11793/J XXV. GP

Eingelangt am 02.02.2017
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Hermann Brückl

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher

 

Als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige bezeichnet man jene Personen, die nach einem eigenen Zertifizierungsverfahren in die von den Gerichtshofspräsidenten geführte Gerichtssachverständigenliste eingetragen werden. Dabei handelt es sich um eine Personenzertifizierung nach dem Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG), die eine Qualitätsprüfung beinhaltet und sicherstellt, dass nur höchstqualifizierte, absolut integre und zuverlässige Experten bei Gericht als Sachverständige verwendet werden.

 

Die Voraussetzungen für die Zertifizierung – über deren Vorliegen der entscheidende Präsident zum Teil ein Gutachten bzw. (idF BRÄG 2016) eine begründete Stellungnahme einer Kommission einzuholen hat – sind unter anderem Sachkunde, einschlägige Berufserfahrung, Kenntnisse des Rechtswesens und der Gutachtensmethodik, die zur Gutachtertätigkeit erforderliche Ausstattung, geordnete wirtschaftliche Verhältnisse und der Abschluss einer Haftpflichtversicherung.

 

„Die Prüfung der Sachkunde entfällt bei Inhabern einer entsprechenden Lehrbefugnis an einer Hochschule oder bei Angehörigen eines Berufes, zu dem nach der Berufsordnung auch die Erstattung von Gutachten gehört, z.B. bei Ärzten, Wirtschaftstreuhändern, Psychologen, Ziviltechnikern und Patentanwälten“, lässt sich den Internet-Seiten des Hauptverbandes der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Österreichs entnehmen (https://wien.gerichts-sv.at/sachverstaendige/richtlinien-fuer-eintragungswerber/). Diese Auslegung des Gesetzes teilt das Bundesverwaltungsgericht und führte daher – durch verschiedene Richter – sowohl in der rechtlichen Beurteilung seiner Entscheidung zu W106 2109256-1 vom 3.9.2016, als auch in der rechtlichen Beurteilung seiner Entscheidung zu W213 2111294-1 vom 27.4.2016 wortgleich aus: „diesbezüglich ist auch auf den in der Beschwerde völlig zu Recht vorgebrachten Einwand des BF hinzuweisen, wonach der BF als Ziviltechniker - dafür wurde der Nachweis erbracht - im Gebiet "Sachkunde" nicht zu prüfen ist, was sich aus der Bestimmung des § 4a Abs. 2 SDG ergibt.“


Auffallend ist eine weitere, in beiden Verfahren gleichlautende, Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts: „Insgesamt betrachtet weist das "Gutachten" [Anm. in der rechtlichen Beurteilung wird dieses als Notizzettel mit den vermerkten Symbolen „+“ und „-“ beschrieben] der Prüfungskommission - wie eben ausführlich dargelegt - grobe Mängel auf und ist daher nicht geeignet, die Begründung des angefochtenen Bescheides zu tragen.“ In beiden genannten Fällen wurde der jeweils angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

 

ANFRAGE

 

1.    Wie viele allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige wurden in den Jahren 2014, 2015 und 2016 in die von den Gerichtshofspräsidenten geführte Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (neu) eingetragen?

 

2.    Wie viele der in Frage 1 genannten Eintragungen wurden – aufgeschlüsselt auf die einzelnen Gerichtshöfe – ohne vorausgehende Ablegung einer Sachkundeprüfung durchgeführt?

 

3.    Wie viele Eintragungen von Ziviltechnikern wurden in den Jahren 2014, 2015 und 2016 ohne vorausgehende Ablegung einer Sachkundeprüfung durchgeführt?

 

4.    Wie verteilen sich die unter Frage 1 genannten Eintragungen – aufgeschlüsselt nach den Jahren 2014, 2015 und 2016 – auf die einzelnen Gerichtshöfe?

 

5.    Wie viele angefochtene (Teil-)bescheide von Gerichtshofpräsidenten betreffend die Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher wurden in Erledigung einer Beschwerde in den Jahren 2014, 2015 und 2016 durch das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen, weil das Gebiet „Sachkunde“ geprüft wurde, obwohl es nicht zu prüfen gewesen wäre?

 

6.    Wie verteilen sich die unter Frage 5 genannten aufgehobenen Bescheide – aufgeschlüsselt nach den Jahren 2014, 2015 und 2016 – auf die einzelnen Gerichtshöfe?

 

7.    Wieso wurde in der Vergangenheit von Ziviltechnikern, die sich um eine Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher beworben haben, die positive Absolvierung einer Sachkundeprüfung verlangt?

 

8.    Wird derzeit von Ziviltechnikern, die sich um eine Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher bewerben, die positive Absolvierung einer Sachkundeprüfung abverlangt?


9.    Wenn ja, in welchen Gerichtssprengeln?

 

10. Welcher Einrichtung fließt die gemäß der VO des BMJ (BGBl II 2007/397) vom Eintragungswerber an das zuständige Landes- oder Handelsgericht zu entrichtende Prüfungsgebühr von EUR 400,-- letztlich zu?

 

11. Wie viele der Eintragungswerber, die in den Jahren 2014, 2015 und 2016 einen Antrag auf Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher für maximal zwei Fachgebiete gestellt haben, wurden letztlich eingetragen?

 

12. Wie viele der Eintragungswerber, die in den Jahren 2014, 2015 und 2016 einen Antrag auf Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher für mehr als zwei Fachgebiete gestellt haben, wurden letztlich eingetragen?

 

13. Werden Sie Maßnahmen ergreifen, um das derzeitige System der Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher zu reformieren?

 

14. Wenn ja, welche und wo orten Sie Verbesserungsbedarf?

 

15. Wenn ja, werden Sie sich für die Änderung der derzeitigen Regelungen hinsichtlich des Entfalls der Sachkundeprüfung einsetzen?

 

16. Wenn ja, werden Sie sich für die Einführung einer schriftlichen und anonymisierten Prüfung als Ersatz für die derzeitige mündliche Prüfung einsetzen?

 

17. Wenn nein, warum nicht?

 

18. Würde eine auf jeden Fall abzulegende Sachkundeprüfung zu einer Qualitätssteigerung bei den Gerichtsgutachtern führen?

 

19. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die Qualität der Prüfungskommissionen und der von diesen abzugebenden begründeten Stellungnahmen (idF vor dem BRÄG 2016 Gutachten) zu verbessern?