11816/J XXV. GP

Eingelangt am 08.02.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen

an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

betreffend Vergütung der gemeinschaftlichen Beitragseinhebung bei Sozialversicherungsträgern

 

Gemäß unterschiedlicher gesetzlicher Bestimmungen - insbesondere aufgrund von § 82 ASVG - erhalten die Sozialversicherungsträger für die Einhebung von Beiträgen für andere Sozialversicherungsträger, das Arbeitsmarktservice und die (Bundes-)Arbeiterkammer Ersätze, die im Verordnungsweg festgelegt sind. Alle diese (und auch weitere) Einnahmen werden rechnerisch stets von den Verwaltungskosten der Krankenkassen abgezogen, was zu einer starken optischen Verringerung der Netto-Verwaltungskosten führt. Gleichzeitig ist unklar, inwiefern die verrechneten Ersätze dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand entsprechen. Es entsteht der begründete Verdacht, dass erstens eine indirekte Quersubventionierung von Sozialversicherungsträgern und zweitens eine Verfälschung der tatsächlichen Verwaltungskosten in den Kassen stattfindet.

Die Entwicklung der einzelnen Ersätze ist nicht in allen öffentlich einsehbaren Geschäftsberichten bzw. den Erfolgsrechnungen und Rechnungsabschlüssen der Krankenversicherungsträgern aufgelistet, sondern meist zusammengefasst als "Ersätze für Leistungsaufwendungen" bezeichnet. Mit dieser Zusammenfassung wird die Intransparenz bei der Entwicklung einzelner Ersatzleistungen gefördert. Die Tiroler Gebietskrankenkasse weist in ihren Jahresberichten immer wieder die Entwicklung einzelner Gruppen von Ersätzen aus. Dabei zeigen sich insbesondere bei den Einhebungsvergütungen gemäß § 82 ASVG stark steigende Einnahmen, die von der TGKK als "Aufwand" bezeichnet werden:

 

"Aufwand"

Steigerung in €

Steigerung in %

2010

16.470.664,70

415.365,96

2,59

2011

17.080.792,29

610.147,50

3,70

2012

17.873.088,33

792.296,13

4,64

2013

18.332.436,42

459.348,09

2,57

2014

19.180.911,40

848.474,98

4,63

2015

19.214.407,39

33.495,99

0,17

2010-2014

 

2.743.742,69

16,66

Damit ergibt sich alleine innerhalb der Tiroler Gebietskrankenkasse in vier Jahren nur für Einhebungsvergütungen gem. § 82 ASVG eine Erhöhung der Verwaltungsausgaben für die Einhebung von Beiträgen für andere Sozialvesicherungsträger, die Arbeitslosenversicherung und die (Bundes-)Arbeiterkammer von 16,66%. Insgesamt ist auch die Summer aller Ersätze im selben Zeitraum von 21.696.229,07 (2010) auf 25.726.445,07 (2015) Millionen Euro in der Tiroler Gebietskrankenkasse angestiegen - eine Steigerung von 18,58%.

Da die entsprechenden Vergütungssätze für die gemeinschaftliche Beitragseinhebung größtenteils durch Verordnung, oft auch pauschal, festgelegt sind, unterliegen sie keinem direkten parlamentarischen Beschluss. Dennoch muss eine Kontrolle der Entwicklung der Festlegung und Änderung dieser Vergütungssätze möglich sein. Gleichzeitig fehlt jeder sachliche Zusammenhang zwischen den Ersätzen und dem tatsächlichen Leistungsaufwand für die gemeinschaftliche Beitragseinhebung. Das gilt auch für die Entwicklung dieser Ersätze.

Besonders interessant ist bei der Betrachtung der Ersätze für die gemeinschaftliche Beitragseinhebung ist eine grenzüberschreitende Betrachtung - nicht nur in Österreich übernehmen die Krankenkassen die Einhebung von Beiträgen für andere Sozialversicherungsträger und Einrichtungen, auch in Deutschland ist dies der Fall. Hierbei zeigt sich aber eine enorme Diskrepanz zwischen den Ersätzen je Versicherten: In Deutschland wurden (ohne die Pflegeversicherung eingerechnet, weil es diese in Österreich nicht gibt) 2014 für jeden Versicherten 17,4 Euro in Österreich 36,8 Euro an Verwaltungserstattungen je Versicherten ausgegeben. (Quelle: Hauptverband, Dt. BMG (KJ1), Dt. Statistik-Amt)

Aufgrund der Anfragebeantwortung 6648/AB XXV.GP, ist bekannt, dass im Jahr 2014 die verschiedenen Krankenkassen 284 Millionen Euro aufgrund von Vergütungen für die gemeinschaftliche Beitragseinhebung erhielten. Das entspricht einem Anteil von knapp 2% der Gesamteinnahmen. Bemerkenswert ist, dass diese Vergütungen aus den Verwaltungskosten der Krankenversicherungen herausgerechnet werden. Das rechnet sich natürlich, denn die Netto-Verwaltungsausgaben (ohne diese Vergütungen) betrugen so nur 446 Millionen Euro. Würde man diese Vergütungen hinzurechnen, so ergäbe sich eine viel höhere Verwaltungsquote von rund 4,9%!

