11881/J XXV. GP

Eingelangt am 15.02.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen

an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

 

betreffend freiwillige Höherversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung

 

die Höherversicherung in der Pensionsversicherung scheint eine nette Zusatzleistung der Sozialversicherungsträger zu sein, doch die Ausgestaltung dieser und die Rahmenbedingungen lassen einige sozialpolitische, aber auch wettbewerbsrechtliche Fragen aufkommen.

Die Höherversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung ist ein direktes Substitut gegenüber einer privaten Pensionsvorsorge. Dies kommt vor allem durch die steuerliche Gleichsetzung dieser Pensionsvorsorgemöglichkeiten in § 108a EStG zum Ausdruck. Sowohl für die Mehrausgaben für die Höherversicherung als auch die Aufwendungen für private Pensionsvorsorge kommen dieselben steuerlichen Fördermöglichkeiten zum Tragen.

Diese Gleichstellung ist vor allem aus Sicht des Sozialministeriums bemerkenswert: stets betont das Ressort die schlechte Performance privater Vorsorge und dass die gesetzliche Pensionsversicherung ausreichend Absicherung im Alter ermögliche. Selbst ein Ende der Förderung der privaten Pensionsvorsorge wird immer wieder in den Raum gestellt. Die Pensionsversicherungsträger treten aber eben genau in diesem Bereich der privaten Pensionsvorsorge durch die freiwillige Höherversicherung als ein Marktteilnehmer gegenüber der privaten Vorsorge auf, mit dem wesentlichen Unterschied, dass eine Unterbedeckung womöglich durch die Ausfallshaftung des Bundes durch Steuerzahler_innen ausgeglichen werden müsste.

Nicht nur wettbewerbsrechtlich ist diese ungleiche Voraussetzung hervorzuheben, sondern auch aus sozialpolitischer Perspektive: Die Höherversicherung erfordert finanziellen Spielraum und kann daher vorwiegend von besserverdienenden Versicherten in Anspruch genommen werden. Falls die Ausgestaltung der freiwilligen Höherversicherung der gesetzlichen Pensionsversicherung also nicht kostendeckend arbeitet, wird das Risiko dieser Unterbedeckung zuerst auf die Versichertengemeinschaft des jeweiligen Pensionsversicherungsträgers und in weiterer Folge auf die Gemeinschaft der Steuerzahler_innen überwälzt. Damit wird das Risiko der freiwilligen Höherversicherung, dass die Privaten ansonsten am Markt selbst zu tragen hätten, vom Staat übernommen und damit tragen alle Bürger_innen das finanzielle Risiko höherer Pensionsleistungen für eine Personengruppe, die diese Altersvorsorge auch ohne Probleme auf dem freien Markt erwerben könnte. Es widerspricht außerdem dem Prinzip der Pflichtversicherung, eine mögliche Unterdeckung eines freiwilligen Versicherungsteils durch die Pflichtversicherten tragen zu lassen.

Offen bleibt also die Frage, weshalb die Pensionsversicherungsträger und das Sozialministerium diese freiwillige Höherversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung überhaupt ermöglichen. Es müssen offensichtlich finanzielle Anreize für die Versicherten bestehen. Denn entweder wird ein allfälliger Verlust ohnehin durch Steuerzahler_innen über die Ausfallshaftung ausgeglichen, oder es sind die Beiträge deutlich niedriger als die erwartbaren Leistungen. Das Schlechtreden der privaten Vorsorge und damit das selbstständigen Tragens von Risiken einer privaten Pensionsversicherung über die Pflichtversicherung hinaus, des Sozialministeriums scheint Früchte zu tragen: 2015 konnte eine Steigerung von 37% bei den Anträgen auf eine Höherversicherung verzeichnet werden.

Nicht zu vergessen ist natürlich auch der kurzfristige budgetäre Effekt dieser zusätzlichen Beiträge, die zum Großteil erst in einigen Jahren in höhere Ausgaben der Pensionsversicherung münden. Denn die womöglich stark erhöhten Einnahmen in der Höherversicherung führen kurzfristig zu einer Reduktion des Bundesbeitrages in die Pensionsversicherung. Jede Mehreinnahme ist dem Sozialministerium gegenwärtig recht, um Reformdruck fernzuhalten. Werden allerdings die zukünftigen Zahlungsverpflichtungen gegenübergestellt wird klar: irgendwann geht sich das nicht mehr aus.

