11752/J XXV. GP

Eingelangt am 02.02.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Mikroplastik im Abwasser

BEGRÜNDUNG

 

Mit Plastik verseuchte Strände sind die sichtbaren Zeugen eines gewaltigen Umweltproblems: pro Jahr landen weltweit bis zu 12,2 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen. Ein kleiner Teil davon wird an Strände gespült und so für Küstenbewohner und Urlauber sichtbar. Aus ökologischer Sicht sind allerdings nicht nur die an den Küsten angeschwemmten Plastikteile ein Problem, sondern vor allem die weniger sichtbaren Milliarden an Plastikteilen, die in den Weltmeeren schwimmen. Größere Plastikteile können Meereslebewesen direkt schädigen, kleinere Plastikteile haben noch viel weitreichendere Folgen auf die maritimen Ökosysteme. Mikroplastikteile werden entweder von Fischen, Muscheln und anderen Meereslebewesen aufgenommen oder sinken irgendwann ab und bilden eine immer dichtere Schicht, die mit fortschreitender Zeit den Meeresboden bedeckt.

Kunststoffteile sind nicht biologisch abbaubar sondern zerbröseln durch Witterungseinflüsse in immer kleinere bis mikroskopisch kleine Teile und werden so (ab einer Größe von etwa 5 mm) zu sogenanntem „sekundären Mikroplastik“. Etwa 950.000 Tonnen Plastikmüll die jährlich in den Ozeanen landen, sind schon beim Eintritt in die Abwasserkanäle kleiner als 5 mm. Dies ist das sogenannte „primäre Mikroplastik“. Primäres Mikroplastik in den Ozeanen wird Großteils über Flüsse ins Meer gespült und stammt aus unterschiedlichen Quellen. So landen alleine in Europa jedes Jahr zehntausende Tonnen winziger Autoreifenteile im Meer. Auch industrielles Rohmaterial wie Plastikpellets werden in Untersuchungen von Fluss- und Meerwasser regelmäßig gefunden. Die prominentesten (wenn auch nicht die größten) Quellen von Mikroplastik sind Pflege- und Kosmetikprodukte wie Zahnpasten oder Duschgels. Weniger im Fokus der öffentlichen Debatte ist die Mikroplastikverschmutzung durch ausgewaschene Kunststoff-Fasern von synthetischen Textilien. So wie bei allen anderen Textilien auch, gelangen auch bei Kleidungsstücken aus Polyester und anderen synthetischen Materialien durch Waschen und Gebrauch Fasern in die Umwelt. Auf diese Weise könnten alleine in der EU zehntausende Tonnen Mikroplastik aus Textilien ins Meer gelangen.

In einer Studie im Auftrag des Bekleidungsherstellers Patagonia wurden pro (werkseigener) Jacke und Waschgang durchschnittlich 536,7 bis 2574,6 Milligramm Mikrofasern ausgewaschen.

Die ausgewaschenen Mikroplastikpartikel landen mit dem Abwasser in der Kanalisation. Von dort gelangt das Abwasser in 95 Prozent aller Fälle in Kläranlagen.

Inwieweit die Mikroplastikpartikel von den Kläranlagen aufgehalten werden, hängt sicherlich von der technischen Ausstattung der jeweiligen Anlage ab. Bei einer an 12 Kläranlagen in Deutschland durchgeführten Studie wurden zwischen 98 und 1479 Plastikfasern pro Kubikmeter im Abwasser der Anlage identifiziert. ExpertInnen gehen zwar davon aus, dass zumindest der Großteil der Mikroplastik-Fracht von den Kläranlagen zurückgehalten wird, allerdings gelangen trotzdem beträchtliche Mengen über Flüsse in die Ozeane: pro Jahr landen Schätzungen zu Folge allein in Europa über 30.000 Tonnen Mikroplastikpartikel aus Textilien in den Ozeanen.