Man kann diese Ausgaben herausrechnen, doch insbesondere die Höhe der Gesamteinnahmen aus den Vergütungen machen stutzig und lassen auf eine versteckte Quersubventionierung der Krankenkassen aus anderen sozialversicherungsrechtlichen Abgaben schließen.

Grundsätzlich wäre davon auszugehen, dass die anderen Stellen für die Beiträge eingehoben werden anhand des tatsächlich anfallenden Aufwandes eine Vergütung den Krankenkassen zukommen lassen. Die Höhe der Vergütung ist größtenteils (z.B. bei Pensionsversicherungs-, Unfallversicherungs-, Arbeiterkammer-, Wohnbauförderungsbeitrag und Beitrag zur betrieblichen Mitarbeitervorsorge) als Anteil der eingehobenen Beiträge festgelegt. Dadurch ergibt sich, dass für die Einhebung der Pensionsversicherung viel höhere absolut Beträge vergütet werden, als z.B. beim Wohnbauförderungsbeitrag. Das ist problematisch, denn der Verwaltungsaufwand unterscheidet sich nicht, ob nun 1€ oder 100€ eingehoben werden – was die Krankenkassen davon erhalten ist aber unterschiedlich! – damit kommt schon die erste Erkenntnis, dass die Vergütungen nicht dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand entsprechen können.

Da der Verwaltungsaufwand unabhängig davon ist, wie hoch die eingehobenen Beiträge sind, ist es auch kritisch zu sehen, wie sich die Vergütungen seit 2008 entwickelt haben: insgesamt stiegen die Einnahmen der Krankenkassen aus diesen Vergütungen um 38,7 Millionen Euro oder 15,8%. Auch hier haben die Krankenkassen Glück damit wie die Vergütungen berechnet werden. Denn steigt die Beschäftigung erhalten sie mehr Vergütungen (was berechtigt ist, da zusätzliche Versicherte tatsächlich den Aufwand erhöhen). Sie erhalten aber auch mit jeder Lohnerhöhung und jeder Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage eine zusätzlich höhere Vergütung (was nicht berechtigt ist, weil es für den Verwaltungsaufwand egal ist, ob 1€ oder 3€ eingehoben werden)

Damit zeigt sich, dass die Vergütungen nicht dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand entsprechen können. Dies zeigt sich auch in den unterschiedliche festgelegten Vergütungen für verschiedene Beiträge:

·        PV-, UV- und Nachtschwerarbeitsbeitrag: 0,7% der abgeführten Beiträge

·        (Land-)Arbeiterkammerumlage: 1,5% der abgeführten Beiträge (hier ist interessant, dass 2008 eine Senkung um 0,5 Prozentpunkte möglich war)

·        Wohnbauförderungsbeitrag. 0,7% der abgeführten Beiträge

·        Betriebliche Mitarbeitervorsorge: 0,3% (interessant ist, dass der Anteil am geringsten ist, obwohl durch spezielle Regelungen des BMVSG die Berechnung der zu leistenden Beiträge komplizierter ist, als beim Rest)

·        Beim ALV-Beitrag, IESG-Zuschlag und Schlechtwetterentschädigungsbeitrag wird auf Pauschalvarianten zurückgegriffen.

Die verschiedenen Regelungen zeigen, wiederum, dass sich diese Vergütungen nicht am tatsächlichen Verwaltungsaufwand orientieren. Würde sich diese am tatsächlichen Verwaltungsaufwand orientieren, so wäre von jeder Stelle für den ein Beitrag eingehoben wird derselbe absolute Beitrag einzubehalten.

Man kommt deshalb nicht um die Vermutung herum, dass die Krankenkassen versuchen versteckt ihre Einnahmen durch diese Vergütungen aufzubessern und dabei gleichzeitig auch noch die Verwaltungsquote drücken können.

