenn ja, wer hat die Weisung ausgesprochen und welchen Inhalt hatte sie?

c.     Wurde der Weisungsrat mit der Causa beschäftigt?

3.   Der Bürgermeister ist oberstes Organ der Vollziehung. In seiner Aussage vor der

Staatsanwaltschaft gibt er an, seiner Mitarbeiterin vertraut zu haben, dass diese ihre Arbeit richtig und korrekt erfülle und sie dadurch nicht kontrolliert zu haben.

Hat der Bürgermeister seine Pflicht zur Überwachung der korrekten Abwick­lung der Wahl unterlassen?

4.   Ist bekannt, ob Bürgermeister Josef Katzenmayer selbst Wahlkarten Wahlberechtigten

zugestellt hat?

Wenn ja, in wie vielen Fällen?


5.   Ist bekannt, ob/dass Bürgermeister Josef Katzenmayer selbst Wahlkarten ausgestellt

bzw. ansonsten ungültige Wahlkarten komplettiert hat?

Wenn ja, in wie vielen Fällen?

6.   Aus der Wahlwerbung von Bürgermeister Katzenmayer geht hervor, dass man „gerne

auch die Wähler zum Wahllokal bringe“ oder ihnen auch "gerne eine Wahlkarte orga­nisiere".

Ist eine Wahlwerbung dieser Art noch kompatibel mit der geltenden Wahlordnung?

7.  Wie aus dem oben zitierten Artikel hervorgeht, soll sich ein Wahlhelfer der ÖVP auch die Daten von bei der Caritas betreuten Personen verschafft haben.

a.     Ist dies nicht auch ein Verstoß gegen das Recht auf Privatsphäre bzw. ein Verstoß gegen den Datenschutz im Speziellen?

b.     Werden auch in diese Richtung Ermittlungen angestellt?