Klar ist aber auch, dass es noch enorme Wissenslücken gibt, da Mikroplastik weder formal definiert noch als Schadstoff eingestuft ist und es deshalb weder Grenzwerte noch spezifische und verpflichtende Überprüfungen (z.B. für Kläranlagen) gibt. Darüber hinaus wird meistens nur nach größeren Mikroplastik-Partikel gesucht, während mikroskopisch kleine Teile zwar alle Filter durchdringen, aber in keiner Statistik vorkommen. So wurde auch in der Studie des Umweltbundesamts „Mikroplastik in der Donau“ nur nach Partikel größer als 500 µm gesucht, während in der aktuellen Untersuchung 460.000 Partikel kleiner als 500 µm gefunden wurde.

Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der Mikroplastik-Fracht auf jeden Fall im Klärschlamm landet, der somit laut Umweltbundesamt „eine relevante Senke für Mikroplastik darstellt“.  Während über die Hälfte des Klärschlamms verbrannt wird, werden etwa 43 Prozent stofflich verwertet, was im Hinblick auf Ressourceneffizienz grundsätzlich zu begrüßen wäre. Klärschlämme werden zum Teil kompostiert oder zur Düngung direkt auf landwirtschaftliche Felder aufgebracht. Das im Klärschlamm gebundene Mikroplastik, das mit großem Aufwand von der Kläranlage aus dem Abwasser entfernt wurde, landet so auf den heimischen Böden. Laut Umweltbundesamt sind Plastikfasern in einigen Studien sogar als Langzeitindikator zum Nachweis der Klärschlammausbringung auf Böden empfohlen und verwendet worden.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

 

1)    Ist die Einleitung von Mikroplastik (< 5 mm) in Flüsse oder die Kanalisation in Österreich durch Haushalte, Betriebe oder Betriebsanlagen erlaubt?

2)    Welche Grenzwerte für die Einleitung von Mikroplastik (< 5 mm) in Flüsse oder die Kanalisation gibt es in Österreich?

3)    Welche verpflichtenden Untersuchungen in Bezug auf Mikroplastik (im Zufluss, Abfluss und im Klärschlamm) müssen Kläranlagenbetreiber in Österreich bei ihren Anlagen durchführen?

4)    Wie viel Tonnen Mikroplastik (< 5 mm) wurden in den Jahren 2014 und 2015 in die Kanalisation gespült?

5)    Wie viel Tonnen Mikroplastik (< 5 mm) wurden in den Jahren 2014 und 2015  über die Kanalisation in Kläranlagen gespült?

6)    Wie viel Tonnen Mikroplastik (< 5 mm) wurden in den Jahren 2014 und 2015 von Kläranlagen zurückgehalten und wie viel konnte die Kläranlagen passieren und somit in die Flüsse gelangen?

7)    Wie viel Tonnen Mikroplastik (< 5 mm) konnten in den Jahren 2014 und 2015 die österreichischen Kläranlagen passieren und landeten so in Flüssen?

8)    Wie viel Tonnen Mikroplastik (< 5 mm) wurden in den Jahren 2014 und 2015 in Klärschlämmen gebunden?

9)    Wie viel Tonnen Mikroplastik (< 5 mm) wurden in den Jahren 2014 und 2015 zusammen mit den Klärschlämmen direkt oder indirekt (z.B. nach erfolgter Kompostierung des Klärschlamms) auf Böden in Österreich aufgebracht?

10) Welche Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit hat die Ausbringung von Mikroplastik auf Böden in Österreich?

11) Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen, um  die Emissionen von Mikroplastikpartikel aus den unterschiedlichen Quellen einzudämmen?

12) Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen, um zu verhindern, dass Mikroplastikpartikel auf österreichischen Böden aufgebracht werden?

13) Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen, um zu ermöglichen, dass Klärschlämme frei von Mikroplastik werden, um die Ausbringung auf Böden zu ermöglichen?