11865/J XXV. GP

Eingelangt am 15.02.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen

betreffend Drittlandexporte von Rindern

BEGRÜNDUNG

 

Gemäß Erwägungsgrund (5) der VERORDNUNG (EG) Nr. 1/2005 DES RATES vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 (im Folgenden TTVO) sollten „aus Tierschutzgründen […] lange Beförderungen von Tieren — auch von Schlachttieren — auf ein Mindestmaß begrenzt werden“.

 

Gemäß Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere im Vertrag von Amsterdam „tragen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere …“ nicht nur irgendwie, sondern „… in vollem Umfang Rechnung“.

 

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-424/13 vom 23. 4. 2015 besagt, dass „die Genehmigung eines Transports, der mit einer langen Beförderung von Pferden, Rindern, Schweinen, Schafen oder Ziegen verbunden ist, durch die zuständige Behörde des Versandorts …“ voraussetzt, „… dass der Organisator des Transports ein Fahrtenbuch vorlegt, das wirklichkeitsnahe Angaben enthält und darauf schließen lässt, dass die Bestimmungen der Verordnung auch für den außerhalb der Union stattfindenden Beförderungsabschnitt eingehalten werden“ (zit. Pressmitteilung des Gerichtshofes der Europäischen Union Nr. 43/15).

 

Österreich exportiert sowohl Schlacht- als auch Nutz- als auch Zuchtrinder in Drittstaaten. Diese Verbringungen finden vor allem auf dem Landweg statt und beinhalten mehrtägige Transporte. Als Zielländer fungieren v.a. die Türkei, Usbekistan, Aserbaidschan und neuerdings der Iran.


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

 

1.    Wie viele Schlacht-, Nutz- und Zuchtrinder wurden in welche außereuropäischen Drittstaaten im Jahr nach dem EuGH-Urteil (d. i. im Zeitraum vom 1. 5. 2015 bis 30. 4. 2016) exportiert (getrennt nach Empfängerländern)?

 

2.    Wieviele Schlacht-, Nutz- und Zuchtrinder wurden in welche außereuropäischen Drittstaaten im Jahr 2016 exportiert (getrennt nach Empfängerländern)?

 

3.    Aus welchen Versandorten wurden Rinder in Drittstaaten exportiert (bitte um Aufgliederung nach Versandort bzw. Bezirkshauptmannschaft mit zugehörigem Zielland)?

 

4.    Welches sind die Aufenthaltsorte, an denen die Rinder jeweils vor Erreichen der maximal zulässigen Beförderungsdauer entladen, gefüttert und getränkt wurden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten haben, bevor ein neuer Beförderungsabschnitt begonnen werden durfte?

Insbesondere wird um Angaben hinsichtlich der behördlichen Zulassung der jeweiligen Einrichtung, der Örtlichkeit und Adresse auf den Transportrouten nach Aserbaidschan, Iran, Türkei und Usbekistan gebeten.

 

5.    Wurden die Tiere vor Erreichen der maximal zulässigen Beförderungsdauer tatsächlich entladen, gefüttert und getränkt, oder fand die Versorgung und Ruhepause auf den LKWs statt?

 

6.    Wurden alle Fahrtenbücher rückübermittelt und was ergab die Analyse der Fahrtenbücher durch die Veterinärbehörden der Versandorte?

 

7.    Begleiten die Fahrtenbücher nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache C-424/13 die Tiersendungen während der gesamten Beförderung nicht nur bis zum Ort des Ausgangs aus dem Gebiet der Gemeinschaft, sondern bis zum Bestimmungsort im jeweiligen Drittstaat? Wenn nicht, warum nicht?

 

8.    Wenn die Fahrtenbücher trotz des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-424/13 die Tiersendungen nicht bis zum Bestimmungsort im jeweiligen Drittstaat begleiten: Auf welche Erkenntnisse stützen sich retrospektiv die Behörden, dass der gesamte Transportvorgang den Regeln der TTVO hinsichtlich der Zeitabstände für das Füttern und Tränken sowie Beförderungszeiten und Ruhezeiten entsprochen hat?


9.    Wurden insbesondere systematisch und bei allen Exporten sämtliche Daten der Satellitennavigationssysteme hinsichtlich der Zeitabstände für das Füttern und Tränken sowie Beförderungszeiten und Ruhezeiten nach Abladung (Informationen über das Öffnen/Schließen der Ladebordwand) ausgewertet? Wenn nicht, warum nicht?

