11696/J XXV. GP

Eingelangt am 01.02.2017
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Werner Neubauer, Dr. Jessi Lintl

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend Verlust des Weltkulturerbe-Status

Die europäische Kommission hat nach unterstützenden Beschlüssen des EU Ministerrats, des Europäischen Parlaments und des Europarats entschieden, das Jahr 2018 zum europäischen Kulturerbe Jahr – European Cultural Heritage Year (ECHY) 2018 – zu deklarieren. Das Motto dieses Jahres lautet „Sharing Heritage“, die konkrete Umsetzung obliegt den Mitgliedsstaaten.

 

ICOMOS Austria hat zum Zustandekommen dieser europäischen Kampagne wesentliche Impulse gesetzt und schon vor geraumer Zeit eine Neuauflage des europäischen Denkmalschutzjahres 1975 propagiert. Die Blickrichtung galt zunächst dem 40jährigen Jubiläum dieses Ereignisses im Jahr 2015. Aus diesem Anlass hat ICOMOS Austria eine umfassende Retrospektive, eine Situationsanalyse samt Ausblick herausgegeben. Nun wurde das Jahr 2018 als europäisches Kulturerbejahr deklariert.

 

Den jüngsten Entwicklungen folgend besteht die große Gefahr, dass der Beitrag Österreichs zum ECHY 2018 der bewusst provozierte Verlust des Welterbestatus für das historische Zentrum Wien sein wird. Ein beschämender Reputationsverlust, nicht nur für die Republik Österreich, sondern für alle Österreicherinnen und Österreicher.

In diesem Zusammenhang ist nachdrücklich in Erinnerung zu rufen, dass der Staatsvertrag der Unterzeichnung der UNESCO Welterbe Konvention von 1972 zwischen der Republik Österreich und der UNESCO geschlossen wurde. Das Dokument wurde im Jahre 1992 unter Bundeskanzler Franz Vranitzky signiert. Es ist also nicht die Stadt Wien allein, die die Konsequenzen des drohenden Verlusts kalkulieren kann, sondern der gesamte Vorgang liegt in der Verantwortung der Republik Österreich. Diesem Reglement entsprechend erfolgt der Austausch normativer Schriftsätze auch immer nur zwischen der UNESCO und der Republik Österreich. Es sollte deshalb seitens aller wichtiger Entscheidungsträger des Staates, alles im Rahmen ihres Wirkungsbereich Mögliche unternommen werden, dass von dem anlässlich der Pressekonferenz vom 12.12.2016 von der Stadt Wien vorgestellten Projekt der Verbauung des Heumarkt-Areals mit einem Hochhaus und einem 47,3 m hohen Hotelriegel Abstand genommen wird und damit der Republik Österreich die Kulturschande des Verlusts des Welterbe Prädikats und aller daraus resultierenden Folgen erspart bleibt.

Die UNESCO fordert nunmehr seit vier(!) Jahren, das letzte Mal im Juli 2016, im Rahmen der Welterbe Komitee-Tagung in Istanbul, konkrete Änderungen des Bauprojektes ein, um den „außergewöhnlichen universellen Wert“ und damit den Welterbestatus des „Historischen Zentrums von Wien“ aufrecht erhalten zu können.

Die Gesamthöhe des Projekts mit den neu festgesetzten 66,3 Meter (statt ursprünglich 73 Meter) entspricht nicht den Vorgaben - die UNESCO fordert seit 2012 die maximale Bauhöhe mit 43 Meter zu begrenzen. Auch die Stadtplanungsinstrumente zum Schutz des Welterbes waren laut UNESCO unzureichend - auch hier wurden bis dato keine wesentlichen Verbesserungen erarbeitet.

 

"Nach vier Jahren Befassung und Beanstandung des Projekts am Heumarkt durch die UNESCO hat die Stadt Wien nun auch den letzten sehr präzisen Vorgaben des Komitees im Juli 2016 nicht entsprochen: maximale Gebäudehöhe 43 Meter und Erarbeitung weltererbeverträglicher Planungsinstrumente zum Schutz der Welterbe-Stätte. Diese Vorgaben sind nicht mehr verhandelbar“, so Dr. Eva Nowotny, Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission.

 

Der nächste Schritt ist nun eine weitere Befassung des Welterbe Komitees im Juli 2017 in Krakau - werden keine Änderungen vorgenommen, wird das „Historische Zentrum von Wien“ sehr wahrscheinlich auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt und danach der Welterbestatus aberkannt.