Nicht nur die Verwaltungsquote wird gedrückt, sondern auch die Verwaltungskosten an sich werden „ausgelagert“. Der Abzug dieser Vergütungen von den Verwaltungskosten ist insbesondere durch seine Höhe nicht nachvollziehbar. Wenn die Krankenkassen ihre Verwaltungskosten um rund einen Drittel reduzieren, weil sie Beiträge für andere einheben, so scheint dies doch wesentlich überzogen. Insbesondere ergibt sich für die Krankenkassen kein Mehraufwand durch die Einhebung anderer Beiträge der diese Höhe der Vergütungen rechtfertigen würde, denn die Krankenkassen müssen die Beiträge für sich (Krankenversicherungsbeiträge) ohnehin administrieren – es scheint als würden hier eigene Verwaltungskosten durch die Beitragseinhebung einfach auf andere Stellen umgewälzt.

Interessant ist nun, wie sich die Quersubventionierung in den vergangenen Jahren entwickelt hat.


Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

1.    Wie hoch war die Einhebungsvergütung gem. § 82 Abs. 1 ASVG für die Mitwirkung bei der Einhebung der Pensionsversicherungsbeiträge jeweils 2015 und 2016 bei jedem einzelnen Sozialversicherungsträger, der dies durchführte? (Auflistung jährlich, einzeln für jeden Sozialversicherungsträger)

2.    Wie hoch war die Einhebungsvergütung gem. § 82 Abs. 1 ASVG und § 250 Abs. 2 GSVG für die Mitwirkung bei der Einhebung der Unfallversicherungsbeiträge jeweils 2015 und 2016 bei jedem einzelnen Sozialversicherungsträger, der dies durchführte? (Auflistung jährlich, einzeln für jeden Sozialversicherungsträger)

3.    Wie hoch war die Einhebungsvergütung gem. § 82 Abs. 3 ASVG für die Mitwirkung bei der Erhebung, Speicherung und Weitergabe von Daten auf automationsunterstütztem Weg beim AMS bzw. der Arbeitslosenversicherung und gesetzlich übertragenen Aufgaben jeweils 2015 und 2016 bei jedem einzelnen Sozialversicherungsträger, der dies durchführte? (Auflistung jährlich, einzeln für jeden Sozialversicherungsträger)

4.    Wie hoch war die Einhebungsvergütung gem. § 82 Abs. 4 ASVG für die Mitwirkung an der Durchführung der den Arbeiterkammern und der Bundesarbeitskammer übertragenen Aufgaben durch Erhebung, Speicherung und Weitergabe von Daten gemäß § 45a des Arbeiterkammergesetzes 1992 jeweils 2015 und 2016 bei jedem einzelnen Sozialversicherungsträger, der dies durchführte? (Auflistung jährlich, einzeln für jeden Sozialversicherungsträger)

5.    Wie hoch waren die Ersätze für die Kinderbetreuungsgeldadministration jeweils 2015 und 2016 bei jedem einzelnen Sozialversicherungsträger, der dies durchführte? (Auflistung jährlich, einzeln für jeden Sozialversicherungsträger)

6.    Von welchen Versicherungsträgern und sonstigen stellen erhielt jeder einzelne Sozialversicherungsträger jeweils 2015 und 2016  "sonstige Ersätze"? (Auflistung jährlich, einzeln für jeden Sozialversicherungsträger)

7.    Wie hoch waren diese sonstigen Ersätze für jede der genannten Stellen in Frage 6 jährlich bei jedem einzelnen Sozialversicherungsträger? (Auflistung jährlich, einzeln für jeden Sozialversicherungsträger)

8.    Wie hoch ist die Abgeltung für die Mitwirkung an der Einhebung gem. Frage 1 bzw. wie wird die Höhe berechnet?

9.    Wie hat sich die Höhe bzw. die Berechnung der Abgeltung gem. Frage 8 seit 2014 verändert?

10. Wie hoch ist die Abgeltung für die Mitwirkung an der Einhebung gem. Frage 2 bzw. wie wird die Höhe berechnet?

11. Wie hat sich die Höhe bzw. die Berechnung der Abgeltung gem. Frage 10 seit 2014 verändert?

12. Wie hoch ist die Abgeltung für die Mitwirkung an der Einhebung gem. Frage 3 bzw. wie wird die Höhe berechnet?

13. Wie hat sich die Höhe bzw. die Berechnung der Abgeltung gem. Frage 12 seit 2014 verändert?

14. Wie hoch ist die Abgeltung für die Mitwirkung an der Einhebung gem. Frage 4 bzw. wie wird die Höhe berechnet?

15. Wie hat sich die Höhe bzw. die Berechnung der Abgeltung gem. Frage 14 seit 2014 verändert?

16. Wie hoch ist die Abgeltung für die Mitwirkung an der Einhebung bzw. Administration gem. Frage 5 bzw. wie wird die Höhe berechnet?

17. Wie hat sich die Höhe bzw. die Berechnung der Abgeltung gem. Frage 16 seit 2014 verändert?