Unabhängig davon ist auch die Frage offen, ob diese freiwillige Höherversicherung überhaupt ihren Aufgaben gegenüber den Versicherten nachkommt, insbesondere ob allfällige Änderungen - wie beispielsweise durch die "Verordnung zur Festsetzung der Faktoren für die Bemessung des besonderen Steigerungsbetrages" (BGBl. II Nr. 64/2016) - an die Betroffenen kommuniziert wurden. Eine Änderung der Berechnungsparameter für die Verrentung von Beiträgen ohne konkrete Mitteilung an die Versicherten wäre einem privaten Anbieter eines Altersvorsorgeprodukts nicht erlaubt.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

 

1.    Wie viele Versicherte waren im Jahresdurchschnitt seit 2006 in der gesetzlichen Pensionsversicherung freiwillig höherversichert? (jährlich, einzeln für jedes Bundesland, nach Pensionsversicherungsträger, nach Geschlecht)

2.    Wie viele Versicherte zahlten im Jahresdurchschnitt seit 2006 für die freiwillige Höherversicherung in der Pensionsversicherung Beiträge ein? (jährlich, einzeln für jedes Bundesland, nach Pensionsversicherungsträger, nach Geschlecht)

3.    Wie viele Versicherte bezogen im Jahresdurchschnitt seit 2006 Leistungen aus ihrer freiwilligen Höherversicherung in der Pensionsversicherung? (jährlich, einzeln für jedes Bundesland, nach Pensionsversicherungsträger, nach Geschlecht)

4.    Wie hoch waren die jährlichen Einnahmen der einzelnen Pensionsversicherungsträger seit 2006 aus Beiträgen von Versicherten für die freiwillige Höherversicherung in der Pensionsversicherung? (jährlich insgesamt und jährlich, einzeln für jedes Bundesland, nach Pensionsversicherungsträger, nach Geschlecht)

5.    Wie hoch waren die jährlichen Ausgaben der einzelnen Pensionsversicherungsträger seit 2006 für Versicherungsleistungen für die freiwillige Höherversicherung in der Pensionsversicherung? (jährlich insgesamt und jährlich, einzeln für jedes Bundesland, nach Pensionsversicherungsträger, nach Geschlecht)

6.    Erfolgen die Einnahmen und Ausgaben für das System der freiwilligen Höherversicherung in einem eigenen Rechnungskreis oder in einer anderen geeigneten Form der Abgrenzung von den Beiträgen und Leistungen in der Pflichtversicherung?

a.    Wenn ja, in welcher Form?

b.    Wenn nein, wie kann eine Subventionierung des Zweiges der freiwilligen Höherversicherung durch die Versichertengemeinschaft oder durch die Gemeinschaft der Steuerzahler ausgeschlossen werden?

7.    Wie wird eine allfällige Unterbedeckung finanziert?

8.    Was geschieht mit Mitteln eines allfälligen Überschusses?

9.    Wie hoch war seit 2006 die durchschnittliche Beitragsgrundlage der Versicherten die eingezahlt haben? (jährlich, einzeln für jedes Bundesland, nach Pensionsversicherungsträger, nach Geschlecht)

10. Wie hoch war seit 2006 die durchschnittliche gesamte Pensionshöhe der Versicherten die eine Pension erhielten? (Höhe aller Leistungen der Pensionsversicherung, inkl. Leistung aufgrund von Höherversicherung, jährlich, einzeln für jedes Bundesland, nach Pensionsversicherungsträger, nach Geschlecht)

11. Wie viele der Versicherten die für eine freiwillige Höherversicherung in der Pensionsversicherung einbezahlten, erhielten seit 2006 eine Förderung iSd § 108a EStG? (jährlich, einzeln für jedes Bundesland, nach Pensionsversicherungsträger, nach Geschlecht)

12. Wie hoch waren seit 2006 die jährlichen Förderungen iSd § 108a EStG für die freiwillige Höherversicherung in der Pensionsversicherung?

13. In welcher Weise wurden die Personen die bereits länger eine Höherversicherung von den verschiedenen Pensionsversicherungsträgern über die geänderten Steigerungsbeträge in der "Verordnung zur Festsetzung der Faktoren für die Bemessung des besonderen Steigerungsbetrages" (BGBl. II Nr. 64/2016) informiert?

14. Müssen von den Änderungen umfasste Versicherte dadurch möglicherweise Verluste hinnehmen?

15. Weshalb sieht es das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz als notwendig an, dass die gesetzliche Pensionsversicherung als Anbieter individueller privater Pensionsvorsorge im Altersvorsorgemarkt auftritt?

16. Wie wird sichergestellt, dass die Pensionsversicherungsträger nicht marktverzerrend am Markt für private Pensionsvorsorgen agieren?

17. Wie wird sichergestellt, dass die Pensionsversicherungsträger allfällige Risiken und Kosten auf die Versichertengemeinschaft, den Bund bzw. die Steuerzahler_innen überwälzt?