 

"Welterbe bedeutet, kulturelles Erbe von außergewöhnlichem universellen Wert für nachfolgende Generationen zu schützen und zu erhalten. Die Welterbe-Stätte Wien umfasst weniger als zwei Prozent des gesamten Stadtgebietes von Wien. Die Begründung für die Aufnahme in die Welterbe Liste war: Das historische Stadtzentrum Wien zählt in der Geschlossenheit, seiner historisch gewachsen Stadtstruktur zu den schönsten und bedeutendsten Stadtdenkmälern Europas und spiegelt die großen Entwicklungsstufen - Mittelalter, Barock und Gründerzeit - auf beeindruckende Weise wider. Die Welterbe Stätte umfasst eine Kernzone von ca. 3,7 km² und eine Pufferzone von 4,6 km² - das 2001 als Welterbe aufgenommene 'Historische Zentrum von Wien' umschließt die Innere Stadt sowie Areale von Schloss Schwarzenberg, Schloss Belvedere und dem Kloster der Salesianerinnen am Rennweg. Das Heumarkt Projekt liegt in der Kernzone, dem sensibelsten Teil einer Welterbe-Stätte“, so Gabriele Eschig, Generalsekretärin der Österreichischen UNESCO-Kommission.

 

Hintergrund:

Die Vertragsstaaten bewerben sich für den Eintrag in die Welterbeliste und verpflichten sich durch die Einschreibung, die Welterbestätten auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet zu schützen und somit für künftige Generationen zu erhalten. Das Welterbe Komitee (bestehend aus 21 Staaten, die alle sechs Jahre von den Mitgliedsstaaten gewählt werden) überprüft regelmäßig den Erhaltungszustand der Welterbestätten und fordert Verbesserungsmaßnahmen, wenn es den außergewöhnlichen universellen Wert gefährdet sieht.

Das UNESCO Welterbe-Komitee stellte, wie bereits regelmäßig seit 2012, im Juli 2016 im Rahmen der Tagung in Istanbul fest, dass sich das Bauprojekt am Heumarkt in seiner jetzigen Form negativ auf den außergewöhnlichen universellen Wert der Historischen Innenstadt auswirkt und forderte Planungsänderungen in Bezug auf Höhe (max. Gebäudehöhe 43 Meter), Maßstab, Masse und Gestaltung des Bauprojekts. Österreich wurde aufgefordert, bis zum Februar 2017 einen aktualisierten Bericht über die Umsetzung der oben erwähnten Maßnahmen vorzulegen.

 

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

 

Anfrage

 

1.    Warum hat das zuständige Bundeministerium in den vergangenen zwei Jahren keine öffentliche Stellungnahme zur Thematik „Weltkulturerbe Wien“ abgegeben?

 

2.    Mit welchem Beitrag(Beiträgen) wird das Kulturland Österreich 2018 zum europäischen Kulturerbe Jahr – European Cultural Heritage Year (ECHY) 2018 beitragen?

 

3.    Besteht die Gefahr, dass der Beitrag Österreichs zum ECHY 2018 der bewusst provozierte Verlust des Welterbestatus für das historische Zentrum Wien sein wird?

 

4.    Sehen Sie die Gefahr eines beschämenden Reputationsverlusts für die Republik Österreich durch Aberkennung des Weltkultur-Erbes Wien?

 

a.    Wenn nein, warum nicht?

 

5.    Wie oft ist in dieser Angelegenheit ICOMOS seit 2014 an die zuständige Abteilung Ihres Hauses herangetreten und wie wurde jeweils darauf reagiert?

 

6.    Welche Konsequenzen würde der Bruch des Vertrages, der mit der Unterzeichnung der UNESCO Welterbe Konvention von 1972 zwischen der Republik Österreich und der UNESCO zustande kam, nach sich ziehen?

 

7.    Welche Initiativen werden Sie setzten, um zu erreichen, dass von dem betreffenden Projekt der Verbauung des Heumarkt-Areals in dieser Form Abstand genommen wird und damit der Republik Österreich die Kulturschande des Verlusts des Welterbeprädikats und aller daraus resultierenden Folgen erspart bleibt?

 

8.    Welche rechtlichen Möglichkeiten werden Sie ausschöpfen, um gegen die vorgestellten Wiener Bauprojekte vorgehen zu können, um den Weltkulturerbestatus Wiens zu erhalten?

 

9.    Wie werden Sie sich persönlich für den Erhalt der Welterbestätten auf gesamtösterreichischem Staatsgebiet einsetzen, diese verpflichtend zu schützen und somit für künftige Generationen erhalten?

10. Wurde der aktualisierte Bericht, zu dem die Republik Österreich durch das UNESCO Welterbe-Komitee aufgefordert wurde und der bis zum Februar 2017 abgegeben werden muss, vorgelegt, bzw. ist dies vorgesehen?

a.    Wenn ja, welche konkreten Änderungen beinhaltet dieser Bericht?

b.    Wenn nein, warum nicht?