 

10.   Wurden insbesondere systematisch und bei allen Exporten sämtliche Daten   des Kontrollgerätes im Sinne der Verordnung (EWG) 3821/85[1] hinsichtlich Lenkzeiten, Lenkpausen und Ruhezeiten i.S. der Verordnung (EG) 561/2006[2] ausgewertet, um die Zeitabstände für das Füttern und Tränken sowie Beförderungszeiten und Ruhezeiten der Tiere gem. TTVO beurteilen zu können? Wenn nicht, warum nicht?

 

11.   Wurden insbesondere systematisch und bei allen Exporten sämtliche Daten   der Datenschreiber der Temperaturüberwachungssysteme ausgewertet? Wenn nicht, warum nicht?

Wie oft, wie lange, in welchen Monaten und bei welchen Routen kam es zu Abweichungen des Temperaturbereiches zwischen 5 °C und 30 °C?

 

12.   Sollte die angefragte Frau Bundesministerin eine der o.a. Fragen außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches verorten, ergeht die Frage, ob dennoch die Meinung vertreten wird, dass dem Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere in vollem Umfang Rechnung getragen wird?

 

13.   Da die Zielländer österreichischer Rinderexporte in Drittstaaten sowie die auf dem Wege zu querenden Transitstaaten unserem Kenntnisstand nach keine den „Kontrollstellen“ der TTVO bzw. den „Aufenthaltsorten“ der Verordnung (EG) 1255/97[3] entsprechenden Ablademöglichkeiten aufweisen, ergeht die Frage, ob die seit dem Urteil in der Rechtssache C-424/13 abgefertigten Rinderexporte dem Urteil genüge getan haben oder unter Missachtung des Urteilsspruches erfolgt sind?

 

14.   Da die Aufenthaltsdauer österreichischer Rinderexporte in Drittstaaten an den Außengrenzen der Europäischen Union, insbesondere zwischen Bulgarien (Kapitan Andreewo) und der Türkei (Kapıkule), sowie zwischen Drittstaaten weder vorhersehbar noch planbar ist – Rinder verbleiben oft in praller Sonne und mit ungenügender Tränkewasser- und Futterversorgung über viele Tage an Bord der Fahrzeuge – , ergehen die Fragen,


-          ob ein solches vorgelegtes Fahrtenbuch laut Meinung der angefragten Frau Bundesministerin überhaupt wirklichkeitsnahe Angaben i.S. Art. 14 (1) a) ii) TTVO enthalten kann, die darauf schließen lassen, dass die Beförderung den Vorschriften dieser Verordnung entspricht?

-          ob die seit dem Urteil in der Rechtssache C-424/13 abgefertigten Rinderexporte dem Urteil genüge getan haben oder unter Missachtung des Urteilsspruches erfolgt sind?

 

15.   Da die derzeitigen Verkaufspraktiken österreichischer Rinderexporte in die Türkei z.T. den sofortigen Verkauf und die sofortige Umverladung von Tieren in Kapıkule und in Lüleburgaz auf türkische Lastkraftwagen beinhalten, ergehen die Fragen,

-          ob ein vorgelegtes Fahrtenbuch laut Meinung der angefragten Frau Bundesministerin den Vorschriften dieser Verordnung entspricht, wenn als „Bestimmungsort“ Kapıkule resp. Lüleburgaz eingetragen ist, obwohl die Tiere dortorts nicht mindestens 48 Stunden vor Weiterbeförderung untergebracht werden?

-          ob die seit dem Urteil in der Rechtssache C-424/13 abgefertigten Rinderexporte dem Urteil genüge getan haben oder unter Missachtung des Urteilsspruches erfolgt sind?

 



[1] VERORDNUNG (EWG) Nr. 3821/85 DES RATES vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (ABl. L 370 vom 31.12.1985).

[2] VERORDNUNG (EG) Nr. 561/2006 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. L 102 vom 11.4.2006).

[3] Verordnung (EG) Nr. 1255/97 des Rates vom 25. Juni 1997 zur Festlegung gemeinschaftlicher Kriterien für Aufenthaltsorte und zur Anpassung des im Anhang der Richtlinie 91/628/EWG vorgesehenen Transportplans (ABl.  L 174 vom 02.07.1997).